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Palet die kommenden, sorgenlosen Tage mit ihren Freuden 1 Ich
habe schon Freuden gehabt, aber mein Pater nicht. Lsabe doch
Mitleid und nimm mich l"

Sie klammert sich krampshaft an das schwarze Gewand und
schaut flehend nach oben.

„<£s geht nicht, Grtrud; das Schicksal meint es anders. Finde
Dich darein, denn Dein Pater wird nun friedlichere Tage haben!"

Doch Grtrud ist's nicht zufrieden.

Immer wieder versucht sie, den Greis
vom Tode zu retten, immer lauter wird
ihr Jammern, doch der Tod steht uner-
bittlich und schüttelt den Kopf, tröstet
die Bittende, die endlich von ihm abläßt
und sich weinend in den Sessel wirft.

Dankbar schaut der Alte zu seiner Toch-
ter hinüber; er will auch trösten und
vermag es nicht, er ist zu ergriffen. Lieb-
kosend will er nach ihr greifen, seine
Lippen scheinen sich zu bewegen, doch
er ist zu schwach geworden und fällt in
seine Kissen zurück; seine Augen schließen
sich — der Tod hat sein Gxfer.

Das gleichmäßige Ticken der kleinen
Wanduhr ist verstummt, Stille herrscht
im Raum. — Endlich hebt Grtrud den
Kopf und sieht, was geschehen ist. Das
Blut steigt ihr in die Wangen, eine
unbezähmbare Wut packt sie und läßt
sie nach einem kfolzstühlchen greifen,
welches gleich darauf dem noch immer
dastehenden Tod entgegenfliegt. Doch
diesem schadet das nichts, und der Stuhl
fällt durch sein Ziel hindurch und schlägt
dahinter polternd an die wand. Grtrud
wird noch grimmiger, sie hebt drohend
ihre Faust und ruft: „Aller Fluch sei mit
Dir, Mörder aller Menschen I Alles Un-
heil vernichte Dich, jeder soll Dich hassen.

Hinweg mit Dir, weit weg! — Ulöge
Dich das Feuer der Hölle verderben und
Dein unheilvolles Tun bestrafen, Du
schändlicher Bösewicht. Keine ruhige
Stunde sei Dir je beschieden; fort, fort
von hier!"

Sie fällt erschöpft in den Sessel zu-
rück und bedeckt ihr Gesicht mit den
zitternden fänden.

Grtrud, höre und sei vernünstig.

Bezähme Deinen Zorn, denn Du hast
gesehen, daß menschliches Wirken mir
nichts schadet. Sieh, Du klagst über den
Perlust Deines Paters, bedenkst aber gar
nicht, daß das Leben an euch Menschen-
kinder nur verliehen worden ist; ihr
müßt auch an das gurückgeben denken.

Glaubet nicht, daß ihr Akenschen glück-
lich wäret, wenn ihr ewig lebet, dazu
seid ihr viel zu unzufrieden, wankel-
mütig und gierig I Kannst Du nicht mit
der Gewißheit zufrieden sein, daß Dei-
nem Pater von nun ab alle Sorge ge-

nommen ist? Warum zürnst Du mir, der ich doch nur ein Diener
des Schicksals bin? Dankbar solltet ihr Menschen sein, allezeit
zufrieden mit dem, was euch das Leben bietet, und gern sollt ihr
euer Leben zurückgeben, wenn die Zeit gekommen ist."

Grtrud regt sich nicht. Mechanisch lauscht sie den Worten und
bricht dann wieder in lautes Weinen aus. Sie ist vollkommen
gebrochen und merkt nicht, daß sie längst allein hoch oben im

151

19*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Glöcknerstochter von St. Marien"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Marr, Carl von
Entstehungsdatum
um 1920
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1930
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 153.1920, Nr. 3928, S. 151
 
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