Der Totenrichter.
urch die sonnenlosen Gefilde des Hades einst
Schritt der Totenrichter und' waltete seines Amts.
Ungezählte Scharen Geschiedener
Zogen an ihm vorbei, des Urteils harrend.
Hinter jedem aber kam sein Leben her:
Schatten waren es, lichte und finstere.
Hellgesichtig und in leuchtenden Mänteln
Gingen leichtbeschwingt die guten Taten —
Schweren Schrittes, schwarz und mit dunklem Antlitz
Schleppten sich dumpf stöhnend die schlimmen Werke.
Bei dem überwog der heitere, helle Schwarm.
Bei jenem war’s ein Gedränge der Finsteren,
In das sich nur selten ein lichter Schatten mischte. •
Die allermeisten aber brachten ein Volk mit sich,
Gleichmässig gemengt von Gutem und Bösem;
Denn ihr Leben schwankte im Wirbelsturm,
Der sie bald zur Höhe trug, bald dem Abgrund zu.
Alles prüfte und wog der Totenrichter,
Mass die Zahl der Schatten und ihre Bedeutung
Und sprach, wie sein Geist ihm befahl, das Urteil.
Da ganz am Schluss — als der Häuf versiegte —
Kam vereinsamt noch einer geschritten,
Fern den anderen, lendenlahm zögernd —
Schattenlos trat er vors Auge des Richters.
„Wie?!“ rief dieser. „Dir folgt keine Tat nach?
Böses nie hast Du vollbracht und niemals Gutes?
Und Du willst ein Sohn sein der Mutter Erde,
Die in jedem Hauch ihrer Lüfte stets
Und in jeder Stunde der Nacht und des Tages
Holdes schafft und Verwerfliches brütet?
Niemals hätte ein edler Gedanke Dich,
Nie auch bewegt ein Reiz der Versuchung?
Heb’ Dich hinweg! Du warst kein Mensch, Unseliger!“
Wilhelm Herbert.
282
urch die sonnenlosen Gefilde des Hades einst
Schritt der Totenrichter und' waltete seines Amts.
Ungezählte Scharen Geschiedener
Zogen an ihm vorbei, des Urteils harrend.
Hinter jedem aber kam sein Leben her:
Schatten waren es, lichte und finstere.
Hellgesichtig und in leuchtenden Mänteln
Gingen leichtbeschwingt die guten Taten —
Schweren Schrittes, schwarz und mit dunklem Antlitz
Schleppten sich dumpf stöhnend die schlimmen Werke.
Bei dem überwog der heitere, helle Schwarm.
Bei jenem war’s ein Gedränge der Finsteren,
In das sich nur selten ein lichter Schatten mischte. •
Die allermeisten aber brachten ein Volk mit sich,
Gleichmässig gemengt von Gutem und Bösem;
Denn ihr Leben schwankte im Wirbelsturm,
Der sie bald zur Höhe trug, bald dem Abgrund zu.
Alles prüfte und wog der Totenrichter,
Mass die Zahl der Schatten und ihre Bedeutung
Und sprach, wie sein Geist ihm befahl, das Urteil.
Da ganz am Schluss — als der Häuf versiegte —
Kam vereinsamt noch einer geschritten,
Fern den anderen, lendenlahm zögernd —
Schattenlos trat er vors Auge des Richters.
„Wie?!“ rief dieser. „Dir folgt keine Tat nach?
Böses nie hast Du vollbracht und niemals Gutes?
Und Du willst ein Sohn sein der Mutter Erde,
Die in jedem Hauch ihrer Lüfte stets
Und in jeder Stunde der Nacht und des Tages
Holdes schafft und Verwerfliches brütet?
Niemals hätte ein edler Gedanke Dich,
Nie auch bewegt ein Reiz der Versuchung?
Heb’ Dich hinweg! Du warst kein Mensch, Unseliger!“
Wilhelm Herbert.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Totenrichter"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1919
Entstehungsdatum (normiert)
1914 - 1924
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 151.1919, Nr. 3881, S. 282
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg