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Das Bilderrätsel.

Doit Julius Kreis.

Ich wollte mich etliche Tage zur Erholung an den bei Loibl-
fing nicht unbeträchtlichen Busen der Natur flüchten; denn auf der
Jagd nach einer Mahnung hatten sich meine Nervenstränge derart
verknotet, verheddert, verschlungen und verwirrt, daß ich nahe daran
war, mich an ihnen am Giebel des Wohnungsamtes aufzuhängeu
mit einem Schild um den ksals: „Die ihr hier eintretet, lasset alle
Hoffnung zurück!" — Indes —
wozu ebenso nutzlose wie gesund-
heitsschädliche Demonstrationen I
Ich setzte mich auf die Bahn
und war guter Hoffnung, durch
frische Luft, etwas Faulheit und
gute Rost meine gordischen Ner-
venknoten zu durchhauen.

Als ich meine Reisezehrung
.im Bimmel - Bummelbähnchen
nach Loiblfing auspackte, da wa-
ren die Butterbrote in einem Bo-
gen der Zeitschrift „Das deutsche
Hausmütterchen" eingewickelt.

Einem Menschen, der drei
Monate lang nur mit wohnungs-
äniteru und einschlägigen Be-
hörden verkehrt, kann inan es
nicht übelnehmen, wenn er sich
einer langentbehrten geistigen An-
regung hingibt. Ich las also das
von den Butterbroten und auch
sonst angenehm schmalzig und
schmackhaft durchsetzte „Haus-
mütterchen"; die Romanfort-
setzung „Rosen, die der Frühling
weckt", Die zehn Gebote der
Mottenbekämpfung, Rezepte für
Reispudding und Gerstenkoteletts
und ein nach hinten zu tadellos
gereimtes Gedicht „Sehnsucht".

Ich hielt es erst für eine Re-
klame des Totengräberverbands,
wurde aber dann gewahr, daß
es Lyrik voll prima Trauerstim-
mung war.

Des weiteren cinverleibte
ich mir eine Anweisung, wie
gegen Nasenröte und vergrindete
Hände vorzugehen sei und wie
man aus alten zerrissenen Schuh-
sohlen ein hübsches Tcebrctt Her-
stellen könne. — Zwei Stationen vor Loiblsiug aber kam mir das
Bilderrätsel zu Gesicht. — Das Bilderrätsel. Das Verhängnis, das
Schicksal, in das der Mensch blind hineinstolpert. Unter dem „Rebus"
— so hieß die Kanaille mit Vornamen — stand: Das letzte Rätsel
haben richtig gelöst: Emil Schwupxke, Fritz Schulze, Frieda Mette-
kopp, Emilie Glühlich, Frau Stadtrat Käsekamp, Frl. Betriebs-
rätin Röschen Pullkow, Frau Supcruumerarrevisorobcrkontrolleur
Plattenberger, Herr Sekretär Dbermüller, . . und so standen noch
etliche fünfzig Ausgezeichnete mit Mohnort und Straße da, herrlich
prangend, der Mitwelt zum Vorbild, der Nachwelt zum Gedächtnis,

und sie waren verteilt übers ganze Land, von der Etsch bis au
den Belt.

Ich bin vom Ehrgeizteufel fürchterlich besessen und da war's
nun um mich geschehen. Ls gab kein Halten mehr, zudem beim
Rätsel, das vor mir lag, Preise ausgesetzt waren. Preise, mein
Lieberl Preise, die meine Erwerbsgier geradezu aufpeitschtcn!

Ein erster Preis: Echt hand-
gemaltes «Ölgemälde in breitem
Goldrahmen „Großväterchens
Liebling".

Drei zweite Preise: Bildnis
unseres beliebten und gefeierten
Filmsterus Ria Mia mit eigen-
händiger Unterschrift.

Zehn dritte Preise: Je
eine Schachtel st. Bodcnwichse
„Schmieröl".

Hundert Trostpreise: Je ein
Buch „Entdecke Deine Seele !"

Und dabei stand: „Die Na-
men der "glücklichen Gewinner so-
ivie der richtigen Löser werden wir
in der Pfingstnummer veröffent-
lichen und hoffen wir, daß unsere
verehrten Leser von Fortuna be-
günstigt sein werden. Die Abon-
nementsquittung ist beizulegen".

Mie ein ausgehungerter
Panther auf ein Lamm, so stürzte
ich mich auf den „Rebus".

Da waren zwei Männer,
die aus eineui an Fettsucht lei-
denden gotischen A marschierten,
ein Vogel, von dem als Spezial-
rätsel festzustellen war, ob es ein
Schwan, ein Papagei oder ein
Spanferkel sei und dessen Vorder-
teil von einer Säge erbarmungs-
los abgeschnitten wurde, ein an-
scheinend vor diesem Fabelwesen
scheu gewordenes Pferd mit einem
Lasso um den Hals, eine in die
Lektüre des Hausmütterchens
vertiefte Frauengestalt, der mau
leider wieder das beste Stück
abgesäbelt hatte und eine Schwur-
hand mit einem wuchtigen Aus-
rufezeichen dahinter.

Ich packte, wie der Hund einen widerspenstigen Knochen, den
Rebus von vorne, in der Mitte, von hinten, knackte hörbar mit
den Zähnen und vergrub den Kopf in die Hände. — Ich wälzte
das A mit den zwei Kerlen durch alle, durch die bizarrsten Zu-
sammenhänge, ich schnitt wechselweise an Schwan, Papagei und
Spanferkel herum und biß mich daun wieder in Pferd und Lasso
so fest, daß ich unwillkürlich den Kragen lockerte, so fühlte ich das
Lasso am eigenen Hals.

Dazwischeuhiueiu durchbohrte ich brennenden, irren Blicks, von
Lösungsdrang erfüllt, zähneknirschend die alte Dame mir gegcu-


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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Bildstock"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stockmann, Hermann
Entstehungsdatum
um 1921
Entstehungsdatum (normiert)
1916 - 1926
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 154.1921, Nr. 3956, S. 162
 
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