Die Kührerin.
rV>otn Krieg zerschlagen und vom Bruderzwist,
£ag elend rings das arme Doll der Erde
Und klagte wechselnd sich der Fehler an,
Die doch aus allgemeiner Schuld entstammten.
Kein Führer war, der — durch den llrwald
steuernd -
Leid, Neid, Haß, Zwietracht und die tausend
Bäume
Des irdischen llnheils zu entwirren wußte.
Die einen riefen nach dem Himmel laut
llnd andre dumpf verzweifelnd nach der Hölle.
Da legte der Allwaltende die Hand
Der liebsten Tochter auf den sonnigen Scheitel
llnd sprach: „Geh Du! Wenn einer - dir
gelingt's!"
Aufklang das Erztor der Unendlichkeit.
Sie trat hervor und stieg im Morgentau
Dom Felsengipfel schneeiger Gebirge
Hinab in's Menschental. Als man sie sah,
Erhob sich Spott und Jubel: „Schaut das
Weib!"
Die hier erkannten sehnend ihre Sendung.
Die dort verlachten ihre schlichte Milde
llnd nannten „Närrin !" sie und falsch und tückisch.
Sie aber sprach: „Ich bin die Menschen liebe!
Derbannt aus Eurer streitdurchtobten Mitte,
Ging ich zum Dater heim. Er sendet mich.
Nehmt mich in Euren kampfzerwühlten Kreis!
Vertraut mir! Seht, ich schließe alle
Wunden!" . . . .
Da riefen Tausende gewaltig: „Heil!"
Es traten Redner auf und priesen sie
llnd kündeten ihr Lob in vollen Worten.
Es kamen Gänger, die ihr Hymnen weihten.
Gelehrte, Dichter, Philosophen schrieben
In mächtigen Büchern von der Göttlichen . . .
Sie aber schüttelte das sanfte Haupt
llnd lächelte mit mildem Ernste: „Nein!
Wohl dank' ich Euren guten Willens Ansporn.
Doch Taten heischt die Sendung, die mir ward -
Nicht große Werke, Welt und Meer erschütternd,
Nein, kleines schlichtes Schaffen tätiger Liebe:
Komm, Du dort, Witwe, nimm dies arme Kind,
Das Waise ist, und gib ihm eine Mutter!
Du, harter Mann, der täglich Diele kränkt
Mit hingeworf'nen Worten, rauhen Blicken,
Verächtlichen Gebärden, zügle Dich!
Streu denen, die nach Deinem Willen geh'n.
Freundlich den Samen froher Laune aus,
Der Lust zum Leben zeugt und Lust zur Arbeit!
Du Geiziger, gib! Du, Neidischer, verzichte!
Du, Mißtrauenkranker, trau — wirb Treu mit Treu!
Ihr alle, spart des schonen Worts Verschwendung
llnd setzt dafür die bessere stille Tat!
Geht an dem Siechen nicht gerafften Saums
Vorbei und zeigt nicht Ekel vor dem Sünder.!
Helft! Helft!... Aus Millionen warmen Blicken,
Mit denen Ihr des Nächsten Weg erhellt,
Reift eine Sonne, die in milder Kraft
Das starre Eis der Menschheitsselbstsucht schmilzt.
Wo jeder gibt und jeder gleich empfängt.
Bleibt Keiner scheel und arm zur Seite steh'n . . .
Kommt! Kommt! Zu diesem Ziele laßt Euch führen!"
Da wendeten sich Tausend frostig ab.
Die llnmut und Gleichgültigkeit vertrieb.
Doch zagend, schüchtern, langsam, halb verschämt,
Teils auch mit brennender Begeisterung
Hing sich ein Häuflein an der Hohen Hand
llnd trat mit ihr den steinbesäten, rauhen,
Den dornigen Weg werktätiger Liebe an ...
Geht sie dort schreiten! llm das Haupt der Frau
Weht schimmernd ein gebenedeites Licht.
Kommt! Kommt! Ihr nach! Sie führt allein zum Ziel.
Wilhelm Herben.
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rV>otn Krieg zerschlagen und vom Bruderzwist,
£ag elend rings das arme Doll der Erde
Und klagte wechselnd sich der Fehler an,
Die doch aus allgemeiner Schuld entstammten.
Kein Führer war, der — durch den llrwald
steuernd -
Leid, Neid, Haß, Zwietracht und die tausend
Bäume
Des irdischen llnheils zu entwirren wußte.
Die einen riefen nach dem Himmel laut
llnd andre dumpf verzweifelnd nach der Hölle.
Da legte der Allwaltende die Hand
Der liebsten Tochter auf den sonnigen Scheitel
llnd sprach: „Geh Du! Wenn einer - dir
gelingt's!"
Aufklang das Erztor der Unendlichkeit.
Sie trat hervor und stieg im Morgentau
Dom Felsengipfel schneeiger Gebirge
Hinab in's Menschental. Als man sie sah,
Erhob sich Spott und Jubel: „Schaut das
Weib!"
Die hier erkannten sehnend ihre Sendung.
Die dort verlachten ihre schlichte Milde
llnd nannten „Närrin !" sie und falsch und tückisch.
Sie aber sprach: „Ich bin die Menschen liebe!
Derbannt aus Eurer streitdurchtobten Mitte,
Ging ich zum Dater heim. Er sendet mich.
Nehmt mich in Euren kampfzerwühlten Kreis!
Vertraut mir! Seht, ich schließe alle
Wunden!" . . . .
Da riefen Tausende gewaltig: „Heil!"
Es traten Redner auf und priesen sie
llnd kündeten ihr Lob in vollen Worten.
Es kamen Gänger, die ihr Hymnen weihten.
Gelehrte, Dichter, Philosophen schrieben
In mächtigen Büchern von der Göttlichen . . .
Sie aber schüttelte das sanfte Haupt
llnd lächelte mit mildem Ernste: „Nein!
Wohl dank' ich Euren guten Willens Ansporn.
Doch Taten heischt die Sendung, die mir ward -
Nicht große Werke, Welt und Meer erschütternd,
Nein, kleines schlichtes Schaffen tätiger Liebe:
Komm, Du dort, Witwe, nimm dies arme Kind,
Das Waise ist, und gib ihm eine Mutter!
Du, harter Mann, der täglich Diele kränkt
Mit hingeworf'nen Worten, rauhen Blicken,
Verächtlichen Gebärden, zügle Dich!
Streu denen, die nach Deinem Willen geh'n.
Freundlich den Samen froher Laune aus,
Der Lust zum Leben zeugt und Lust zur Arbeit!
Du Geiziger, gib! Du, Neidischer, verzichte!
Du, Mißtrauenkranker, trau — wirb Treu mit Treu!
Ihr alle, spart des schonen Worts Verschwendung
llnd setzt dafür die bessere stille Tat!
Geht an dem Siechen nicht gerafften Saums
Vorbei und zeigt nicht Ekel vor dem Sünder.!
Helft! Helft!... Aus Millionen warmen Blicken,
Mit denen Ihr des Nächsten Weg erhellt,
Reift eine Sonne, die in milder Kraft
Das starre Eis der Menschheitsselbstsucht schmilzt.
Wo jeder gibt und jeder gleich empfängt.
Bleibt Keiner scheel und arm zur Seite steh'n . . .
Kommt! Kommt! Zu diesem Ziele laßt Euch führen!"
Da wendeten sich Tausend frostig ab.
Die llnmut und Gleichgültigkeit vertrieb.
Doch zagend, schüchtern, langsam, halb verschämt,
Teils auch mit brennender Begeisterung
Hing sich ein Häuflein an der Hohen Hand
llnd trat mit ihr den steinbesäten, rauhen,
Den dornigen Weg werktätiger Liebe an ...
Geht sie dort schreiten! llm das Haupt der Frau
Weht schimmernd ein gebenedeites Licht.
Kommt! Kommt! Ihr nach! Sie führt allein zum Ziel.
Wilhelm Herben.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Führerin"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1919
Entstehungsdatum (normiert)
1914 - 1924
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 151.1919, Nr. 3877, S. 234
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg