„So, nach Herrsching. Sic san aa' scho' plagt in aller Fruah."
„No ja. wie 's kalt is, bei uns Eisenbahnern. ^mmer unter-
wegs. — Also steigen wir ein!"
Der Zug war inzwischen eingefahren und sollte fahrplanmäßig
schon wieder weiter sein. Aber dem Herrn Rcgierungsrat eilte es
nicht so. Die Herren stiegen gemütlich in ein Abteil mit gepolsterten
Sitzen, das der Schaffner eiligst geöffnet batte, als er den allseits
bekannten hoben verkehrsbcamten stehen sah, und davor er in
strammer Haltung verweilte, wie ein Hoslakai am Wagcnschlag.
Der Seppl hatte mit seinem Billett sür die dritte Wagcnklasse
sogar noch die Ehre, in den weichgepolsterten Raum voranzusteigen.
Und der Schaffner fuhr auch vor
ihm mit der Hand an den Mützen-
schild und suchte verlegen nach
einem Eitelgruß. Weil er sich
ganz richtig sagte: „Wer mit dem
Herrn Regierungsrat fährt und
obendrein den Dortritt hat, der
muß mindestens ebenso viel sein."
Und wegen der alten, zerstickten
Kleider — ja, mei', das sagt gar
nichts; die hohen Herren haben
öfter so ein Schiefer im Kopf. Da
darf man nichts d'rauf geben.
So legte sich der Schaffner
den Fall zurecht, und wie nun
der Seppl in Geisenbrunn vom
Herrn Regierungsrat Abschied
nahm, da stand der Schaffner
schon wieder an seiner Seite,
steckerlgrad wie der Zeiger auf
zwölf. Der Seppl bedankte sich
auch besonders schön für die Hilfe
beim Aussteigen.
„Und sag'n 5’ amal," frug
er schnell noch, „wann kann ma'
denn am Nachmittag wieder
z'ruckfahr'n?"
„klm vier Uhr fünfzehn,
Herr —!" Die rasche Antwort
mußte beweisen, wie genau ein
Eisenbahner den Fahrplan im
Schädel hat.
„So, um vier Uhr fünfzehn;
dös is mir grad recht. dank'
schön!"
„Bitte!" — Und der Zug
dampfte weiter.
Und während der Seppl jetzt
in den triefenden Wald hinein-
tauchte und aus dem mooswar
men Boden die jungen, kuge-
ligen Steinpilze schälte, saß der
Schaffner im Dienstwagen und
erforschte sein Gewissen. Blätterte
iVt einem abgegriffenen Büchl um
einander und entdeckte zu seinem
Entsetzen, daß der Nachmittagzug
in Geisenbrunn nur an den Sonn
und Feiertagen anhält an den
Wochentagen aber durchfährt.
„Dein! Deist! A schöne Soß! Und wer ivoaß, wer der Kloiffi
is? A Großkopfata auf alle Fäll! Do gibt's ivicdcr a schöne
Nas'n. Sapprament! - Aber halt'! 3’ wer amal mit ’ti Huabcr
rcd'n, mit 'm Zugführer. vielleicht geht was . . . ." Und der
Schaffner beriet sich mit dem Huber — und sic einigten sich... .
Der Seppl konnte die Schwammerln kaum unterbringcn, so viel
hatte der Nachtregen hcrausgclockt. Und lauter schöne Ware; nicht
ein einziger angcfrcsscncr war dabei. Bis oben auf war das Netz!
voll, auch die Rocktaschen mußten Hlatz schaffe» für die herrlichen
Pilzerln. — Da hatte cs gar keine» Sinn, noch länger zu suchen, wenn
man schon nicht mehr wußte wohin mit dem Segen. So ging denn
der Seppl um Ukittag schon znm
Geisenbrunner Wirtshaus zu. Die
Wirtin, die nebenher auch die
Fahrkarte »-Ausgabe innchattc,
kannte den Bäckermeister schon.
„3a was! Bei dem Wctta
geh'» Sic in d' Schwammerl!"
„3’ scho'."
„3a, und so schöne puistcrln!
Und lauter kloane. Aber dös san
die bessern. — Kriag'n ma a
Maß oder a Holde?"
„Naa, an Kaffee — der
wärmt auf."
„friert Enk, gelt? Waar ja
koa Wunder, bei dcra kläff'».
No, wennsjetzt dann hoamgchts,
wcrd's Enk scho' wieder warm."
„Was? Gchen?ZwoaStund
Weg?! Mir waars ja grad schö'
gnuag! Do werd scho'g'fahr'n."
„Ja, wollts Es in dem naff'n
G'wand d'rinn wart'» bis »m
dreivicrt'l achte?"
„Wos dreivicrt'l achte — ?
Der Zug fahrt doch um viert !
über viere."
„Um vicrt'l über viere? Do
müaßls Es scho' an cig'na Fahr-
plan haben, y wer 's do' wiff'n,
wo i'd'Fahrkart'n hergcb'n muaß.
Um viere fuchzeh» kimmt scho' a
Zug, aber der fahrt durch, der
halt heut' »et, bloß an die Sonn-
tag." — j^etzt wurde es dem
Seppl doch ein wenig zweierlei.
„Ha! ? Durchfahr'» ? Ls kaamts
mir ja in Mag'». — 31 wos, dös
gibts ja »et; do seids Ls irr.
Der Schaffner hat mir gsagt, um
viere fuchzeh», und a' Schaffner
muaß dös do' wiff'n. Besser wiar
jeder andere!"
„3’ woaß 's aber aa'! Und
grad so guat. verschtand'n! Wo
i' scho' so lang an Dienst mach'."
Dir Ivirtin war grantig ge-
worden. j)hre Beamtrnchre hatte
einen Stich bekommen. Sie spielte
die beleidigte keberwurst und
.^oris»tz»«ng Seit# IM.
Mein Stab ist [leben blieben
Uor einem kleinen Haus,
hat Wurzeln und Blätter gelrieben,
geht nimmer vom Boden heraus.
€in Mägdlein kam geschritten
Wohl aus des Bau|es CUr,
Da brachen laulend Blüten
Bus meinem Stab berlür.
Dun [ilj- ich wie im Craume,
Das Mägdlein an mich drück',
Und von dem lieben Baume
Jällt, Blüten gleich, das Glück. s„B4lin
164
„No ja. wie 's kalt is, bei uns Eisenbahnern. ^mmer unter-
wegs. — Also steigen wir ein!"
Der Zug war inzwischen eingefahren und sollte fahrplanmäßig
schon wieder weiter sein. Aber dem Herrn Rcgierungsrat eilte es
nicht so. Die Herren stiegen gemütlich in ein Abteil mit gepolsterten
Sitzen, das der Schaffner eiligst geöffnet batte, als er den allseits
bekannten hoben verkehrsbcamten stehen sah, und davor er in
strammer Haltung verweilte, wie ein Hoslakai am Wagcnschlag.
Der Seppl hatte mit seinem Billett sür die dritte Wagcnklasse
sogar noch die Ehre, in den weichgepolsterten Raum voranzusteigen.
Und der Schaffner fuhr auch vor
ihm mit der Hand an den Mützen-
schild und suchte verlegen nach
einem Eitelgruß. Weil er sich
ganz richtig sagte: „Wer mit dem
Herrn Regierungsrat fährt und
obendrein den Dortritt hat, der
muß mindestens ebenso viel sein."
Und wegen der alten, zerstickten
Kleider — ja, mei', das sagt gar
nichts; die hohen Herren haben
öfter so ein Schiefer im Kopf. Da
darf man nichts d'rauf geben.
So legte sich der Schaffner
den Fall zurecht, und wie nun
der Seppl in Geisenbrunn vom
Herrn Regierungsrat Abschied
nahm, da stand der Schaffner
schon wieder an seiner Seite,
steckerlgrad wie der Zeiger auf
zwölf. Der Seppl bedankte sich
auch besonders schön für die Hilfe
beim Aussteigen.
„Und sag'n 5’ amal," frug
er schnell noch, „wann kann ma'
denn am Nachmittag wieder
z'ruckfahr'n?"
„klm vier Uhr fünfzehn,
Herr —!" Die rasche Antwort
mußte beweisen, wie genau ein
Eisenbahner den Fahrplan im
Schädel hat.
„So, um vier Uhr fünfzehn;
dös is mir grad recht. dank'
schön!"
„Bitte!" — Und der Zug
dampfte weiter.
Und während der Seppl jetzt
in den triefenden Wald hinein-
tauchte und aus dem mooswar
men Boden die jungen, kuge-
ligen Steinpilze schälte, saß der
Schaffner im Dienstwagen und
erforschte sein Gewissen. Blätterte
iVt einem abgegriffenen Büchl um
einander und entdeckte zu seinem
Entsetzen, daß der Nachmittagzug
in Geisenbrunn nur an den Sonn
und Feiertagen anhält an den
Wochentagen aber durchfährt.
„Dein! Deist! A schöne Soß! Und wer ivoaß, wer der Kloiffi
is? A Großkopfata auf alle Fäll! Do gibt's ivicdcr a schöne
Nas'n. Sapprament! - Aber halt'! 3’ wer amal mit ’ti Huabcr
rcd'n, mit 'm Zugführer. vielleicht geht was . . . ." Und der
Schaffner beriet sich mit dem Huber — und sic einigten sich... .
Der Seppl konnte die Schwammerln kaum unterbringcn, so viel
hatte der Nachtregen hcrausgclockt. Und lauter schöne Ware; nicht
ein einziger angcfrcsscncr war dabei. Bis oben auf war das Netz!
voll, auch die Rocktaschen mußten Hlatz schaffe» für die herrlichen
Pilzerln. — Da hatte cs gar keine» Sinn, noch länger zu suchen, wenn
man schon nicht mehr wußte wohin mit dem Segen. So ging denn
der Seppl um Ukittag schon znm
Geisenbrunner Wirtshaus zu. Die
Wirtin, die nebenher auch die
Fahrkarte »-Ausgabe innchattc,
kannte den Bäckermeister schon.
„3a was! Bei dem Wctta
geh'» Sic in d' Schwammerl!"
„3’ scho'."
„3a, und so schöne puistcrln!
Und lauter kloane. Aber dös san
die bessern. — Kriag'n ma a
Maß oder a Holde?"
„Naa, an Kaffee — der
wärmt auf."
„friert Enk, gelt? Waar ja
koa Wunder, bei dcra kläff'».
No, wennsjetzt dann hoamgchts,
wcrd's Enk scho' wieder warm."
„Was? Gchen?ZwoaStund
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gnuag! Do werd scho'g'fahr'n."
„Ja, wollts Es in dem naff'n
G'wand d'rinn wart'» bis »m
dreivicrt'l achte?"
„Wos dreivicrt'l achte — ?
Der Zug fahrt doch um viert !
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„Um vicrt'l über viere? Do
müaßls Es scho' an cig'na Fahr-
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wo i'd'Fahrkart'n hergcb'n muaß.
Um viere fuchzeh» kimmt scho' a
Zug, aber der fahrt durch, der
halt heut' »et, bloß an die Sonn-
tag." — j^etzt wurde es dem
Seppl doch ein wenig zweierlei.
„Ha! ? Durchfahr'» ? Ls kaamts
mir ja in Mag'». — 31 wos, dös
gibts ja »et; do seids Ls irr.
Der Schaffner hat mir gsagt, um
viere fuchzeh», und a' Schaffner
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jeder andere!"
„3’ woaß 's aber aa'! Und
grad so guat. verschtand'n! Wo
i' scho' so lang an Dienst mach'."
Dir Ivirtin war grantig ge-
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einen Stich bekommen. Sie spielte
die beleidigte keberwurst und
.^oris»tz»«ng Seit# IM.
Mein Stab ist [leben blieben
Uor einem kleinen Haus,
hat Wurzeln und Blätter gelrieben,
geht nimmer vom Boden heraus.
€in Mägdlein kam geschritten
Wohl aus des Bau|es CUr,
Da brachen laulend Blüten
Bus meinem Stab berlür.
Dun [ilj- ich wie im Craume,
Das Mägdlein an mich drück',
Und von dem lieben Baume
Jällt, Blüten gleich, das Glück. s„B4lin
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Volkslied"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1923
Entstehungsdatum (normiert)
1918 - 1928
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 158.1923, Nr. 4060, S. 164
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg