und nahm die Karte in visit- und
Kabinettformat auf. Ein Grapho-
loge und ein Schriftsachverständiger
interessierten sich dafür.
Lei der siebenten fand sich eine
Kartenschlägerin ein, die den Fall
zu allerhand merkwürdigen Blicken
in die Zukunft benützte.
Knrz, man kam ans den inter-
essanten und unterhaltenden Auf-
regungen gar nicht mehr heraus
und war der Gegenstand der Auf-
merksamkeit, des Gesprächs, des Be-
dauerns der ganzen Nachbarschaft,
die jetzt schon an: Samstag regel-
mäßig den Briefträger belauerte, wenn er — der Wichtigkeit seiner
Sendung sich nicht unbewußt — mit der geheimnisvollen Karte auf
das Haus zuschritt. — Da aus einmal blieben die Karten ans.
„Gott sei
Dank l" seufzte
Frau Anastasia.
„Hat der
Schuft endlich
eingesehen, daß
mir sein Ge-
schmier wnrscht
ift ? I" erklärte
Thaddäus mit
erhabener Ruhe.
„Das ist
aber schad'!"
sagte die Resl beim lDirt, bei der Krämerin, bei der Milchfrau
und alles war der gleichen Meinung.
Die Wochensensation, der Gegenstand so vieler interessanter Ge-
spräche, Dermutungen, verdächte und sanften Verleumdungen fehlte.
Man war sehr be-
trübt und ungehal-
ten darüber und be-
trachtete das Ehe-
paar mit Mienen
des Vorwurfs, weil
es gewissermaßen
daran schuld war,
daß die ganze Nach-
barschaft um ein in- l
teressantes Vergnü-
gen kam. lind auf-
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i.
richtig gesagt, auch Thaddäus und
Frau Anastasia selbst vermißten die
Karte. Es ging ihnen etwas ab.
Es war langweilig im Hause wie
seit Monaten nicht. Der interessante
Kitzel fehlte. Sie gähnte. Er nickte
ein. Beide bemerkten mit Betrübnis,
daß ihr Ruhm, ihre Popularität im
Schwinden war. Man zeigte nicht
mehr verstohlen mit Fingern auf
sie — man wisperte nicht mehr
hinter ihnen — Resl redete vom
Kündigen und der Kellner gegen-
über schenkte das Abendbier schlech-
ter ein.
„Warum er nicht mehr schreibt?" rutschte es plötzlich
Thaddäus heraus. — Sie blickte ihn spöttisch an und seufzte:
„vielleicht bist Du jetzt kein Trottel mehr!" — „01)0!" rief er vor-
schnell, bemerkte dann
aber seinen Mosbacher
und sagte mit grenzen-
loser Verachtung: „0f-
fenbar traut er sich nicht
mehr."
Wie aber auch die
dritte lvoche die Karle
ausblieb, wurde der Zu-
stand unerträglich, vier,
fünf Tage ging Thad-
däus mit schweren Ge-
danken tiefsinnig umher.
Ani Freitag schloß er sich mit allen bisherigen Karten mehrere
Stunden an seinem Schreibtisch ein. — Am Samstag früh herrschte
ini ganzen Hause und in der ganzen Nachbarschaft frohe Bewegung:
Sie war da - sie war wieder gekommen— die Karte mit dem
einen lvort:
Trottellll
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} !'
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Mit drei Ruf-
zeichen und zweimal
unterstrichen.
Freudig erregt,
stolz erhobenen Haup-
tes ging Thaddäus
einher. Er hatte sich
selbst dem allge-
meinen tvohle ge-
opfert.
Unter Bühnenschriftstellern.
„Mit Ihnen zusammen soll ich ein
Theaterstück schreiben? — Niemals!"
— „Feigling!"
Neid.
„Dein Bräutigam ist aber doch schon etwas ält-
lich?" — „Wohl, aber er besitzt ein warmes Herz."
— „Ein aufgewärmtes, meinst Du tvohl?!"
Gefährlicher.
„Ihre Braut ist aber ausfallend
dumm." — „Macht nichts. Wenn sie
nur nicht auffallend g'sch eit ist!"
V e r d n ch t.
„Merkwürdig, wie der Holzersepp
seit einiger Zeit beim Husten bellt —
i' glaub' alleweil, der hat unfern
Schnauzt g'fressen!"
E i g e n t ü in l i ch e B e r w a n d t s ch a f t.
„Daß die Frau Müller mit der Frau Maier ver-
wandt ist, habe ich nicht gewußt." — „Ja, Frau
Müller ist die Klatschbase von Frau Maiers
Kafseeschwester."
Furchtbare Eifersucht.
„Dagobert! Dagobert! Gähnst
Du jetzt, weil ich eben gegähnt
habe oder weil die Dame da drü-
ben gähnt?!"
225
Kabinettformat auf. Ein Grapho-
loge und ein Schriftsachverständiger
interessierten sich dafür.
Lei der siebenten fand sich eine
Kartenschlägerin ein, die den Fall
zu allerhand merkwürdigen Blicken
in die Zukunft benützte.
Knrz, man kam ans den inter-
essanten und unterhaltenden Auf-
regungen gar nicht mehr heraus
und war der Gegenstand der Auf-
merksamkeit, des Gesprächs, des Be-
dauerns der ganzen Nachbarschaft,
die jetzt schon an: Samstag regel-
mäßig den Briefträger belauerte, wenn er — der Wichtigkeit seiner
Sendung sich nicht unbewußt — mit der geheimnisvollen Karte auf
das Haus zuschritt. — Da aus einmal blieben die Karten ans.
„Gott sei
Dank l" seufzte
Frau Anastasia.
„Hat der
Schuft endlich
eingesehen, daß
mir sein Ge-
schmier wnrscht
ift ? I" erklärte
Thaddäus mit
erhabener Ruhe.
„Das ist
aber schad'!"
sagte die Resl beim lDirt, bei der Krämerin, bei der Milchfrau
und alles war der gleichen Meinung.
Die Wochensensation, der Gegenstand so vieler interessanter Ge-
spräche, Dermutungen, verdächte und sanften Verleumdungen fehlte.
Man war sehr be-
trübt und ungehal-
ten darüber und be-
trachtete das Ehe-
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es gewissermaßen
daran schuld war,
daß die ganze Nach-
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Frau Anastasia selbst vermißten die
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Es war langweilig im Hause wie
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ein. Beide bemerkten mit Betrübnis,
daß ihr Ruhm, ihre Popularität im
Schwinden war. Man zeigte nicht
mehr verstohlen mit Fingern auf
sie — man wisperte nicht mehr
hinter ihnen — Resl redete vom
Kündigen und der Kellner gegen-
über schenkte das Abendbier schlech-
ter ein.
„Warum er nicht mehr schreibt?" rutschte es plötzlich
Thaddäus heraus. — Sie blickte ihn spöttisch an und seufzte:
„vielleicht bist Du jetzt kein Trottel mehr!" — „01)0!" rief er vor-
schnell, bemerkte dann
aber seinen Mosbacher
und sagte mit grenzen-
loser Verachtung: „0f-
fenbar traut er sich nicht
mehr."
Wie aber auch die
dritte lvoche die Karle
ausblieb, wurde der Zu-
stand unerträglich, vier,
fünf Tage ging Thad-
däus mit schweren Ge-
danken tiefsinnig umher.
Ani Freitag schloß er sich mit allen bisherigen Karten mehrere
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Freudig erregt,
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selbst dem allge-
meinen tvohle ge-
opfert.
Unter Bühnenschriftstellern.
„Mit Ihnen zusammen soll ich ein
Theaterstück schreiben? — Niemals!"
— „Feigling!"
Neid.
„Dein Bräutigam ist aber doch schon etwas ält-
lich?" — „Wohl, aber er besitzt ein warmes Herz."
— „Ein aufgewärmtes, meinst Du tvohl?!"
Gefährlicher.
„Ihre Braut ist aber ausfallend
dumm." — „Macht nichts. Wenn sie
nur nicht auffallend g'sch eit ist!"
V e r d n ch t.
„Merkwürdig, wie der Holzersepp
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i' glaub' alleweil, der hat unfern
Schnauzt g'fressen!"
E i g e n t ü in l i ch e B e r w a n d t s ch a f t.
„Daß die Frau Müller mit der Frau Maier ver-
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Furchtbare Eifersucht.
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habe oder weil die Dame da drü-
ben gähnt?!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Gewohnheit"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1919
Entstehungsdatum (normiert)
1914 - 1924
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 151.1919, Nr. 3876, S. 225
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg