Mahlzeiten zusammenstellen wirst,
hier hast Du fünfhundert Mark
außergewöhnlichen ksaushaltzuschuß.
Weitere fünfhundert lege ich bereit
für Vergnügungen, ein Mietsauto
für Stadtfahrten und Ausflüge, einen
Abend im Palais de danse. Was sagst
Du nun zu meiner Idee?'
„Großartig, großartig, für mich
wärst Du natürlich auf so etwas
nicht gekommen. Aber für Deinen
Vetter! Na, es ist gut, daß man
eine so produktive Verwandtschaft hat, dann kommt doch unsereins
auch 'mal ins Palais de danse!"
wir hielten Inventur über unsere Vorräte, dann luden wir
den Vetter ein. Er sagte zu,
schon am nächsten Mittwoch
wollte er kommen. Ich war
den ganzen Tag unterwegs,
kaufte Gxernbillete, mietete
ein Auto, suchte einen Tisch
aus im Palais de danse. Am
Mittwoch nachmittag fuhren
mir am Bahnhof vor, in un-
serem gemieteten Auto, Am
Bahnsteig erwarteten wir
den Bummelzug von kseid-
winkel. Meine Lrau in aus-
gewähltester Toilette, dem Vetter Moosbauer zu Liebe —■ ich in
Gehrock, einen märchenhaften Blumenstrauß in der freudezittcrnden
Band. Der moosbäuerliche Vetter, in ländlichem Sombrero, mit
Schweinstrcibersteckcn und mächtigen Talern über dem Produzenten-
bauch, trampelte vom Trittbrett
herunter. Mir fielen ihm in vollster
Familienharmonie gleichzeitig um
den kfals, meine Lrau von 'rechts,
ich von links. Die Umarmung meiner
Frau — Gerechtigkeit gebietet das
zuzugeben — machte auf den Vetter
den tiefstempfundenen Eindruck, well
sich auf der rechten Seite sein Aropf
befand. Als Lharmeur von Talent
fühlte er die Notwendigkeit, Artig-
keiten zu sagen: „Dös is also Del'
Alte!, Reschpekt, Reschpekt a saubas
Wei' best!" wir oelciteten ihn Arm
in Arm zum Auto. — Seit zwei
Tagen hatten wir gehungert, um
ihm ein desto glänzenderes Mahl
vorsctzen zu können. Die Reise
schien ihm Appetit gemacht zu haben,
er verschlang, was auf den Tisch
kam. Zu geistreichen Tafelgesprächen
gönnte er sich keine Zeit, alle vor-
handenen Grgane waren vollauf
beschäftigt. Uns blieb — ich bin
bekanntlich Stoiker — wenigstens
der eine Genuß, die elementare
Tätigkeit seiner Tafelwerkzeuge bewundern zu dürfen. Am Abend
saßen wir in der Gper. Vetter Moosbauer schlief ausgezeichnet
während des ganzen „Lohengrin". Er wachte erst vollständig auf
in der „Fledermaus", bei der Rheinweinbowle. wir hatten auch
hier wieder das Glück, sein unvergleichliches Fassungsvermögen
zu bewundern. Als wir ihn endlich beim ersten Lrührotschein mit
Aufwand aller verwandtschaftlichen Liebe in sein Bett balanziert
hatten, stellte mir meine Frau das Ultimatum: „Mit einem solchen
Vetter kommst Du nur nickst wieder I Der konsumiert ja hundertmal
mehr als er produziert! Morgen mittag erklärst Du ihm, daß Du
abends eine unvorhergesehene Dienstreise anzutreten hast. Dann
wird er schon von selbst verschwinden! Der muß uns ja für min-
destens sechs Monate Lebensmittel liefern, damit wir de» Verlust der
zwei Tage wieder 'reinholenI"
Mittags machte ich dem Vetter — unter Vorzeigung einer von
mir selbst ausgefertigten amtlichen Anweisung — die ticstraurige
Mitteilung, daß ich mit denr Abendschnellzug in dienstlicher Angelegen-
heit nach Frankfurt müßte. Er nahm cs gelassen hin — er hielt gerade
ein Gansviertcl zwischen seinen Längen: „Laß Di' nöt aufhalt'n, na
geh' i' halt heit' Ab'nd mit Deiner Alt'n ins Balä, wia hast D' g'sagt?"
„Ins Palais de danse," — „Ja so, ins Balätanz."
Als sic abends ausgingen, uniarmte ich meinen lieben Vetter noch
dutzendmal gerührt. Er klopfte mich
tröstend auf den Rücken: „Laß sei',
i' kimm scho' bal' wieda l" Meine
Lrau raunte mir noch rasch zu:
„Daß Du nicht mehr da bist, wenn
wir heimkommen!"
„Aber um's kjimmelswillen, wo
soll ich denn heute Nadst Hinreisen?"
- Sie (kategorisch): „Auf den Speicher
natürlich! Ich hol'Dich morgen ab!"
Und als unten das Auto los-
rattcrte, packte ich meine nächtlichen
Reisceffekten zusammen und reiste
auf den Speicher.
hier hast Du fünfhundert Mark
außergewöhnlichen ksaushaltzuschuß.
Weitere fünfhundert lege ich bereit
für Vergnügungen, ein Mietsauto
für Stadtfahrten und Ausflüge, einen
Abend im Palais de danse. Was sagst
Du nun zu meiner Idee?'
„Großartig, großartig, für mich
wärst Du natürlich auf so etwas
nicht gekommen. Aber für Deinen
Vetter! Na, es ist gut, daß man
eine so produktive Verwandtschaft hat, dann kommt doch unsereins
auch 'mal ins Palais de danse!"
wir hielten Inventur über unsere Vorräte, dann luden wir
den Vetter ein. Er sagte zu,
schon am nächsten Mittwoch
wollte er kommen. Ich war
den ganzen Tag unterwegs,
kaufte Gxernbillete, mietete
ein Auto, suchte einen Tisch
aus im Palais de danse. Am
Mittwoch nachmittag fuhren
mir am Bahnhof vor, in un-
serem gemieteten Auto, Am
Bahnsteig erwarteten wir
den Bummelzug von kseid-
winkel. Meine Lrau in aus-
gewähltester Toilette, dem Vetter Moosbauer zu Liebe —■ ich in
Gehrock, einen märchenhaften Blumenstrauß in der freudezittcrnden
Band. Der moosbäuerliche Vetter, in ländlichem Sombrero, mit
Schweinstrcibersteckcn und mächtigen Talern über dem Produzenten-
bauch, trampelte vom Trittbrett
herunter. Mir fielen ihm in vollster
Familienharmonie gleichzeitig um
den kfals, meine Lrau von 'rechts,
ich von links. Die Umarmung meiner
Frau — Gerechtigkeit gebietet das
zuzugeben — machte auf den Vetter
den tiefstempfundenen Eindruck, well
sich auf der rechten Seite sein Aropf
befand. Als Lharmeur von Talent
fühlte er die Notwendigkeit, Artig-
keiten zu sagen: „Dös is also Del'
Alte!, Reschpekt, Reschpekt a saubas
Wei' best!" wir oelciteten ihn Arm
in Arm zum Auto. — Seit zwei
Tagen hatten wir gehungert, um
ihm ein desto glänzenderes Mahl
vorsctzen zu können. Die Reise
schien ihm Appetit gemacht zu haben,
er verschlang, was auf den Tisch
kam. Zu geistreichen Tafelgesprächen
gönnte er sich keine Zeit, alle vor-
handenen Grgane waren vollauf
beschäftigt. Uns blieb — ich bin
bekanntlich Stoiker — wenigstens
der eine Genuß, die elementare
Tätigkeit seiner Tafelwerkzeuge bewundern zu dürfen. Am Abend
saßen wir in der Gper. Vetter Moosbauer schlief ausgezeichnet
während des ganzen „Lohengrin". Er wachte erst vollständig auf
in der „Fledermaus", bei der Rheinweinbowle. wir hatten auch
hier wieder das Glück, sein unvergleichliches Fassungsvermögen
zu bewundern. Als wir ihn endlich beim ersten Lrührotschein mit
Aufwand aller verwandtschaftlichen Liebe in sein Bett balanziert
hatten, stellte mir meine Frau das Ultimatum: „Mit einem solchen
Vetter kommst Du nur nickst wieder I Der konsumiert ja hundertmal
mehr als er produziert! Morgen mittag erklärst Du ihm, daß Du
abends eine unvorhergesehene Dienstreise anzutreten hast. Dann
wird er schon von selbst verschwinden! Der muß uns ja für min-
destens sechs Monate Lebensmittel liefern, damit wir de» Verlust der
zwei Tage wieder 'reinholenI"
Mittags machte ich dem Vetter — unter Vorzeigung einer von
mir selbst ausgefertigten amtlichen Anweisung — die ticstraurige
Mitteilung, daß ich mit denr Abendschnellzug in dienstlicher Angelegen-
heit nach Frankfurt müßte. Er nahm cs gelassen hin — er hielt gerade
ein Gansviertcl zwischen seinen Längen: „Laß Di' nöt aufhalt'n, na
geh' i' halt heit' Ab'nd mit Deiner Alt'n ins Balä, wia hast D' g'sagt?"
„Ins Palais de danse," — „Ja so, ins Balätanz."
Als sic abends ausgingen, uniarmte ich meinen lieben Vetter noch
dutzendmal gerührt. Er klopfte mich
tröstend auf den Rücken: „Laß sei',
i' kimm scho' bal' wieda l" Meine
Lrau raunte mir noch rasch zu:
„Daß Du nicht mehr da bist, wenn
wir heimkommen!"
„Aber um's kjimmelswillen, wo
soll ich denn heute Nadst Hinreisen?"
- Sie (kategorisch): „Auf den Speicher
natürlich! Ich hol'Dich morgen ab!"
Und als unten das Auto los-
rattcrte, packte ich meine nächtlichen
Reisceffekten zusammen und reiste
auf den Speicher.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Vetter vom Lande"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1920
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1930
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 153.1920, Nr. 3924, S. 119
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg