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Das kranke Vo gerl

Die Schönheitskonkurrenz.

Mnkel hatte eigenhändig das Licht abgedrcht und mit einem
gemurmelten: „Daß Ihr nun endlich schlaft, langen l" das Zimmer
verlassen. Als er draußen war, steckte Edith den Kopf aus der
Decke. „Du!" sagte sie, „ich weiß, was Du nicht weißt!"

„Wird schon was Rechtes sein!" sagte ich patzig.

„Ich weiß, was in den, Paket war, das die Anna, unsere
Köchin, gestern vom Ball mitgebracht hat."

„Ich weiß es auch — eine Dame aus Gips, die nichts anhatte I"
„Ja und die Anna hat gesagt, die Dame heißt Venus, genau so
wie die Wichse, mit der sie immer unsere Stiefel putzt. Komisch, nicht?"
„Mer hat denn der Anna die nackte Dame geschenkt?"
„Niemand hat sie ihr geschenkt. Sie hat sie gewonnen Aus
einer Schönheitskonkurrenz. Du weißt nicht, was das ist, aber sie
hat cs mir ganz genau erklärt, Weißt Du, da sind so Zettel —"
Edith begann, mir den nähern Vorgang zu erklären, aber ich
hörte ihr nicht zu. Mein kserz zuckte und bebte. Kaum hielt es
mich im Bette. Wußte ich doch, daß sich im Nebenzimmer das Ge-
schick des Mannes entschied, den ich anbetete und vergötterte, des
Alleinherrschers in meinem zehnjährigen Perzen. Um Tod und Leben
ging es, er schwebte in höchster Gefahr. — Aber er war mutig
und tapfer, ich glaubte fest an seinen Sieg.

Im Nebenzimmer schlief mein Vetter Norbert, Ediths Bruder,
das heißt, er schlief nicht, sondern er las in der herrlichsten aller
Indianergeschichten: Winnetou. Natürlich hatte sein Vater bei ihm
ebenso das Licht abgedreht wie im Mädchenschlafzimmer, aber
Norbert hatte von der Schlauheit seines Indianerfreundes profitiert.
Er besaß eine elektrische Taschenlaterne, mit der er im Bett las.
Die Decke hielt er darüber, so daß das Licht abgeblendet wurde.

Mit dem Kopf unter der Decke wurde einem zwar höllisch heiß,
aber was hätte Norbert nicht alles für Winnetou erlitten I Ich
hätte mich gerne mit ihm verständigt, um zu erfahren, wie es der
edlen Rothaut jetzt erging; denn Winnetou war gerade auf der
Flucht vor den übermächtigen Sioux. Sie hatten ihn gefangen, aber
er hatte sich heldenhaft befreit, Würde die gefährliche Flucht gelingen
oder lauerten neue Gefahren? — Edith halte ihre Erklärung beendet.
„Morgen spielen wir nichl mehr Indianer!" sagte sie, „weißt Du,
was wir spielen? Schönheitskonkurrenz. Norbert und die anderen
zwei Buben bekomnien die Zettel. Sie müssen sie mir, Dir oder
pilda geben, wer die meisten hat, hat gewonnen!"

Meine Dhren waren taub: Winnetou, ach Winnetou!

Als ich an, nächsten Morgen erwachte, stand Edith vor meinem
Bett und band sich eine rosa Masche ins paar. „Aber heute ist
doch nicht Sonntag!" sagte ich schlaftrunken.

„Wir spielen doch Schönheitskonkurrenz!" erklärte sie.

Ich zog mich in fliegender Eile an und stürzte hinaus. „Nor-
bert, was ist mit Winnetou?" — Norbert sah ganz verstört aus
und hatte die Fäuste in den Taschen verkrampft. Mir schwante
Unheil, „paben ihn die Sioux wieder gefangen?" stöhnte ich. Er
schwieg. „Gder gar die Koniantschen?" schrie ich entsetzt. Die
Komantschen waren Winnetous ärgste Feinde, daher nieinc Angst.
„Ärger!" sagte Norbert mit belegter Stimme, „noch viel ärger!"
„Also tot I! 1" Ich war so entsetzt, daß ich kein wort des
Leides stammeln konnte. Tot — — er, der schönste Indianerhäupt-
ling, der Edelste, Tapferste — —

Aber wieder sagte Norber mit Grabesstimme: „Ärger —"
Gab es denn das? Ärger als tot?!

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das kranke Vogerl"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Storch, Carl
Entstehungsdatum
um 1921
Entstehungsdatum (normiert)
1916 - 1926
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 155.1921, Nr. 3980, S. 150

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Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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