hin, daß der Prinz erschrocken zurück-
wich und mit Gefolge und wagen
von dannen jagte.
Ungestüm aber trat sein Bruder
vor und rief: „Mein ist die Krone!
Frau Minne regiere mein Land.
Es lebe die Lust!" Kaum hatte er
also gesprochen, als ein donnern-
des Grollen aus der Gruft hervor-
brach, und das steinerne Bild erhob
drohend den Arm, so daß der Prinz
voll Entsetzen eilends das weite
suchte.
Ergriffen stand das Volk in be-
klommenem Schweigen. Da erschien
unter dem Tor mit seinen beiden
Begleitern der dritte Prinz. Die
goldene wage trug er in erhobener
bsand. Leid und Schmerz, Bosheit
und Undank der Menschen lagen
gehäuft in der einen Schale, in der
anderen leuchtete es hell wie von
Sonnengold und Sternenschimmer,
Blumenschmelz und dem Licht rein-
sten Edelgesteins; das Zünglein der
wage aber schwebte im Gleichge-
wicht. So trat der Prinz vor das
Bild seines Vaters, neigte sein ksaupt
und sprach: „Vater, dessen Segen
mich begleitet hat auf allen meinen
lvegen! Schätze bring' ich nicht;
noch fand ich das Leben angetan
zu irrer Lust. Aber des Herzens
Glück und Frieden Hab' ich gefun-
den. Sie lass' mich meinem Volke
lehren!"
Da schien das ernste Marmor-
bild zu lächeln und segnend die
Hand zu bewegen. Der freund des
Prinzen aber hob die Krone vom
Thron. Dann nahm er aus der
Schale der Wage Blume um Blume,
die Tränen segnenden Dankes, die
Kleinode der Liebe und Treue, des
starken Sonnenglaubens und des
tröstenden Sternenschimmers, und
fügte sie in den goldenen Reif.
Den setzte er dem Königssohn aufs
Haupt und bekleidete ihn mit dem
purpurnen Herrschergewand. Die
edle Frau aber reichte ihrem Ge-
mahl das funkelnde Szepter.
Die Glocken begannen zu läuten
und aus der Kirche schallte die Brgel.
Der freund und die Frau faßten
des jungen Königs Hände, und in
ihrer Mitte schritt er, vom Jubel
des Volks umbraust, zur Krönung.
Im goldenen Reis aus seiner Stirn
aber leuchteten die Kleinode mit
starkem, glückverheißendem Licht,
wie niemals die herrlichsten Edel-
steine in des reichsten Königs Krone
geleuchtet haben.
Hermann Franz.
Erlebnis des Chauffeurs.
„Gestern ist in meinem Wagen 'n falscher Zvpf liegen geblieben.
Na, die Dame Ivird sich nich' schlecht geärgert haben." — „Das ist
gar nichts. Bei mir ist mal 'n ganzes Dutzend falsche Zöpfe liegen
geblieben." — „Red' doch keinen Blödsinn." — „Wieso denn? Ich
hatte 'neu Friseur gefahren."
W a h r h e i t.
„Ob die Frauen nun Christinnen, oder Jüdinnen sind, sic
kosten uns ein Heidengeld."
Glaubhaft.
Das Dienstmädchen des Herrn Oberstudienrats Meier kommt
kurz vor acht Uhr zum Rektor mit der Meldung: „Einen schönen
Gruß vom Herrn Oberstndienrat, und er kann heute nicht zum
Unterricht kommen, >veil ihn der Schlag getroffen hat."
Hinausgegeben.
„Was fällt Ihnen ein, mich so zu fixieren?!" — „Gar nichts.
Denn wenn ich Sie anschau' . . . füllt mir überhaupt nichts ein."
RachkA»daukkII.
Ulie eiclenttüclite verschleierte 7rau'n
Sind die liefen Stunden der Nacht zu schau'n.
Sie schlürfen vorüber auf schattigen Sohlen,
Dich »reift ihr seufzender Atemholen,
Du hörst sie raunen vom letzten Erlebnis:
Des jüngst verstorbenen tags Begräbnis;
Die erste redet: „€r ging wie einer,
Der trog und täuschle als falscher »«meiner,
Mit der Schmeichelzunge des glückversprechers,
Mit der frechen Stirne des eidebrechers.
»erachte ihn!"
Die zweite barg
Ihr Haupt im Schleier. „Seinem Sarg
gönn' aus dem treuschatz deines Innern
Des Mitleids perle, das erinnern."
Die dritte, jüngste, aber regt'
Den Leib melodisch wie zum tanze,
Und Hai ein Veilchen vom Ireudenlrranze
Des toten tags dir auf's Bissen gelegt. —
Rtinbold Catroix.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die goldene Wage"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1921
Entstehungsdatum (normiert)
1916 - 1926
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 155.1921, Nr. 3970, S. 72
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg