iM.
Letzte Werbung.
„Ema, lieben Sie mich? Oder ich schneid' das Seil ab!"
Das Stückchen Torf.
Nus dem Pflaster einer Großstadt-
straße lag ein Stück Torf. Vor zwei
Minuten war es von dem Wagen eines
Torfbauern hcruntergefallen.
Ein Gymnasiast ging vorüber, sah
cs liegen; schon wollte er sich nach ihm
bücken, da fiel ihm ein, daß da drüben
ja Müllers Lieschen wohne. Wenn die
zufällig gesehen hätte, daß er — noch
dazu in Couleur! — dies armselige
Brückcrl aufgehoben hätte!
Dann kam der Stadtsekretär Mar-
tins. Mit einem gekrümmten Rücken,
wie ihn vierzigjährige Dienstzeit schafft.
Auch Herr Martins sah den Brocken
liegen, es kribbelte ihn in den Fingern,
schon war er zwei Schritte vom Bür-
gersteig heruntcrgcgangcn, da kam sein
Untergebener, der Assistent Kugler, des
Wegs. Und zugleich schwebte eine mar-
tialische Gestalt, die „Autorität" über
das Pflaster, sah den Sekretär vor-
wurfsvoll an und verschwand.
Der Torf blieb liegen.
Jetzt wurde er von einer Frau
entdeckt. Die Woge der Zeit hatte auch
sic erfaßt, auch sie war nach oben ge-
wirbelt worden. Materiell ging es ihr
trotzdem nicht gut, aber wenigstens ihre
Stimme wurde jetzt gehört und sic
war cs darum ihrem sozialen Stand-
punkte schuldig, einen Brocken Torf
liegen zu lassen und ihn nicht etwa in
das armselige Vorstadthinterhaus niit-
znnehmen. . .
So war dieser braune Zeuge einer
nntcrgegangenen Pflanzenpcriodc an-
scheinend verdammt, von den Rädern der
Autos und Wagen zermürbt zu werden.
Wenn nicht zufällig Franz Kästner,
der berühmte Professor der Philosophie
an der Universität gekommen wäre.
Der ehrwürdige alte Herr nahm den
Brocken erfreut auf und barg ihn be-
hutsam in der Tasche seines zerschlisse-
nen Mantels. T. Jfrnnlu.
Das ttosenblatt.
vor uns schritt ein allerliebstes siMchen,
Und ich sah als vichter mich kaum satt:
„Sieh doch 'mal! Um meihbestrumpften
Mädchen
hielt sich fest ein zartes Rofenbfalt!“
„freilich wirkt der stnblick nicht vertreibend,"
Sprach mein freund, „jedoch Sein Slick ist
stumpf.
Sder sagt man dichterisch umschreibend
„stosenblatt" für „!och im Seidenstrnmpf" ?"
Sernhard Schäfer.
89
Letzte Werbung.
„Ema, lieben Sie mich? Oder ich schneid' das Seil ab!"
Das Stückchen Torf.
Nus dem Pflaster einer Großstadt-
straße lag ein Stück Torf. Vor zwei
Minuten war es von dem Wagen eines
Torfbauern hcruntergefallen.
Ein Gymnasiast ging vorüber, sah
cs liegen; schon wollte er sich nach ihm
bücken, da fiel ihm ein, daß da drüben
ja Müllers Lieschen wohne. Wenn die
zufällig gesehen hätte, daß er — noch
dazu in Couleur! — dies armselige
Brückcrl aufgehoben hätte!
Dann kam der Stadtsekretär Mar-
tins. Mit einem gekrümmten Rücken,
wie ihn vierzigjährige Dienstzeit schafft.
Auch Herr Martins sah den Brocken
liegen, es kribbelte ihn in den Fingern,
schon war er zwei Schritte vom Bür-
gersteig heruntcrgcgangcn, da kam sein
Untergebener, der Assistent Kugler, des
Wegs. Und zugleich schwebte eine mar-
tialische Gestalt, die „Autorität" über
das Pflaster, sah den Sekretär vor-
wurfsvoll an und verschwand.
Der Torf blieb liegen.
Jetzt wurde er von einer Frau
entdeckt. Die Woge der Zeit hatte auch
sic erfaßt, auch sie war nach oben ge-
wirbelt worden. Materiell ging es ihr
trotzdem nicht gut, aber wenigstens ihre
Stimme wurde jetzt gehört und sic
war cs darum ihrem sozialen Stand-
punkte schuldig, einen Brocken Torf
liegen zu lassen und ihn nicht etwa in
das armselige Vorstadthinterhaus niit-
znnehmen. . .
So war dieser braune Zeuge einer
nntcrgegangenen Pflanzenpcriodc an-
scheinend verdammt, von den Rädern der
Autos und Wagen zermürbt zu werden.
Wenn nicht zufällig Franz Kästner,
der berühmte Professor der Philosophie
an der Universität gekommen wäre.
Der ehrwürdige alte Herr nahm den
Brocken erfreut auf und barg ihn be-
hutsam in der Tasche seines zerschlisse-
nen Mantels. T. Jfrnnlu.
Das ttosenblatt.
vor uns schritt ein allerliebstes siMchen,
Und ich sah als vichter mich kaum satt:
„Sieh doch 'mal! Um meihbestrumpften
Mädchen
hielt sich fest ein zartes Rofenbfalt!“
„freilich wirkt der stnblick nicht vertreibend,"
Sprach mein freund, „jedoch Sein Slick ist
stumpf.
Sder sagt man dichterisch umschreibend
„stosenblatt" für „!och im Seidenstrnmpf" ?"
Sernhard Schäfer.
89
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Letzte Werbung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1921 - 1921
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 155.1921, Nr. 3972, S. 89
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg