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Der wackelfuß.

ßjieit fünfzehn Jahren war Buchhalter Krümmelcin möblierter
Zimmerherr bei Müller und saß dort abends im linken Erk
^es Familienkanapees, indein er teils mit Herrn Ulüller Aorten
spielte, teils Frau Müller die Zeitung vorlas, teils das Heran-
wachsende Fräulein Müller anschwärmte — in seiner stillen, schüch-

Kanari-Ersatz.

lernen, unaufdringlichen weise. Das ganze Müllersche Dreigestirn
hatte sich damit vertraut geniacht, daß Herr Krllmmelein, der ein
bescheidener, nicht unhübscher Mann von gesichertem Einkommen
war, dereinst Fräulein Leopoldine heiraten würde. Auch er war
sich darüber völlig einig. Denn er liebte sie.

Sie war ihm gleichfalls nicht abgeneigt.
Eines Tages, nach langem, schwerem
Kampfe mit seiner Schüchternheit, entschloß
er sich, mittags bei den Eltern um ihre
Hand anzuhalten.

Sie sagten mit Befriedigung „Ja".
Aber Fräulein Lcopoldinc, die an diesem
Tage wcltschnierzlich gestimmt war, denn
sie halte den ersten Helden des Schauspiel-
hauses, eilten wunderschönen interessanten
Mann, begegnet — Fräulein Leopoldine
also schluchzte „Nein! NiemalsI" und stürzte
aus dem Zimmer.

Daraufhin kam Herr Krümmelein
abends — das erstemal seit fünfzehn Jahren
— nicht an den Familientisch und saß nicht
in der linken Kanapee-Ecke,

Unheimliche Stille brütete über dem
Zimmer, Herr Müller, der gegen seine Ge-
wohnheit an einem Brief schreiben wollte, ent-
deckte, daß der Tisch wackelte. Er schimpfte.

Frau Müller, die beim Biereinschenkcn
danebengoß, fand gleichfalls, daß der Tisch
wackelte. Sie seufzte, Fräulein Leopoldinc,
die aus Verzweiflung auf ihrer Zither
klimperte, merkte nicht minder, daß der
Tisch wackelte. Sie schluchzte,

„Der linke Fuß!" polterte er.

Der kleine Hans muß immer den Kanarienvogel mit einem Tuch zudecken, damit der
lröhliche Sänger still ist und den Vater beim Nachmittagsschläfchcn nicht stört. Wie nun
»ial die selber viel singende Tante Rosa zu Besuch da ist, sagt der kleine Hans plötzlich zu

„Der linke Fuß!" stöhnte sic.

„Der linke Fuß l" weinte die Tochter,
„Warum hinkt heute plötzlich der
^vke Fuß?" fragten beide Eltern und be-
irachteten mit ernsten Blicken ihr Kind,
„Weil sonst imnier" — schluchzte diese
„weil sonst immer Herr Krümmelein
lein Lein untergcstcllt hat!"

„Fünfzehn Jahre!" sagte Herr
'Müller mit niederschmetterndem Tone.

„Und dieses treue Herz hast Du
Sebrochen!" ächzte die Mutter.

Da schrie Leopoldinc laut auf und
stürzte davon,

„Hm!" murntclte der Vater und er-
blaßte,

„Sie tut sich etwas anl" stöhnte die
lliuttcr und erbleichte.

Nein — das brave Kind, die edleToch-
ler, die aufopfernde Jungfrau holte Herrn
blrümmelein, der lächelnd an ihrer Hand
nach linken Kanapee-Eck ging und das
Dein unter den wackelfuß schob, , , ,
Das Le oensglück von vier Men-
schen war gerettet.


seiner Mutter: „D>ü Mami, svll ich der Tante auch eine Decke Überhängen, damit
sie ruhig wird?!"
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Kanari-Ersatz"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Storch, Carl
Entstehungsdatum
um 1919
Entstehungsdatum (normiert)
1914 - 1924
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 151.1919, Nr. 3860, S. 35

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