Der Feigling.
Nur eine Möglichkeit.
Aalibasch, der Anecht, zählt
seinem Herrn, dem Schnapsbren-
ner Trostmann, das Geld hin,
das ihm der alte Neeck sür den
Branntwein gegeben hat. —
„Und da sagen sie immer,
der alte Geizhals hätte kein
Geld!" ruft der Budiker und
rechnet die Münzen zusammen.
Da duckt Aalibasch seinen
dicken Aoxf und geht hinaus,
stolpert durch den Bottichraum
auf die Straße und dann
weiter. —
Er hat schon wieder einen
sitzen I" denkt sich Fricken, der
gerade ein Füßchen verspundet.
Wohl, Aalibasch hat einen
sitzen — einen Gedanken —
der ihn nun nicht mehr los läßt.
— Aalibasch weiß es seit heute
abend bestimmt, der alte Geiz-
hals hat Geld. Mit dem Fuß
hat er selbst gegen die Truhe
gestoßen, da hat ihm diese Ge-
wißheit herausgeklungen.
Das Haus ist alt und zer-
fressen — der Neeck kann ein-
nial ganz gut die vermorschie
Stiege hinabgefallen sein — und
von seinem Gelde — da weiß
niemand etwas! —
Also bestehen gar keine
Schwierigkeiten — verbrechen
ist es auch kein großes, der Neeck
ist ja allein und ist schon so alt.
So und ähnlich denkt sich
Aalibasch, wie er über die Aar-
tosfelfelder stackelt. — Aber, da
ist etwas gewesen, das ihni mit
einmal allen mühsam aufgerich-
teten Mut über den Saufen ge-
worfen hat.
Aalibasch hat einst irgendwo
etwas gehört von dem „Ge-
wissen". Das soll eine ganz ver-
teufelte Araft haben, den Täter
zu quälen und zu plagen, daß
er die ganze Zeit ruhlos um-
herläuft; das soll ihn immer
wieder an den E>rt der Misse-
tat zurückführen und nicht eher
schweigen, bis alles gesühnt ist.
Und diese wenig verlockende
Aussicht ist es nun, die Aalibasch
alle Lust zu der Geschichte ver-
dirbt.
„Line tolle Sache das —
mit dem Gewissen — ja, wenn
Filmdichter: „Im dreiundneunzigsten Akt meines Sensa-
tionsmonumentalepisodenfilms verläßt der Graf treulos seine Ge-
liebte. Soll ich sie nun in Schönheit sterben lassen oder in ein
Kloster schicken?" — Freund: „Wer spielt die Rolle der Ge-
liebten?" — Filmdichter: „Die von mir entdeckte Tragödin
Mira Miramara." — Freund: „In diesem Falle kommt nur
das Kloster in Betracht."
man da nur einmal klar sehen
würde, wie das alles in Wirk-
lichkeit eigentlich ist — ob cs
nicht gar auf einen Schwindel
hinausläuft, den die Pfaffen er-
funden haben!" — Und — da
kommt ihm auch schon eine ganz
faniose Idee -— hat ihn nicht
Fricken heute früh um Geld an-
gekriegt, weil seine Mutter krank
ist! — wie gut, daß er ihn>
keines gegeben I —
Am andern Tag steht er
früher auf als sonst, reckelt sich
herum, daß Fricken davon er-
wacht — und fängt plötzlich an
zuschimpfen: „Gottsdunner, nun
war ich gestern drüben in Aien-
zendobbe und Hab' dabei mein
Geld verloren, den Beutel mit
drei ganzen Talern!" —
„wirst's wohl in der Gurgel
verloren haben!" meint Fricken
und erhebt sich — da geht Aali-
basch hinaus. Aber von draußen
sticht sein spitziges Auge über den
unteren Fensterrahmen herein. —
Jetzt hebt Fricken drinnen
seine Stiefel vom Boden auf
und findet darunter den Beu-
tel, den Aalibasch dort hin-
gelegt — Fricken schaut sich
hastig um und steckt ihn ein.
Das freut den Späher.
Aber nach einer weile zieht
der andere das Geld wieder
heraus, beschaut sich die Taler,
schnürt den Beutel wieder zu ■—
legt ihn wieder auf die Lrde
und geht.
Gerade will Aalibasch mit
langem Gesicht verschwinden, da
sieht er, wie Fricken wieder-
komnit, hastig den Beutel zu
sich steckt und von neuem die
Kammer verläßt. —
Nun kann Aalibasch die Macht
des Gewissens beobachten. —
Fricken schaut ihm nicht mehr
gerade in die Augen, Fricken
spricht nichts mehr, zeigt sich
nicht mehr, kann kaun, mehr
schlafen, hat schwere Träume —
Aalibasch belauert ihn Tag und
Nacht.
Fricken wird hohl und bleich,
wird ein Gespenst — Aalibasch
freut sich seiner Anschuld, die ihm
dies alles erspart und ist sehr
gespannt —: „wie wird das
enden?" —
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Nur eine Möglichkeit.
Aalibasch, der Anecht, zählt
seinem Herrn, dem Schnapsbren-
ner Trostmann, das Geld hin,
das ihm der alte Neeck sür den
Branntwein gegeben hat. —
„Und da sagen sie immer,
der alte Geizhals hätte kein
Geld!" ruft der Budiker und
rechnet die Münzen zusammen.
Da duckt Aalibasch seinen
dicken Aoxf und geht hinaus,
stolpert durch den Bottichraum
auf die Straße und dann
weiter. —
Er hat schon wieder einen
sitzen I" denkt sich Fricken, der
gerade ein Füßchen verspundet.
Wohl, Aalibasch hat einen
sitzen — einen Gedanken —
der ihn nun nicht mehr los läßt.
— Aalibasch weiß es seit heute
abend bestimmt, der alte Geiz-
hals hat Geld. Mit dem Fuß
hat er selbst gegen die Truhe
gestoßen, da hat ihm diese Ge-
wißheit herausgeklungen.
Das Haus ist alt und zer-
fressen — der Neeck kann ein-
nial ganz gut die vermorschie
Stiege hinabgefallen sein — und
von seinem Gelde — da weiß
niemand etwas! —
Also bestehen gar keine
Schwierigkeiten — verbrechen
ist es auch kein großes, der Neeck
ist ja allein und ist schon so alt.
So und ähnlich denkt sich
Aalibasch, wie er über die Aar-
tosfelfelder stackelt. — Aber, da
ist etwas gewesen, das ihni mit
einmal allen mühsam aufgerich-
teten Mut über den Saufen ge-
worfen hat.
Aalibasch hat einst irgendwo
etwas gehört von dem „Ge-
wissen". Das soll eine ganz ver-
teufelte Araft haben, den Täter
zu quälen und zu plagen, daß
er die ganze Zeit ruhlos um-
herläuft; das soll ihn immer
wieder an den E>rt der Misse-
tat zurückführen und nicht eher
schweigen, bis alles gesühnt ist.
Und diese wenig verlockende
Aussicht ist es nun, die Aalibasch
alle Lust zu der Geschichte ver-
dirbt.
„Line tolle Sache das —
mit dem Gewissen — ja, wenn
Filmdichter: „Im dreiundneunzigsten Akt meines Sensa-
tionsmonumentalepisodenfilms verläßt der Graf treulos seine Ge-
liebte. Soll ich sie nun in Schönheit sterben lassen oder in ein
Kloster schicken?" — Freund: „Wer spielt die Rolle der Ge-
liebten?" — Filmdichter: „Die von mir entdeckte Tragödin
Mira Miramara." — Freund: „In diesem Falle kommt nur
das Kloster in Betracht."
man da nur einmal klar sehen
würde, wie das alles in Wirk-
lichkeit eigentlich ist — ob cs
nicht gar auf einen Schwindel
hinausläuft, den die Pfaffen er-
funden haben!" — Und — da
kommt ihm auch schon eine ganz
faniose Idee -— hat ihn nicht
Fricken heute früh um Geld an-
gekriegt, weil seine Mutter krank
ist! — wie gut, daß er ihn>
keines gegeben I —
Am andern Tag steht er
früher auf als sonst, reckelt sich
herum, daß Fricken davon er-
wacht — und fängt plötzlich an
zuschimpfen: „Gottsdunner, nun
war ich gestern drüben in Aien-
zendobbe und Hab' dabei mein
Geld verloren, den Beutel mit
drei ganzen Talern!" —
„wirst's wohl in der Gurgel
verloren haben!" meint Fricken
und erhebt sich — da geht Aali-
basch hinaus. Aber von draußen
sticht sein spitziges Auge über den
unteren Fensterrahmen herein. —
Jetzt hebt Fricken drinnen
seine Stiefel vom Boden auf
und findet darunter den Beu-
tel, den Aalibasch dort hin-
gelegt — Fricken schaut sich
hastig um und steckt ihn ein.
Das freut den Späher.
Aber nach einer weile zieht
der andere das Geld wieder
heraus, beschaut sich die Taler,
schnürt den Beutel wieder zu ■—
legt ihn wieder auf die Lrde
und geht.
Gerade will Aalibasch mit
langem Gesicht verschwinden, da
sieht er, wie Fricken wieder-
komnit, hastig den Beutel zu
sich steckt und von neuem die
Kammer verläßt. —
Nun kann Aalibasch die Macht
des Gewissens beobachten. —
Fricken schaut ihm nicht mehr
gerade in die Augen, Fricken
spricht nichts mehr, zeigt sich
nicht mehr, kann kaun, mehr
schlafen, hat schwere Träume —
Aalibasch belauert ihn Tag und
Nacht.
Fricken wird hohl und bleich,
wird ein Gespenst — Aalibasch
freut sich seiner Anschuld, die ihm
dies alles erspart und ist sehr
gespannt —: „wie wird das
enden?" —
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Nur eine Möglichkeit"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1921
Entstehungsdatum (normiert)
1916 - 1926
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 155.1921, Nr. 3978, S. 134
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg