Mückchen-Biberich.
(SjJfiSfnfer Nachbar heißt Mückchen-Biberich. Er ist lseldentenor.
Wenn er singt, wackeln bei uns int Glaskasten alle Tassen
bis auf die letzte.
Lang haben wir das so ertragen und gehofft, daß es ein
Ende nehmen würde. Der Kunst bringt man ja gern ein Vpfer.
Mückchen-Biberich studiert zudem lauter wagner-Vpern ein und
man ist nicht so, daß man nicht für den Genius des großen
Meisters schließlich auch ein verschlagenes Trommelfell riskieren
würde.
Endlich aber geht cs nicht mehr. Da nimmt sich meine Frau
den Mut, geht hinüber, läutet und sagt schüchtern zur Frau des
lseldentenors: „Ach, Sie verzeihen, Frau Mückchen-Biberich. Aber
Ihr Herr Gemahl singt immer so, daß bei uns herüben im Glas-
kasten alle Tassen wackeln bis auf die letzte . . . und da haben nur
geglaubt. .
Plötzlich erlischt der Mut meiner Frau wie ein ausflackerndes
töllämpchen. Sie macht noch einen verlegenen Knir und geht.
Fünf Minuten später läutet es bei uns.
„Jetzt kommt die Entscheidung." denke ich, gehe hinaus und
öffne.
Richtig, Herr Mückchen-Biberich selbst.
„Herr Nachbar" — sagt er — „meine Frau hat
mir gesagt, daß Ihre Frau Gemahlin ihr gesagt habe,
daß bei Ihnen, wenn ich singe, im Glaskasten alle Tassen
ivackeln bis auf die letzte — das möchte ich gern selber
sehen."
Seine Hellen kindlichen Augen leuchten und die nieinen
und die meiner Frau beginnen gleichfalls zu leuchten vor
Hoffnung. . . .
„Bitte I" sage ich. „Bitte, Herr Mückchen-Biberich,
treten Sie nur gefälligst ein und überzeugen Sie sich
selbst!"
Er komnit und betrachtet unseren Glaskasten und
die Tassen darin. Daun stellt er sich mitten in das
Zimmer und legt los. Was er bisher geleistet hatte,
war nichts gegen das, was er heute leistet. Die Tassen
'wackeln, wie sie noch nie gewackelt haben, bis auf die
letzte. —
„Es ist richtig." sagt er. „Sie haben ganz recht.
Die Tassen in Ihrem Glaskasten wackeln, wenn ich singe,
bis auf die letzte. Ich danke Ihnen."
„Gott sei Dank!" sagen wir, wie er draußen ist.
„Jetzt hat er sich selbst überzeugt. Jetzt werden wir die
furchtbare Plage los fein. Jetzt wird er sich mäßigen. Jetzt wird
er nicht mehr so singen und schreien und brüllen. . . ."
Während wir das noch sagen, geht drüben ein Lärm an, wie
wir ihn noch niemals gehört haben. Es dröhnt hinaus wie aus
einem Kanonenrohr, wie aus einem Vulkan, wie aus der Tiefe
des brandenden Meeres. Entsetzt fliehen wir in je eine Sofaecke,
stopfen uns je zwei Sofakissen in die beiden Dhren und warten
erschüttert, was nun noch kommen wird.
Ach Gott!
Da wird cs still. Es läutet. Meine Frau geht ganz ver-
schüchtert und doch mit leiser Hoffnung jhinaus. Dann kommt sie
wieder und sinkt in ihre Sofaecke.
„Was ist's denn?" sage ich und starre sie an.
»Herr Mückchen-Biberich" — entgcgnete sie, setzt aus und
faßt frischen Atem: „Herr Mückchen-Biberich läßt fragen, ob jetzt
die letzte Tasse im Glaskasten auch wackelt...."
ie Nah im Keller.
Zungen-Laschee für Lispler.
Graf Sizzo, Trutz.von Zitzenzatz,
Satz fluchend auf dein Söller,
Weil Mieze, seine einzige Katz,
Nicht fassen kunnt die schwarze Rah
In Zihenzatzens Keller.
Die Mieze, seine einzige Katz,
Spitzt lieber sich auf Matz und Spatz
Auf Zihenzatzens Söller
Als auf die bissige, schwarze Ratz
In Zihenzatzens Keller.
Die scharfgezähnte, schwarze Ratz
Bist kürzlich erst bei einem Satz
Aus Zitzenzatzens Keller
In Miczcns Schnauze einen Kratz.
Das Blut spritzt bis zum Söller.
Graf Sizzo, Trutz von Zitzenzatz,
Sprang Miezen, seiner einzigen Katz,
Spornstreichs nach auf den Söller —
lind zitterird gab er seiner Katz
Auf ihre Nasenspitz 'nen Schmatz
And fluchte immer töllcr
Auf die verbissene, schwarze Ratz
In Zihenzatzens Keller.
Ach, Mieze, seine einzige Katz,
Satz still auf seinem Losenlatz,
Strählt' sich die Nase mit der Tah
And grauuzte ob der schwarzen Ratz
In Zihenzatzens Keller.
Denn die verflixte, schwarze Rah
Lopst um eiu Faß in toller Latz,
Darinnen kühler, Heller,
Sechzehner, süffiger Zitzenzatz,
Den nach der Litz' im Söller
302
(SjJfiSfnfer Nachbar heißt Mückchen-Biberich. Er ist lseldentenor.
Wenn er singt, wackeln bei uns int Glaskasten alle Tassen
bis auf die letzte.
Lang haben wir das so ertragen und gehofft, daß es ein
Ende nehmen würde. Der Kunst bringt man ja gern ein Vpfer.
Mückchen-Biberich studiert zudem lauter wagner-Vpern ein und
man ist nicht so, daß man nicht für den Genius des großen
Meisters schließlich auch ein verschlagenes Trommelfell riskieren
würde.
Endlich aber geht cs nicht mehr. Da nimmt sich meine Frau
den Mut, geht hinüber, läutet und sagt schüchtern zur Frau des
lseldentenors: „Ach, Sie verzeihen, Frau Mückchen-Biberich. Aber
Ihr Herr Gemahl singt immer so, daß bei uns herüben im Glas-
kasten alle Tassen wackeln bis auf die letzte . . . und da haben nur
geglaubt. .
Plötzlich erlischt der Mut meiner Frau wie ein ausflackerndes
töllämpchen. Sie macht noch einen verlegenen Knir und geht.
Fünf Minuten später läutet es bei uns.
„Jetzt kommt die Entscheidung." denke ich, gehe hinaus und
öffne.
Richtig, Herr Mückchen-Biberich selbst.
„Herr Nachbar" — sagt er — „meine Frau hat
mir gesagt, daß Ihre Frau Gemahlin ihr gesagt habe,
daß bei Ihnen, wenn ich singe, im Glaskasten alle Tassen
ivackeln bis auf die letzte — das möchte ich gern selber
sehen."
Seine Hellen kindlichen Augen leuchten und die nieinen
und die meiner Frau beginnen gleichfalls zu leuchten vor
Hoffnung. . . .
„Bitte I" sage ich. „Bitte, Herr Mückchen-Biberich,
treten Sie nur gefälligst ein und überzeugen Sie sich
selbst!"
Er komnit und betrachtet unseren Glaskasten und
die Tassen darin. Daun stellt er sich mitten in das
Zimmer und legt los. Was er bisher geleistet hatte,
war nichts gegen das, was er heute leistet. Die Tassen
'wackeln, wie sie noch nie gewackelt haben, bis auf die
letzte. —
„Es ist richtig." sagt er. „Sie haben ganz recht.
Die Tassen in Ihrem Glaskasten wackeln, wenn ich singe,
bis auf die letzte. Ich danke Ihnen."
„Gott sei Dank!" sagen wir, wie er draußen ist.
„Jetzt hat er sich selbst überzeugt. Jetzt werden wir die
furchtbare Plage los fein. Jetzt wird er sich mäßigen. Jetzt wird
er nicht mehr so singen und schreien und brüllen. . . ."
Während wir das noch sagen, geht drüben ein Lärm an, wie
wir ihn noch niemals gehört haben. Es dröhnt hinaus wie aus
einem Kanonenrohr, wie aus einem Vulkan, wie aus der Tiefe
des brandenden Meeres. Entsetzt fliehen wir in je eine Sofaecke,
stopfen uns je zwei Sofakissen in die beiden Dhren und warten
erschüttert, was nun noch kommen wird.
Ach Gott!
Da wird cs still. Es läutet. Meine Frau geht ganz ver-
schüchtert und doch mit leiser Hoffnung jhinaus. Dann kommt sie
wieder und sinkt in ihre Sofaecke.
„Was ist's denn?" sage ich und starre sie an.
»Herr Mückchen-Biberich" — entgcgnete sie, setzt aus und
faßt frischen Atem: „Herr Mückchen-Biberich läßt fragen, ob jetzt
die letzte Tasse im Glaskasten auch wackelt...."
ie Nah im Keller.
Zungen-Laschee für Lispler.
Graf Sizzo, Trutz.von Zitzenzatz,
Satz fluchend auf dein Söller,
Weil Mieze, seine einzige Katz,
Nicht fassen kunnt die schwarze Rah
In Zihenzatzens Keller.
Die Mieze, seine einzige Katz,
Spitzt lieber sich auf Matz und Spatz
Auf Zihenzatzens Söller
Als auf die bissige, schwarze Ratz
In Zihenzatzens Keller.
Die scharfgezähnte, schwarze Ratz
Bist kürzlich erst bei einem Satz
Aus Zitzenzatzens Keller
In Miczcns Schnauze einen Kratz.
Das Blut spritzt bis zum Söller.
Graf Sizzo, Trutz von Zitzenzatz,
Sprang Miezen, seiner einzigen Katz,
Spornstreichs nach auf den Söller —
lind zitterird gab er seiner Katz
Auf ihre Nasenspitz 'nen Schmatz
And fluchte immer töllcr
Auf die verbissene, schwarze Ratz
In Zihenzatzens Keller.
Ach, Mieze, seine einzige Katz,
Satz still auf seinem Losenlatz,
Strählt' sich die Nase mit der Tah
And grauuzte ob der schwarzen Ratz
In Zihenzatzens Keller.
Denn die verflixte, schwarze Rah
Lopst um eiu Faß in toller Latz,
Darinnen kühler, Heller,
Sechzehner, süffiger Zitzenzatz,
Den nach der Litz' im Söller
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Mückchen-Biberich"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1919
Entstehungsdatum (normiert)
1914 - 1924
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 151.1919, Nr. 3882, S. 302
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg