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Rleine Bilder zur Relativitätstheorie.

von Mskor ro11.

I.

!vie das Glück zur Frau Bampflingcr kam.

Die Frau Bampflingcr, das ist so eine: Lin bißchen dick,
aber noch lange nicht so wie die Eiche im Spessart, von der die
Sage geht, sie sei von fünf Männern nicht zu umspannen. Bei

Die kleinen Fischer.

(In vier Bildern.)

1.

der Frau Bamxflinger ge-
nügen nämlich drei. —

Ich Hab' sie im Warte-
raum irgend eines Pro-
vinzbahnhofes kennen ge-
lernt , d. h. ich bin ihr
nicht vorgestellt worden,
aber einige Zeit hinter
ihr gesessen, wie sie ihrer
Freundin, der Pfarrers-
köchin Aathi von kfinter-
elend, die sie schon seit einer
halben Stunde kannte, Ge-
heimnisse anvertraute, so das; der bscrr im andern
Eck des Warteraums wiederholt verweisend
über sein spannendes Ullsteinbuch schaute.

Das erste, was ich hörte, war ein curri-
culum vitae nebst einem Anhang über Eharakter
und Vermögensverhältnisse ihrer sämtlichen
näheren und entfernteren verwandten, eine
Lamentation über zunehmende Fleischpreise und
abnehmende Frömmigkeit, eine Beschreibung
ihrer heiratsfähigen Nichte, eine kfymne auf
den Sohn ihrer Freundin, der auswendig auf
der Zither spiele und inwendig „ein soviel
gutes kferz" habe.

Und dann der Kernpunkt ihrer Aus-
führungen, die von der Köchin Aathi abwechselnd mit „awa na,
was S' nöt sag'n" und „gel'n S', gel'n 5'" oder „so was, so was"
begleitet wurden: Sie habe in ihrem ganzen Leben kein Glück gehabt.

„Seh'n Sie", sagte sie, „als jung's Ulädl schon Hab' ich die
Bleichsucht g'habt. Und wie i' g'heirat' Hab', denk'n S' Ihnen nur,
da hat sich mein Mann 's Schnupfen ang'wöhnt! Und von da an
ist 's Elend nimma aus'ganga. Dann ist meiner Schwester ihra
Schwager g'storb'n, im vorigen Jahr hab'n f uns unser schönste
Leghenna g'stohl'n — — und heut wieder die Zugverspätung . . .
Nix als Unglück. I' wollt' nix sag'n, wenn i' nur einmal a Glück
g'habt hätt'. Nur ein einzig's Mal ..." — Und dann ist sie sehr
gerührt, die Freundin Aathi preßt hinter ihrem Aneifer ein paar
mitleidige Tränen hervor und schweigt wie eine rechte Trösterin.

„...Ja, ja, wen 's Unglück amol hat, den laßt's nimma
aus . . . Die ganze Welt ist ung'recht eing'richt'... es gibt über-
haupt keine anständigen Leit nimma . . ."

Da braust der Zug heran. Besetzt auf Trittbrettern, Puffern
und Dach. Angstvoll watschelt die Frau Bampslinger den Bahn-
steig entlang. Der Schaffner brüllt: „Ei'schteig'nl" Verzweiflung
bemächtigt sich Frau Bampflingers. Sie schickt ihre Augen auf und
ab, ob sich keiner ihrer erbarme. Aber wie gesagt, es gibt über-
haupt keine . . . Gder doch. Der Zug fährt an und die Frau Bampf-
linger mit, eingeklemmt zwischen zwei Rucksäcke und Fallgitter,
mit einem Fuß auf einem gelben üalbschuh, mit dem andern auf
einem Sack Aartoffel, mit dem Zopf an einem Bergstock und mit
der linken bsand an der Uhrkette eines fremden Herrn, der sie un-
definierbar ansieht, peinvolle Lage, Schwebe, Presse. Noch atmet
die Frau Bqmpslinger schwer, sie, die nie Glück hatte in ihrem
Leben, noch findet sie kein Wort der Entrüstung und Alage.

Endlich: „Iessas, Ieffas, is decs a Glück ... So a Glück, a
Mordsglück ... Na, na, na ... Entschuldig'» S',
Herr Nachbar . . . dces Glück, dees Glück . . ."

II.

Die Redaktion.

Da sitze ich in einem Wirtshaus, irgendwo
m> tiefen Schwarzwald. Die Uhr geht kreischend
und schwerfällig. Der Auckuck macht nur mehr
versuche, die Stunde anzuzeigcn. Wohl weil
schon später Sonimer ist. Die Wirtin aber weiß,
daß er auch im Frühjahr nicht gerufen hat.

Sie weiß überhaupt sehr viel, die Wirtin.
Aber sie möchte noch mehr wissen und darum
fragt sie allerhand.

Draußen auf der
Dorfgasse ist Abend.
Die Hühner sind schla-
fen gegangen. Die
Berge werden dunkel-
blau und ich schreibe.

Die Wirtin sieht
mir eine Zeitlang zu.
Dann aber hält sie's
nicht mehr aus und
sie fällt mir in die
Feder: „Schreiwc Sie
do'?"

102
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die kleinen Fischer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Storch, Carl
Entstehungsdatum
um 1921
Entstehungsdatum (normiert)
1916 - 1926
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 155.1921, Nr. 3974, S. 102

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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