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über, so das; sie mit einem gellenden Schrei nach der Notleine
griff, Zum Glück hat dieses Instrument auf der Strecke nach
Loiblfing nur eine dekorative Wirkung, Zwei Stationen nach Loibl-
fing bemerkte ich, daß ich über dem Rebus übers Ziel hinausge-
fahren fei, Lluchtähnlich packte ich meine Siebensachen, klemmte
das „Hausmütterchen" unter den Arm und stammelte im Hinaus-
eilen unentwegt „A»ITtäriiter, Männer-A durch A-Männer, Männer
durch A, A inn lllänner, zwei lllänner aus A" und die Reisenden
tauschten lächelnd die kränkendsten Bemerkungen über meinen Geistes-
zustand aus. Aber ich achtete nicht darauf; denn ich murmelte
schon wieder „A bei Männern, Männer bei A..und reichte dem
Stationsgehilfen statt der Fahrkarte meinen Regenschirm, Ich mußte
die Lahrt für zwei Stationen nachzahlen und meinen Kram drei
Stunden weit nach Loiblfing schleppen, Aber die Zeit und der
Weg sollte mir nicht lang werden. Ich biß die erste Stunde über
an dem wildgewordenen pferi) herum und nahm alles an zoologi-
schen und geographischen Kenntnissen über pferd und Lasso zu Hilfe,
bis ich, mit dem Kopf an einem Telegraphenmast landend, die
Lunken der Erkenntnis vom begrenzten Raum nur so um die Augen
herum bekam, Dabei machte ich die erfreuliche Entdeckung, daß ich
meinen neuen Überzieher in der Eile des Aufbruchs im Zug hatte
hängen lassen.

In Loiblstng war mein erster Gang aufs postamt zu einem
Abonnement des „Hausmütterchens", Selig wie ein Liebender den
Brief der Braut, so barg ich die (Quittung an meinem Busen
und im Lluartier angelangt, vergrub ich mich allsogleich wieder
in den Rebus,

„Sorgen Sie, daß ich nicht gestört werde", sagte ich zu meinem
Wirt, dem Haurieder, „ich habe zu arbeiten!" lind dann arbeitete
ich, Röschen pullkow und Lrau Stadtrat Käsekamp, ihr sollt
mich nicht beschämen, ihr sollt sehen, daß ihr den Weg zum
parnaß nicht allein geht, herrlich wie ihr will ich prangen an
der Stelle, wo es heißt: Richtige Lösungen haben eingesandt: Herr
I, K, München, den ersten preis, das handgemalte Vlgemälde
„Großväterchens Liebling" erwarb sich Herr I. K. München, Immer
feste druff! Durch Kampf zum Sieg! A Männer, Herren A, A mit
Herren, Herren A, durch A Herren,..

Die Hauriederin fragt, ob ich zum Lrühstück Milch will oder
Kaffee. — „Milch bitte, liebe Haurieder, Milch mit etwas Lasso und
Scheupferd, pferdscheu,.

Die Hauriederin ging auf den Zehen aus dem Zimmer.
„Marandjoscph!" murmelte sie nur ergriffen. - —

Pfarrer und Lehrer kamen die Straße herum. Ich ging ihnen
rebuswälzend entgegen. „Die beiden Herren A, die beiden Herren A"

dachte ich impulsiv und als sie sich nach meinem Befinden erkun-
digten, fragte ich voll tiefer Teilnahme: „llnd wo haben Sie das A
gelassen, meine Herrn?"

Auf deni Hof sah ich brennenden Auges jeder Art Geflügel
nach und ich sah Hühner, Enten, Gänse, Tauben nur mehr mit
einem Strich durch den Hals und auch die Zenzi, die Stallmagd,
die da mit nicht zu knapp geratener Rundlichkeit am Brunnen
werkte, mußte einen Teil ihrer schöneren Hälfte meiner Phantasie
zum Gpfer bringen; ich hieb ihn ihr, rebusentsprechend, in Ge-
danken, so oft ich sie erblickte, weg. Wo ich ging und stand, rollte
sich kilonreterlang wie ein Lilmband der Rebus ab.

Das Schrecklichste aber waren die Nächte. Da warfen die
zwei Männer mir das Lasso um den Hals, ich galoppierte auf
allen vieren durch ein höhnisch grinsendes A und ein Schwan mit
Spanferkelschwänzchen und papageienkoxf hackte unentwegt an der
Zenzi herum und die Schwurhand legte ihre drei Finger auf meine
Zunge und eine Stimme wie die des Doktor Bemsler sagte immer:
„Sprechen Sie A, sprechen Sie A" wie damals, als ich Halsentzün-
dung hatte. Erwachte ich morgens aus diesen Träumen, dann
war ich an Leib und Seele gerädert und schleppte mich wie unter
hypnotischem Zwang wieder zum Rebus hin,,.

So ging das vierzehn Tage lang. Ich war um sechzig pfund
leichter geworden und die Leute gingen nur mit der Scheu, die
der Gesunde vor dem Irren hat, aus dem Weg. — Überall sah
ich zwei Männer durch ein A gehen, ich durchwachte die Nächte
bei einer Sherlok Holmes nachempfundenen Shagpfeife und litt
an Nikotinvergiftungen um die Lösung, ich löste im Gehen, Stehen,
Liegen, in der Kniebeuge, im Handstand, ich kletterte auf Bäume
und stellte mich auf den Kopf,. ,

Es half alles nichts. Da setzte ich mich zuletzt — ein ver-
zweifelnder -hin und schrieb an das „Hausmütterchen" aufs Gerade- ,
wohl: „Die Lösung heißt: Aller Anfang ist schwer".

Alle Bilderrätsel in allen Zeitschriften für das deutsche Haus-
mütterchen lösen sich so auf. Es wird schon stimmen.

Dann brach ich zusammen. Die Zenzi kehrte mich, ein Häuf-
lein Elend, auf eine Schaufel und man lud mich auf einen Wagen,
Der Hanrieder fuhr mich dann in das Sanatorium für gemüts-
leidende Bilderrätsellöser.

Dort erreichte mich die Nachricht vom „Hausmütterchen" mit
einem Glückwunsch zur Lösung, Es hatte gerade noch zum hun-
dertsten Trostpreis „Entdecke Deine Seele" gereicht,

Hurra, Frau Stadtrat Käsekamp I
Jetzt haben Sie nichts mehr voraus.

Jetzt will ich aber schleunigst meine Seele entdecken!

e . K .

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21 •
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ohne Titel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Kirchner, Eugen
Entstehungsdatum
um 1921
Entstehungsdatum (normiert)
1916 - 1926
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Wiese <Motiv>
Baum <Motiv>
Liegender
Vögel <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 154.1921, Nr. 3956, S. 163
 
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