Seife knirscht der Kies hinter mir, denn ich denke eben drüber
nach, ob man über die Liebe denken soll. Stendhal etwa . . .
Da legen sich zwei kühle weiße Arme um nüch und das Buch
gleitet unter Blüten und Blumen.
*
Diesmal Hab' ich's mir aber fest vorgenommen, einmal ein
tüchtiges Stück zu wandern und dann das Buch zu lesen.
Ls war etwas über die Gesetze der Well.
llcart muß doch ein wenig drüber wissen, sonst bleibt man
immer so dumm. ITTit dem ewigen Sinnieren und Träumen. Und
die ständigen Prophezeiungen, daß ich nie auf einen grünen Zweig
kommen werde... Da ist schon ein Plätzchen.
Ich leg' mich mitten ins Gras, unter Dotterblumen und stern-
blütige Anemonen, lese interessiert das Vorwort und fange an.
Die Gesetze der Welt:
tz Das Gesetz der Entität.
2. Das Gesetz der Integration usw.
Da kommt er den Blattrand herauf, über das Mort „Welt"
hinweg, mitten in ihre Gesetze hinein. Lin Käfer mit schwarz-
glänzendem engen Röcklein, trippelnden Beinen und klugen Fühlern.
Die Integration interessiert ihn nicht im geringsten. Lr geht über
alles hinweg mit verzichtender Geste: Blödsinn so was. Geradlinig
zwar, aber sehr langweilig. Schwarz-weiß. Am andern Blattrand
hält er und besinnt sich nochmal. Aber es scheint ihm doch zu
dumm. Wie dem Käfer wohl das Buch vorgekommen ist?
Jetzt schimmert er in der Sonne, klimmt über den weißen
Blülenrand einer Anemone und läßt sich schaukeln vom leisen Wind.
Die lsummeln fliegen, hoch ziehen weiße Welten und ich wandre
mit dem Käfer in seine Welt.
Jetzt sind die Dotterblumen große goldne Sonnen, die Gräser
schlanke Türme, von grünem Licht durchschimmert, ab und zu be-
gegnet mir ein Bekannter, eine liebenswürdige Blattlaus lädt mich
freundlich ein, eine emsige Ameise beachtet mich kaum, einer riesigen
Grille geh' ich weit aus dem Weg, Berge stehen da, die ich mühsam
ersteige — — —
Und so immer weiter: eine neue Welt mit neuen Wesen, ein
neues Sein mit neuem Sinn. Ich wandre und wandre.
Der Abendwind spielt um mich und vor mir liegt das Buch:
Die Gesetze der Welt.
Ich klappe es zu und schreite nach dem tseidehaus.
wik.ir «roll.
Der Bibliophile.
Splitter.
Mißver ft n » dnis.
„Ah, grüß Gott, Meier! Gut, daß ich
Dich trefs': gestern abend war ich bei Dir
und Hab' mir, weil Du nicht daheim warst,
die Ilias und die Ofttzssee von Deiner Haus-
frau geb'n lass'n. Aber was hast Du denn?
Dil bist so aufgeregt?" — „Ach, Mensch,
denk' Dir nur, heilt' früh ist infolge Kamin-
brandes mein ganzes Ziiiiiiier ansgebrannt!
Und die zwei Reelnm-Bändchen hast Du
gestern g'holt? Na, so ein Glück, sonst war'
meine Bibliothek auch mitverbrannt!"
Jnliner sich zu schaffen Klarheit,
Hat des Menschen Hirn nicht Raum,
Denn im Traume ist nicht Wahrheit,
Und die Wahrheit ist ein Traum.
Zwischen Dichtern und Schriftstellern der
Unterschied?
Um es kurz zu erörtern:
Es ist derselbe — wenn man's recht besieht —
Wie zwischen Worten und Wörtern.
Älb. l?ot>erid).
„Lauf' mal schnell zum Schlächter, Lotte,
und sieh nach, ob er Kalbsfüße hat." —
„Wenn er nun aber Stiefel anhat, Mutti?"
?l u s der Kinde r st n b e.
Tante: „Was wollt Ihr denn schon
wieder mit der gefüllten Gießkanne?" —
Karlchen: „dich, Tante — wir spielen
doch Kommunisten und wollen damit eine
Versammlung sprengen."
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nach, ob man über die Liebe denken soll. Stendhal etwa . . .
Da legen sich zwei kühle weiße Arme um nüch und das Buch
gleitet unter Blüten und Blumen.
*
Diesmal Hab' ich's mir aber fest vorgenommen, einmal ein
tüchtiges Stück zu wandern und dann das Buch zu lesen.
Ls war etwas über die Gesetze der Well.
llcart muß doch ein wenig drüber wissen, sonst bleibt man
immer so dumm. ITTit dem ewigen Sinnieren und Träumen. Und
die ständigen Prophezeiungen, daß ich nie auf einen grünen Zweig
kommen werde... Da ist schon ein Plätzchen.
Ich leg' mich mitten ins Gras, unter Dotterblumen und stern-
blütige Anemonen, lese interessiert das Vorwort und fange an.
Die Gesetze der Welt:
tz Das Gesetz der Entität.
2. Das Gesetz der Integration usw.
Da kommt er den Blattrand herauf, über das Mort „Welt"
hinweg, mitten in ihre Gesetze hinein. Lin Käfer mit schwarz-
glänzendem engen Röcklein, trippelnden Beinen und klugen Fühlern.
Die Integration interessiert ihn nicht im geringsten. Lr geht über
alles hinweg mit verzichtender Geste: Blödsinn so was. Geradlinig
zwar, aber sehr langweilig. Schwarz-weiß. Am andern Blattrand
hält er und besinnt sich nochmal. Aber es scheint ihm doch zu
dumm. Wie dem Käfer wohl das Buch vorgekommen ist?
Jetzt schimmert er in der Sonne, klimmt über den weißen
Blülenrand einer Anemone und läßt sich schaukeln vom leisen Wind.
Die lsummeln fliegen, hoch ziehen weiße Welten und ich wandre
mit dem Käfer in seine Welt.
Jetzt sind die Dotterblumen große goldne Sonnen, die Gräser
schlanke Türme, von grünem Licht durchschimmert, ab und zu be-
gegnet mir ein Bekannter, eine liebenswürdige Blattlaus lädt mich
freundlich ein, eine emsige Ameise beachtet mich kaum, einer riesigen
Grille geh' ich weit aus dem Weg, Berge stehen da, die ich mühsam
ersteige — — —
Und so immer weiter: eine neue Welt mit neuen Wesen, ein
neues Sein mit neuem Sinn. Ich wandre und wandre.
Der Abendwind spielt um mich und vor mir liegt das Buch:
Die Gesetze der Welt.
Ich klappe es zu und schreite nach dem tseidehaus.
wik.ir «roll.
Der Bibliophile.
Splitter.
Mißver ft n » dnis.
„Ah, grüß Gott, Meier! Gut, daß ich
Dich trefs': gestern abend war ich bei Dir
und Hab' mir, weil Du nicht daheim warst,
die Ilias und die Ofttzssee von Deiner Haus-
frau geb'n lass'n. Aber was hast Du denn?
Dil bist so aufgeregt?" — „Ach, Mensch,
denk' Dir nur, heilt' früh ist infolge Kamin-
brandes mein ganzes Ziiiiiiier ansgebrannt!
Und die zwei Reelnm-Bändchen hast Du
gestern g'holt? Na, so ein Glück, sonst war'
meine Bibliothek auch mitverbrannt!"
Jnliner sich zu schaffen Klarheit,
Hat des Menschen Hirn nicht Raum,
Denn im Traume ist nicht Wahrheit,
Und die Wahrheit ist ein Traum.
Zwischen Dichtern und Schriftstellern der
Unterschied?
Um es kurz zu erörtern:
Es ist derselbe — wenn man's recht besieht —
Wie zwischen Worten und Wörtern.
Älb. l?ot>erid).
„Lauf' mal schnell zum Schlächter, Lotte,
und sieh nach, ob er Kalbsfüße hat." —
„Wenn er nun aber Stiefel anhat, Mutti?"
?l u s der Kinde r st n b e.
Tante: „Was wollt Ihr denn schon
wieder mit der gefüllten Gießkanne?" —
Karlchen: „dich, Tante — wir spielen
doch Kommunisten und wollen damit eine
Versammlung sprengen."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Alles wie bei uns"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1921
Entstehungsdatum (normiert)
1916 - 1926
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 154.1921, Nr. 3960, S. 195
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg