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Gehcimkalkulator a. D. und verfiel dann in Schweigen, um sich
eine fette Fortsetzung seines Wunschsatzes zu träumen.

„warum der da drüben so noblig leben kann? . ." meldete
sie eines Tages. „Er spekuliert in Aktien!" — „Kruzitürken!" fuhr
der Geheime auf, „dann freilich!" Er setzte sich wieder und kaut
an dem Problem, weshalb ihn vor fünfzig Jahren sein Vater statt
Latein und Griechisch nicht das Mörtelmischen hatte lernen lassen.

Die tapfere Gefährtin aber suchte einen weg, der immer dort
sein soll, wo ein Wille ist. Dieser Wille führte sie zunächst in die
Au zu einer Wahrsagerin, obwohl man ihr die Konkurrenz in
Sendling wärmer empfohlen hatte. Sauber grüßten zwar die Karten
nicht, doch es sprangen überraschende Grakel heraus, waschechte
sozusazeit! Denn ein richtiges Brakel ist doppelsinnig und kann auch
einmal nach hinten losgehen,
wie eine rostige Pistole. Dies
hatte mit Stirnrunzeln Herr
Ketterl seiner waghalsigen
Hälfte erklärt. Zur Abschrek-
kung erzählte er ihr sogar
die überaus rührende Ge-
schichte von Seiner Majestät
dem König Krösus, „wenn
Krösus über den Halys zieht,

— verstehst D', das war ein
Fluß wie die Isar! — wird
er ein großes Reich zerstören.

So hat die Wahrsagerin in
Delphi damals geweissagt.

Natürlich hat seine Majestät
gejuchzt und gemeint, es könne
nichts fehlen, hat den Fluß
überschritten und den Feind
angegriffen. Ja, Schnecken,
der Schuß traf rückwärts I
Sein eigenes Reich hat er
zerstört. In Gefangenschaft
ist er geraten, verstehst D' ?

Die Wahrsagerin hatte aber
nicht gelogen . . ."

„Erstens" — entgegncte
die Belehrte unbewegt —

„bin ich kein Herr Krösus,
leider l — sondern möchte es
werden und, wie der da — , . ,

drüben, täglich Fleisch futtern. ÖIC DCtüCtt

Und zweitens wird's probiert,
weil's wurscht ist!"

„Alte, jeder Drakelspruch trägt den vorbehaltstemxel „ge oder
ver" — gewonnen oder verloren — auf der Stirne. Ich warne Dich!"

vergebens, sie ging in die Au. verdiente daher den Schrecken,
als sofort die Karten ein freudiges Ereignis in Aussicht stellten
sür den Fall, daß der Herr Gemahl zwei Wochen seinem Stamm-
tische fern bleiben würde. Darob gedrückte Spannung — Schwanken,
Neugier — Standhaftigkeit! Er blieb daheim, und richtig! Seine
Freunde erhielten wegen Überschreitung der Polizeistunde einen
Strafzettel. Ambrosius Ketterl hatte zwanzig Mark „ge" und
atmete auf. Nicht minder die Frau. Seitdem kann er einen gewissen
Respekt vor jener Schwarzkünstlerin kaum verbergen. Kein Wunder
also, daß er letzthin einen Freudenhopser tanzte (heißblütig war er
noch immer), als der neueste Spruch der Pythia ankam.

„Line fulminante Konstellation, hat sie gesagt/!— diesmal

bedeutet's für uns mindestens tausend Mark, hat sie gesagt. Druni
Hab ich ihr heute ein Fufzgerl mehr geschenkt. — Freue Dich, Alter,
das bedeutet Fleisch und noch viel mehr! . . ."

Aber wie sollte man nun der Fortuna unter die zarten Arme
greifen? Lotterie? Schade ums Geld! Spekulieren? Ha, womit?

Herr Ketterl durchsuchte täglich die Zeitung wie ein Torpedo-
jäger das Meer.

„Aha! — Zahle demjenigen, der nachweist, daß mein Haar-
balsam Schwindel ist, dreihundert Mark. Lächerlich! Unter Tausend
tun wir's nicht!"

Hatte nicht der Nachbar rechts einmal ein Preisrätsel gelöst
und sich dadurch einen Füllfederhalter verdient?

„Hm! Preisausschreiben: Entwurf eines Plakates für . . I Um,

wenn ich halt eine Idee hätte
und zeichnen könnte. . !"

„Halt! Preisfrage der
Universität in.. So so! Über
den Einfluß der radioaktiven
Uiineralwasser auf das justi-
uianische Recht. Das über-
steigt meinen Horizont!"

Da — eines Morgens
kam er smit der Zeitung in
die Küche gerannt, wo die
Gemahlin eben die gewohnte
Brennsuppe auf dem Gas-
herde braute.

»Jetzt schau' her! Erster
Preis: Tausend Mark l ver-
stehst D' ? Für die beste Lösung
derpreisfrage: Gefühle eines
Menschen in derStraßenbahn,
der rechter Hand ein rohes
Ei und linker Hand eine Maß
Vollbier trägt." —

„Alte, aufgeht's! Auf-
gehen tut cs l Dder auf Hoch-
deutfch , das Glück bietet uns
die Hand. wir müssen sie
ergreifen! Den Preis ver-
dien' ich mir. Ich fahre
Straßenbahn — und zwar
sofort!"

Ruft sie freudig: „Ich

freunde. natürlich auchI"

Erwidert er: „Aber es
heißt doch: Gefühle eines

Menschen, nicht einer Frau! Maskulinum ist der Mensch!"

Zürnt sie: „Nun, sei so gut — zählst D' mich vielleicht zu den
Affen?"

Besänftigt er: „Schon recht! Aber wirst Du auch dabei Ge-
fühle haben?"

Lacht sie spöttisch: „vielleicht schönere als so ein alter Büromensch."
Bemerkt er: „Aber ob Du sie in Worte kleiden kannst?"

Sie richtet sich auf. „Worte? Ich meine Du kennst mich? ..."
Nickt er schleunigst: „Gut! Zwei Eier und zwei Maß! Ge-
schwind! Denn übermorgen ist schon die Frist um. Schnell fort!"

Die beiden rannten die Stiege hinunter, ließen im Wirtshause
ihre Krüge füllen und erwarteten einen wagen.

„Das Geld ist uns sicher;" schwärmte sie begeistert „Braten
gibt's und einen samtenen Winterhut. . ."

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die beiden Freunde"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Kirchner, Eugen
Entstehungsdatum
um 1921
Entstehungsdatum (normiert)
1916 - 1926
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 155.1921, Nr. 3983, S. 174

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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