Der Delikateßstumpen verschwindet fast hinter den Zähnen, so
wird an ihm gezogen. Siebeneinhalb Züge und dann ist's wieder gar.
Der Mann im Havelock besieht den Stumpen immer noch mit
liebevoller Sachlichkeit, raucht ein Weilchen „kalt" weiter, versucht
dann nochmal das Feuerzeug, das nicht mag, dann wird wieder
ein Zündholz geopfert — „möchten S' net so guat sei', perr?"
— Rauch kräuselt auf und erstirbt. — Noch ein paar resignierende
kalte Züge . . . Dann wird der Stumpen ins westentaschl gebettet.
„wissen 5’," sagt das Manndl, bin nämlich a leiLenschaft-
licher Raucher, und da is ma' froh, wenn ma' allweil glei' was
bei der Lzand hat, als wia so an Delikateßstumpen, so g'schwind
no' aus der,Bahn oder vorm Büro oder sunst — was Delikat's
sag' i' Lahna! . . . was Delikat's!"
Die Lackschuhe.
Sie sind sehr neu, sehr groß und sehr preiswert und gehören
für den nächsten Feuerwehrball in bseimertsham. Das Fräulein
Moni lfinterxointner, Gutsköchin vom Grafen Seeburg, hat sie in
der Stadt gekauft, und weil sie ihr so narrisch gefallen, gleich auf
der Bahnfahrt anbehalten.
Sonst waren der Moni ihre Pedale im allgemeinen wurst, auf
der Eisenbahn im besonderen, bseut aber bringt sie ihre Füßchen,
tsausnummer 4,31/a, in die vorteilhaftesten Situationen und liebkost
den spiegelnden schwarzen Lack, die breiten Schleifen zärtlich mit
ihren Blicken. Legt sie übereinander, stellt sie zierlich nebeneinander,
dreht sic auswärts und einwärts mit gleichem Wohlgefallen, zupft
am Bandl, reibt mit dem Taschentuch ein Stäubchen weg und
freut sich grimmig auf den Neid von der Fanny, dem Stubenmadl,
die nur ihre rindsledernen Trittlinge hat.
Die Frau Expeditor ihr gegenüber muß Dualität und Formen-
schönheit der „Schläucherl" bewundern. Die Moni stellt ihren linken
Lackschuhfuß wohlgefällig auf die Kante der Bank: „Schaug'n S'
nur her!" — Der Maurersteffi von Jrzenberg schaugt — unein-
geladen — auch her. Konstatiert mit Anerkennung feste Wad'ln
— auf Lackschuhe an sich gibt er nichts. — Die Moni setzt sich
wieder, beglückt von der Anerkennung der Lxpeditorin, dreht die
Sohlen liebevoll auf die Kante und berauscht sich aufs neue an
den neuen Lackschuhen. — Reibt wieder fest mit dem Taschentuch
die Spitze ab.
Wie sie glänzen — wie sie funkeln I Diese Eleganz I Ganz
gebuidet kommt sich die Moni vor. Sie redet schon hochdeutsch mit
der Expcditorin. Erzählt schon von ihrem „Papa" und ihrer
„Mama" — alles z'weg'n der Lackschuhe.
Der Maurersteffi von Irzenberg steigt aus und steigt — ja
fällt denn der Pimmel nicht über ihm ein! — steigt xfeilg'rad'
mit seinen Kalktrittlingcn, an denen der Dreck klumpenweis hängt,
mit allen Nägeln und Eisen auf den rechten Lackschuh vom
Fräulein Moni, wie da die Moni schnell wieder Dialekt sprach I . . .
Julius Areis.
Tifchregrln für Kriegsgewinnler und Schieber.
JNmm's Messer mit der rechten Hand,
Dir Gabel mit der Linken,
Leim kauen, Freundchen, schmatze nicht
And schlürsr nicht Krim Trinken!
jfluch aus der Flasche trinke nie,
Trink immer aus dem Glase,
zvutz' dir dir Flügel nicht bei Tisch
And bohr' nicht in der Sasel
Das Fleisch fast' niemals mit der lhand,
Am's in den Mund zu stecken,
Dann brauchst tut auch dir Finger dir
Sicht später abzulrckrn!
Das Messer nimm zum Schnriüeu nur
And steck'» nicht in den Schnabel,
And wenn du dich schon kratzen muht,
So tu's nicht mit der Gabel!
Wirf nicht die Knochen untern Tisch,
So will's dir Etikette,
Schneuz niemals in die Finger dich,
Such nicht in die Srroiettr!
Lum Schluh den allerbesten Lat,
Den mache dir zu eigen:
Llrib' lieber schön daheim und ih
Bllein und ohne Leugrn!
0 £. (ffl£
192
wird an ihm gezogen. Siebeneinhalb Züge und dann ist's wieder gar.
Der Mann im Havelock besieht den Stumpen immer noch mit
liebevoller Sachlichkeit, raucht ein Weilchen „kalt" weiter, versucht
dann nochmal das Feuerzeug, das nicht mag, dann wird wieder
ein Zündholz geopfert — „möchten S' net so guat sei', perr?"
— Rauch kräuselt auf und erstirbt. — Noch ein paar resignierende
kalte Züge . . . Dann wird der Stumpen ins westentaschl gebettet.
„wissen 5’," sagt das Manndl, bin nämlich a leiLenschaft-
licher Raucher, und da is ma' froh, wenn ma' allweil glei' was
bei der Lzand hat, als wia so an Delikateßstumpen, so g'schwind
no' aus der,Bahn oder vorm Büro oder sunst — was Delikat's
sag' i' Lahna! . . . was Delikat's!"
Die Lackschuhe.
Sie sind sehr neu, sehr groß und sehr preiswert und gehören
für den nächsten Feuerwehrball in bseimertsham. Das Fräulein
Moni lfinterxointner, Gutsköchin vom Grafen Seeburg, hat sie in
der Stadt gekauft, und weil sie ihr so narrisch gefallen, gleich auf
der Bahnfahrt anbehalten.
Sonst waren der Moni ihre Pedale im allgemeinen wurst, auf
der Eisenbahn im besonderen, bseut aber bringt sie ihre Füßchen,
tsausnummer 4,31/a, in die vorteilhaftesten Situationen und liebkost
den spiegelnden schwarzen Lack, die breiten Schleifen zärtlich mit
ihren Blicken. Legt sie übereinander, stellt sie zierlich nebeneinander,
dreht sic auswärts und einwärts mit gleichem Wohlgefallen, zupft
am Bandl, reibt mit dem Taschentuch ein Stäubchen weg und
freut sich grimmig auf den Neid von der Fanny, dem Stubenmadl,
die nur ihre rindsledernen Trittlinge hat.
Die Frau Expeditor ihr gegenüber muß Dualität und Formen-
schönheit der „Schläucherl" bewundern. Die Moni stellt ihren linken
Lackschuhfuß wohlgefällig auf die Kante der Bank: „Schaug'n S'
nur her!" — Der Maurersteffi von Jrzenberg schaugt — unein-
geladen — auch her. Konstatiert mit Anerkennung feste Wad'ln
— auf Lackschuhe an sich gibt er nichts. — Die Moni setzt sich
wieder, beglückt von der Anerkennung der Lxpeditorin, dreht die
Sohlen liebevoll auf die Kante und berauscht sich aufs neue an
den neuen Lackschuhen. — Reibt wieder fest mit dem Taschentuch
die Spitze ab.
Wie sie glänzen — wie sie funkeln I Diese Eleganz I Ganz
gebuidet kommt sich die Moni vor. Sie redet schon hochdeutsch mit
der Expcditorin. Erzählt schon von ihrem „Papa" und ihrer
„Mama" — alles z'weg'n der Lackschuhe.
Der Maurersteffi von Irzenberg steigt aus und steigt — ja
fällt denn der Pimmel nicht über ihm ein! — steigt xfeilg'rad'
mit seinen Kalktrittlingcn, an denen der Dreck klumpenweis hängt,
mit allen Nägeln und Eisen auf den rechten Lackschuh vom
Fräulein Moni, wie da die Moni schnell wieder Dialekt sprach I . . .
Julius Areis.
Tifchregrln für Kriegsgewinnler und Schieber.
JNmm's Messer mit der rechten Hand,
Dir Gabel mit der Linken,
Leim kauen, Freundchen, schmatze nicht
And schlürsr nicht Krim Trinken!
jfluch aus der Flasche trinke nie,
Trink immer aus dem Glase,
zvutz' dir dir Flügel nicht bei Tisch
And bohr' nicht in der Sasel
Das Fleisch fast' niemals mit der lhand,
Am's in den Mund zu stecken,
Dann brauchst tut auch dir Finger dir
Sicht später abzulrckrn!
Das Messer nimm zum Schnriüeu nur
And steck'» nicht in den Schnabel,
And wenn du dich schon kratzen muht,
So tu's nicht mit der Gabel!
Wirf nicht die Knochen untern Tisch,
So will's dir Etikette,
Schneuz niemals in die Finger dich,
Such nicht in die Srroiettr!
Lum Schluh den allerbesten Lat,
Den mache dir zu eigen:
Llrib' lieber schön daheim und ih
Bllein und ohne Leugrn!
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das Bilderbüchl vierter Klasse"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1920
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1930
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 153.1920, Nr. 3933, S. 192
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg