Beim SchoP f gefaßt
„Was hast Du denn dem Knötchen auf seinen Heiratsantrag
geantwortet?" — „Eigentlich wollte ich sagen: „Ja, was fällt Ihnen
Ada
Ulara Booni war trotz ihres bedeutenden Vermögens ani
Manne vorbeigegangen; denn es stimmte nicht in ihrem Uopfe.
Nun hatte sie jene Jahre erreicht, in denen sie sich vereinsamt zu
fühlen begann und die Empfindungen einer alternden Mädchenscele
aus ihrem Flügel in Tönen der Sehnsucht aushauchte, von diescnr
Flügel sprach sie nie anders als von ihrem „Steinway". Und das
führte sie in der Folge auf die Idee, jedem Stück ihres Hausrats und
ihrer Garderobe, ja jedem Raum ihrer Wohnung Namen zu geben,
Ihre Haushälterin, mit ihr aufgewachsen und an ihre Schrullen
gewöhnt, hatte Mühe, alle Benennungen im Uopfe zu behalten,
wollte Ulara Boom, daß ihre Uathi mit der Bürste das
Vorhaus reinige, sagte sie: „Reiben Sie den Martin mit der wil-
helmine ab I" Mder sollte die Haushälterin das in der Schnitt-
lauchkiste mitwuchernde Gras jäten, kam ihr der Befehl zu: „Reißen
Sie dem Bonifaz das Unkraut ausl" wenn sie in einem der
zweiunddreißig Uiffen auf der „Mathilde", ihrem Sofa, einen Riß
fand, hieß es ganz einfach: „Nähen Sie den Max zul"
Diese Ausdrucksweise kürzte ihre Befehle außerordentlich und
ersparte ihr langwierige Erklärungen. Durch die Namengebung
wurde aber der vereinsamten, die auch Mangel an Freundinnen
litt, ihre Wohnung heimischer und gemütlicher. Sie glaubte sich
von lebenden Wesen umgeben, wie traulich war es doch, wenn
sie auf den, belcderten Uonrad saß beim weißgedeckten Dagobert
und ihren Uaffce aus der rundlichen Liesl schlürfte, während der
goldgerahnite Sebastian ihr Spiegelbild freundlich zurückwarf.
Setzte sie dann die Liesl auf den Dagobert zurück, klang das leise
Ulappern wie: „Ich will nochmals gefüllt werden!" Und der
Sebastian sagte: „Ich Glücklicher trage dein Bild in mir I" Der
Uonrad aber knarrte unter ihr: „(D welch süße Last I" So wenigstens
schien es Ulara Booni, Und sie war überzeugt, daß die Dinge
alle stumm geblieben wären, wenn sie keine Namen besessen hätten.
So spannen sich gleichsam zarte Fäden zwischen ihr und ihrem
Hausrat und ließen sie das Linsamfein einigermaßen vergessen.
Die Zahl ihrer Möbel war Legion und deren Namen hätten ein
Buch gefüllt — vom Bernhard, dem eichenen Prunkkasten, bis
zum Adalbert, dem Abfallkübel in der Uüche, Dieser war gewiß
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denn ein, Herr Knötchen. . ?" Aber bei dem „Ja" hing er schon
an meinem Halse und da hat er sich nicht mehr abschütteln lassen!"
l b e r t.
das am wenigsten schöne Stück ini Hause und Ulara Boom behielt
es nur aus Pietät, da es schou der Großmutter ihrer Großmutter
gehört hatte. Der blecherne Uübel war rostzerfressen. An einer
Seite eingedrückt, dafür an der anderen ausgebaucht, windschief
mit gebrochenem Henkel, dessen zwei Teile gleich hilflosen Armen
herabbaumelten. Ein Urüppcl, dessen Uoxf zwischen den Schultern
versunken und dessen Leib von Urämxfen verzerrt war. Line
Uarikaiur von einem Gefäß. Dazu noch mit einer unangenehmen
Eigenschaft behaftet, an der aber Uathi die Schuld trug: sie ließ
nämlich den Abfall so lange drinnen, bis er einen ganz spezifischen
Duft der Übersättigung aushauchte. Die schlecht riechende, das heißt
geruchlose Uathi nierkte dies allerdings nicht und mußte von ihrer
Herrin immer erst aufgefordert werden, das Gefäß zu entleeren.
— Das also war der Adalbert. — — —
Eines schönen Mittags nun — die kunstvoll geschnitzte Uaro-
line schlug eben halb Zwölf — trat ein Herr über die Schwelle
von Ulara Booms Heim, der sich Inspektor Unaller nannte und
Versicherungsagent war. Auch er war bisher an der anderen
Hälfte vorbeigegangcn und in die Jahre gekommen, da nian sich
vereinsamt zu fühlen beginnt. Er rechnete nicht nur für seine
Firma, sondern auch für sich selbst; letzteres in Ulara Booms Nähe
in Uenntnis ihrer Vermögensverhältniffe mit besonderen, Eifer.
Er war daher mit der noch im tiefsten Busen verborgenen Parole
gekommen: „Jetzt oder nie!" — Er erzählte der Aufhorchenden, daß
er schon vom Sehen das Vergnügen hatte, wodurch in ihm das
Begehren nach persönlicher Bekanntschaft nur noch gesteigert wurde.
Ulara Booms Herz zuckte und ihre Wangen schminkten sich,
war Herr Unaller auch gerade kein Adonis, so war er doch
ein Mann, vielleicht der letzte, der ihren weg kreuzte. — — —
Und er kam öfters. Ulara Booms Art, die sich wie groß-
mütige Duldung gab, wertete er richtig als Aufmunterung. Auch in
ihrer Brust flüsterte eine innere Stinime: „Jetzt oder nie mehr I" —
Und eines Tages war ihm der Mund übergeflosscn und hatte
das Jawort von ihren zuckenden Lippen getrunken. Bein, Abschied
fragte sie ihn errötend: „Und wie darf ich Dich nennen, Geliebter?"
„Adalbert!" sagte er glücklich und ging.-
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„Was hast Du denn dem Knötchen auf seinen Heiratsantrag
geantwortet?" — „Eigentlich wollte ich sagen: „Ja, was fällt Ihnen
Ada
Ulara Booni war trotz ihres bedeutenden Vermögens ani
Manne vorbeigegangen; denn es stimmte nicht in ihrem Uopfe.
Nun hatte sie jene Jahre erreicht, in denen sie sich vereinsamt zu
fühlen begann und die Empfindungen einer alternden Mädchenscele
aus ihrem Flügel in Tönen der Sehnsucht aushauchte, von diescnr
Flügel sprach sie nie anders als von ihrem „Steinway". Und das
führte sie in der Folge auf die Idee, jedem Stück ihres Hausrats und
ihrer Garderobe, ja jedem Raum ihrer Wohnung Namen zu geben,
Ihre Haushälterin, mit ihr aufgewachsen und an ihre Schrullen
gewöhnt, hatte Mühe, alle Benennungen im Uopfe zu behalten,
wollte Ulara Boom, daß ihre Uathi mit der Bürste das
Vorhaus reinige, sagte sie: „Reiben Sie den Martin mit der wil-
helmine ab I" Mder sollte die Haushälterin das in der Schnitt-
lauchkiste mitwuchernde Gras jäten, kam ihr der Befehl zu: „Reißen
Sie dem Bonifaz das Unkraut ausl" wenn sie in einem der
zweiunddreißig Uiffen auf der „Mathilde", ihrem Sofa, einen Riß
fand, hieß es ganz einfach: „Nähen Sie den Max zul"
Diese Ausdrucksweise kürzte ihre Befehle außerordentlich und
ersparte ihr langwierige Erklärungen. Durch die Namengebung
wurde aber der vereinsamten, die auch Mangel an Freundinnen
litt, ihre Wohnung heimischer und gemütlicher. Sie glaubte sich
von lebenden Wesen umgeben, wie traulich war es doch, wenn
sie auf den, belcderten Uonrad saß beim weißgedeckten Dagobert
und ihren Uaffce aus der rundlichen Liesl schlürfte, während der
goldgerahnite Sebastian ihr Spiegelbild freundlich zurückwarf.
Setzte sie dann die Liesl auf den Dagobert zurück, klang das leise
Ulappern wie: „Ich will nochmals gefüllt werden!" Und der
Sebastian sagte: „Ich Glücklicher trage dein Bild in mir I" Der
Uonrad aber knarrte unter ihr: „(D welch süße Last I" So wenigstens
schien es Ulara Booni, Und sie war überzeugt, daß die Dinge
alle stumm geblieben wären, wenn sie keine Namen besessen hätten.
So spannen sich gleichsam zarte Fäden zwischen ihr und ihrem
Hausrat und ließen sie das Linsamfein einigermaßen vergessen.
Die Zahl ihrer Möbel war Legion und deren Namen hätten ein
Buch gefüllt — vom Bernhard, dem eichenen Prunkkasten, bis
zum Adalbert, dem Abfallkübel in der Uüche, Dieser war gewiß
f(''
/ , ) k
denn ein, Herr Knötchen. . ?" Aber bei dem „Ja" hing er schon
an meinem Halse und da hat er sich nicht mehr abschütteln lassen!"
l b e r t.
das am wenigsten schöne Stück ini Hause und Ulara Boom behielt
es nur aus Pietät, da es schou der Großmutter ihrer Großmutter
gehört hatte. Der blecherne Uübel war rostzerfressen. An einer
Seite eingedrückt, dafür an der anderen ausgebaucht, windschief
mit gebrochenem Henkel, dessen zwei Teile gleich hilflosen Armen
herabbaumelten. Ein Urüppcl, dessen Uoxf zwischen den Schultern
versunken und dessen Leib von Urämxfen verzerrt war. Line
Uarikaiur von einem Gefäß. Dazu noch mit einer unangenehmen
Eigenschaft behaftet, an der aber Uathi die Schuld trug: sie ließ
nämlich den Abfall so lange drinnen, bis er einen ganz spezifischen
Duft der Übersättigung aushauchte. Die schlecht riechende, das heißt
geruchlose Uathi nierkte dies allerdings nicht und mußte von ihrer
Herrin immer erst aufgefordert werden, das Gefäß zu entleeren.
— Das also war der Adalbert. — — —
Eines schönen Mittags nun — die kunstvoll geschnitzte Uaro-
line schlug eben halb Zwölf — trat ein Herr über die Schwelle
von Ulara Booms Heim, der sich Inspektor Unaller nannte und
Versicherungsagent war. Auch er war bisher an der anderen
Hälfte vorbeigegangcn und in die Jahre gekommen, da nian sich
vereinsamt zu fühlen beginnt. Er rechnete nicht nur für seine
Firma, sondern auch für sich selbst; letzteres in Ulara Booms Nähe
in Uenntnis ihrer Vermögensverhältniffe mit besonderen, Eifer.
Er war daher mit der noch im tiefsten Busen verborgenen Parole
gekommen: „Jetzt oder nie!" — Er erzählte der Aufhorchenden, daß
er schon vom Sehen das Vergnügen hatte, wodurch in ihm das
Begehren nach persönlicher Bekanntschaft nur noch gesteigert wurde.
Ulara Booms Herz zuckte und ihre Wangen schminkten sich,
war Herr Unaller auch gerade kein Adonis, so war er doch
ein Mann, vielleicht der letzte, der ihren weg kreuzte. — — —
Und er kam öfters. Ulara Booms Art, die sich wie groß-
mütige Duldung gab, wertete er richtig als Aufmunterung. Auch in
ihrer Brust flüsterte eine innere Stinime: „Jetzt oder nie mehr I" —
Und eines Tages war ihm der Mund übergeflosscn und hatte
das Jawort von ihren zuckenden Lippen getrunken. Bein, Abschied
fragte sie ihn errötend: „Und wie darf ich Dich nennen, Geliebter?"
„Adalbert!" sagte er glücklich und ging.-
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Beim Schopf gefaßt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1921
Entstehungsdatum (normiert)
1916 - 1926
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 155.1921, Nr. 3966, S. 34
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg