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Der Abschiedsbrief.

Ich war von jeher davon überzeugt, eine zwar entzückende,
aber etwas dumme *jrau zu besitzen. — Bis gestern.

Wir absolvierten wie gewöhnlich unfern Nachmittagsschlaf in
meinem Arbeitszimmer, sie auf dem Diwan und ich im Liegestuhl.

Ich war gerade dabei, in Nichts zu versinken, als meine Frau
bemerkte, es würde nicht so kalt im Zimmer sein, wenn jemand
das Fenster schließen wollte.

Jemand — d. h. ich - - wollte aber nicht und erwiderte, das
könne ja jemand anders tun.

In einem solchen Falle. erklärte jemand anders, sei das Pflicht
des Mannes, vornehm zu denken und das Fenster zu schließen,
selbst wenn er nicht frieren sollte.

Wenn ich im Begriff bin. einzuschlafen, pflege ich keinen An-
spruch darauf zu erheben, ein vornehmer Denker zu sein. Gewisse
Hemmungen meines Stirnhirns schlummerten bereits, was zur Folge
hatte, daß ich das Wort eines bekannten Musikers an seinen Kritikus
zitierte.

„llex midi ars“, sagte ich und schloß die Augen. — Das heitzt
auf Deutsch „Die Kunst ist mir Gesetz", klingt aber anders.

ditorei hatte sic nicht gesehen. Blieben nur noch die Kinos. Ich
schwitzte. Die Kognakflasche fiel um. Dies erleuchtete für einen
Augenblick mein ratloses pirn: Der große Waldemar!

Er war Landgerichtsrat und hielt sich für einen gewaltigen
Detektiv, da er kurze pfeifen rauchte und tagelang nichts redete.

Ich klingelte ihn an und bat ihn. sofort zu kommen. Aus
seinem schweigen entnahm ich, daß er mich verstanden hatte.

Lr kam nach einer halben Stunde, las schweigend den Brief,
zündete seine Pfeife an und sagte: „Kognak!"

Schweigend deutete ich auf die duftende Pfütze am Boden.
Waldemar verachtete mich. Dann schwiegen wir beide. Ls war
ein großes Schweigen.

Nachdem Waldemar seine Pfeife zu Lude geraucht hatte, blitzte
es in seinem Auge und er sagte: „Kognak! Geh' zu Mampe!"

Ich war enttäuscht, ging aber, ganz im Bann dieses bedeu-
tenden Menschen.

Das flutende Leben des Kurfürstendamms tat mir weh. Nene
tobte in mir, Sorge nagte an meinem Perzen. An Stelle von
Gertruden hielt ich die Kognakflasche im Arm. Diese Tragik

Da sich im Traum häufig die letzten Ge-
danken vor dem Einschlafen sortspinnen, er-
wachte ich mit einer brillanten Idee über „Das
Gesetzmäßige in der Kunst".

Ich sprang auf, eilte zum Schreibtisch
und sah zu meinem Erstaunen einen Brief
von der pand meiner Frau dort liegen. Der
Diwan war leer.

Der Brief — sorgfältig gesiegelt ent-
hielt nur ein paar Sätze. Sic waren mit der
hübschen violetten Tinte meiner Frau ge-
schrieben und zeigten eine zittrige, fahrige,
hin und wieder zerfließende Schrift.

„Ich habe Deine Brutalitäten satt,
wenn Du diesen Brief liest, geht Dir viel-
leicht eine Ahnung davon auf, daß ich
mehr Griechisch verstehe, als Du denkst.
Doch dann ist es zu spät, vor einem
höheren Nichtcr sehen wir uns wieder.

Werde so glücklich, als Du es verdienst!

Gertrude."

Anfänglich etwas verwirrt, wurde ich mir
der Tragik der Situation bald bewußt. Ich
klingelte dem Mädchen und erfuhr, daß meine
Fra» vor einer halben Stunde ausgegangcn
war.

HTit dem überlegenen Lächeln des starken
Mannes, der die Frauen kennt und sie deshalb
nicht ernst nehmen zu dürfen glaubt, steckte
ich den Brief ein und bestellte Kaffee.

Als ich dann so allein am Tische saß und
die törichten Zeilen etwa siebenmal zum un-
widerruflich letzten Male gelesen hatte, fand
ich zuerst den Kaffee nicht so gut wie sonst,
dann die Alilch sauer und schließlich den Zucker
nach Salz schmeckend.

Das letztere war ein bedenkliches Zeichen.
Ich telephonierte daher an sämtliche Lharlotten-
burgcr Freundinnen meiner Frau. Bhnc Er-
folg. Auch das Büfettfräulein in der Kon-

A b w c h r.

„In Ihrer Haut möcht' ich nicht stecken." — „Die war' auch viel zu kurz für Sic!

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Abwehr"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1923
Entstehungsdatum (normiert)
1918 - 1928
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 158.1923, Nr. 4042, S. 19
 
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