sich. Ihr war zu Tode weh. Wenn er jetzt plötzlich hereinkam —
sie wäre von, Stuhle gesunken.
Aber er kain nicht — sehr zum Arger der siegessicheren
Freundin. In Eugenie jedoch reifte ein Entschluß: Sie mußte
beide konfrontieren — an einem Brte, wo sie ihn ohne be-
schämende Zeugen überführen konnte — also daheim.
So wurde denn Lore für morgen Nachmittag zum Kaffee
geladen, ehe man schied. >
Am Abend war die junge Frau für ihren Gatten unsichtbar.
Sie hatte „Kopfweh". — löm, eine so tief gehende Verstimmung
konnte doch in deni unbedeutenden Zwist allein ihren Grund nicht
haben. Sollte sie am Ende doch schon Kunde von seinem un-
schuldigen Abenteuer besitzen?! Es gibt ja Menschen, die nur den
Kopf zur Seite drehen dürfen — und schon macht die Welt das
Schlimmste daraus.
Wütend sprang er auf. trat an den Schreibtisch seiner Gattin,
wo sein eigenes Bild — wie er jetzt eben sah. uni gedreht —
stand, schleuderte seinem Konterfei ein zoologisches Schmeichelwort
zu und ging zu Bett.
Morgen aber sollte und mußte die Sache zu Ende kommen.
Seine kleine Frau mußte ihm Rede stehen, was dies alles zu bedeuten
hätte - und dann wollte er kraft seines guten Gewissens drein-
fahren und die Wolken von seinem Ehehimnicl zerstreuen.
Beim frühstück erschien sie indesscir nicht, vom Mittagstisch
verschwand sie. ehe er reden konnte.
Abends kam er früher heim als sonst. Geräuschlos wie immer
schloß er die Wohnungstüre auf.
Aus deni Salon tönten weibliche Stimmen.
Und — was war denn das?
Weit dehnte er die Nüstern —
derselbe Wohlgeruch wie in
der Straßenbahn.
Jetzt meinte er auch die zweite
Stimme da drinnen zu erkennen.
Das war ja eine fürchterliche
Bescherung I Was nun tun?
Er tat. was noch kein lfeld ge-
tan. Er floh, vorsichtig drückte er
die Wohnungstüre von außen zu.
eilte über die Treppe, huschte über
die Straße und verschwand in deni
gegenüberliegenden Gasthaus, wo
er einen unbeobachteten Lauscher-
posten bezog.
Zwei geschlagene Stunden saß er da — ein Verzweiflung?-
kognak uni den andern kam und wurde vertilgt. Endlich fand seine
Ausdauer ihren Lohn. Ja, es w a r die Schöne von' der Straßen-
bahn. die jetzt das kjaus verließ. Er erkannte sie genau.
Nun duldete es ihn nicht länger. Er ging heim. Engenie
saß ini Wohnzimmer. Erich murmelte etwas von Verspätung.
Line abwehrendc lsandbewegung war die Antwort.
„Morgen Nachmittag" — sagte sie dann über die Schulter —
„wird mich eine Freundin besuchen, die aus bestimmten Gründen
auch Dich zu sprechen wünscht. Du wirst also die Güte haben,
zu Deiner gewöhnlichen Zeit heimzukommenl"
Da wurde er heiß: „Ja. Element noch einmal! So laß doch
den gespreizten Unsinn! Ich erkläre Dir. .
Schon war sie fort.
Zornig warf er sich ins Sofa und brütete.
Aber allniählich kam ihm die Ruhe wieder, endlich sogar noch
niehr — der bfumor. „Na wart', Du parfümierte Schlange, Dir
zieh' ich die Giftzähnchen!"
. . . Punkt sechs Uhr betrat er ani nächsten Abend den Salon.
Engenie war da — auch die Freundin. Es war wirklich die
Straßenbahnbekanntschaft.
Aber auch Erich kam nicht o llein. Sein Freund, der „schöne
Karl", der Erzschwerenöter und lserzenbrecher, kani mit zu einem
„gelegentlichen Besuch". Frau Eugenie merkte die Absicht ihres
Gatten, einen Blitzableiter zwischen sie zu setzen. Aber was konnte
sie machen?! Sie nmßte die liebenswürdige Wirtin spielen.
Doch was war ihre Liebenswürdigkeit gegen jene Lores?!
— Überraschend schnell hatte diese die Verlegenheit — mit der sie
ihr Straßenbahn-Gegenüber erkannte — vollkommen besiegt im
Gespräch mit dem „schönen Karl". Die Unterhaltungskünste des
angenehmen Don-Juans, der auch seinerseits bald erstaunlich Feuer
sing, erwiesen sich dermaßen zugkräftig, daß Lore nur mehr für
ihn Augen und Dhrcn hatte — alles andere ringsumher war
verklungen, versunken, vergessen....
Eugenie sah mit starrem Entsetzen, wie ihre Freundin himmelte,
lächelte, schmollte, trutzte, lachte, verzieh, schwärmte — kurz, eine
Erzkokette und Männerfängerin! — Schon bat die kfausfrau im
Stillen ihrem Mann jeden verdacht ab.
Die Zeit flog. Endlich mußte man aufbrechen. Lore tat es
mit einem reizenden Dank an alle für die prächtigen Stunden.
„Auch Ihre Schuldnerin bin ich!" sagte sie unter einem be-
zaubernden Augenaufschlag zu dem „schönen Karl".
„Ach so!" meinte dieser mit der schlagfertigen Keckheit eines
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sie wäre von, Stuhle gesunken.
Aber er kain nicht — sehr zum Arger der siegessicheren
Freundin. In Eugenie jedoch reifte ein Entschluß: Sie mußte
beide konfrontieren — an einem Brte, wo sie ihn ohne be-
schämende Zeugen überführen konnte — also daheim.
So wurde denn Lore für morgen Nachmittag zum Kaffee
geladen, ehe man schied. >
Am Abend war die junge Frau für ihren Gatten unsichtbar.
Sie hatte „Kopfweh". — löm, eine so tief gehende Verstimmung
konnte doch in deni unbedeutenden Zwist allein ihren Grund nicht
haben. Sollte sie am Ende doch schon Kunde von seinem un-
schuldigen Abenteuer besitzen?! Es gibt ja Menschen, die nur den
Kopf zur Seite drehen dürfen — und schon macht die Welt das
Schlimmste daraus.
Wütend sprang er auf. trat an den Schreibtisch seiner Gattin,
wo sein eigenes Bild — wie er jetzt eben sah. uni gedreht —
stand, schleuderte seinem Konterfei ein zoologisches Schmeichelwort
zu und ging zu Bett.
Morgen aber sollte und mußte die Sache zu Ende kommen.
Seine kleine Frau mußte ihm Rede stehen, was dies alles zu bedeuten
hätte - und dann wollte er kraft seines guten Gewissens drein-
fahren und die Wolken von seinem Ehehimnicl zerstreuen.
Beim frühstück erschien sie indesscir nicht, vom Mittagstisch
verschwand sie. ehe er reden konnte.
Abends kam er früher heim als sonst. Geräuschlos wie immer
schloß er die Wohnungstüre auf.
Aus deni Salon tönten weibliche Stimmen.
Und — was war denn das?
Weit dehnte er die Nüstern —
derselbe Wohlgeruch wie in
der Straßenbahn.
Jetzt meinte er auch die zweite
Stimme da drinnen zu erkennen.
Das war ja eine fürchterliche
Bescherung I Was nun tun?
Er tat. was noch kein lfeld ge-
tan. Er floh, vorsichtig drückte er
die Wohnungstüre von außen zu.
eilte über die Treppe, huschte über
die Straße und verschwand in deni
gegenüberliegenden Gasthaus, wo
er einen unbeobachteten Lauscher-
posten bezog.
Zwei geschlagene Stunden saß er da — ein Verzweiflung?-
kognak uni den andern kam und wurde vertilgt. Endlich fand seine
Ausdauer ihren Lohn. Ja, es w a r die Schöne von' der Straßen-
bahn. die jetzt das kjaus verließ. Er erkannte sie genau.
Nun duldete es ihn nicht länger. Er ging heim. Engenie
saß ini Wohnzimmer. Erich murmelte etwas von Verspätung.
Line abwehrendc lsandbewegung war die Antwort.
„Morgen Nachmittag" — sagte sie dann über die Schulter —
„wird mich eine Freundin besuchen, die aus bestimmten Gründen
auch Dich zu sprechen wünscht. Du wirst also die Güte haben,
zu Deiner gewöhnlichen Zeit heimzukommenl"
Da wurde er heiß: „Ja. Element noch einmal! So laß doch
den gespreizten Unsinn! Ich erkläre Dir. .
Schon war sie fort.
Zornig warf er sich ins Sofa und brütete.
Aber allniählich kam ihm die Ruhe wieder, endlich sogar noch
niehr — der bfumor. „Na wart', Du parfümierte Schlange, Dir
zieh' ich die Giftzähnchen!"
. . . Punkt sechs Uhr betrat er ani nächsten Abend den Salon.
Engenie war da — auch die Freundin. Es war wirklich die
Straßenbahnbekanntschaft.
Aber auch Erich kam nicht o llein. Sein Freund, der „schöne
Karl", der Erzschwerenöter und lserzenbrecher, kani mit zu einem
„gelegentlichen Besuch". Frau Eugenie merkte die Absicht ihres
Gatten, einen Blitzableiter zwischen sie zu setzen. Aber was konnte
sie machen?! Sie nmßte die liebenswürdige Wirtin spielen.
Doch was war ihre Liebenswürdigkeit gegen jene Lores?!
— Überraschend schnell hatte diese die Verlegenheit — mit der sie
ihr Straßenbahn-Gegenüber erkannte — vollkommen besiegt im
Gespräch mit dem „schönen Karl". Die Unterhaltungskünste des
angenehmen Don-Juans, der auch seinerseits bald erstaunlich Feuer
sing, erwiesen sich dermaßen zugkräftig, daß Lore nur mehr für
ihn Augen und Dhrcn hatte — alles andere ringsumher war
verklungen, versunken, vergessen....
Eugenie sah mit starrem Entsetzen, wie ihre Freundin himmelte,
lächelte, schmollte, trutzte, lachte, verzieh, schwärmte — kurz, eine
Erzkokette und Männerfängerin! — Schon bat die kfausfrau im
Stillen ihrem Mann jeden verdacht ab.
Die Zeit flog. Endlich mußte man aufbrechen. Lore tat es
mit einem reizenden Dank an alle für die prächtigen Stunden.
„Auch Ihre Schuldnerin bin ich!" sagte sie unter einem be-
zaubernden Augenaufschlag zu dem „schönen Karl".
„Ach so!" meinte dieser mit der schlagfertigen Keckheit eines
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Fräulein Lore"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1919
Entstehungsdatum (normiert)
1914 - 1924
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 151.1919, Nr. 3868, S. 129
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg