Dcr Bügcltag.
Lcbenskunft.
ßumoccifc von Botho.
Lebenskünstler muß man bei den miesen Zeiten sein; wenn ich
es nicht wäre, Kälte ich mich schon längst ausgehängt, aber natürlich
unterm Arm, nicht um den Kais, denn sonst kriegt man ja keine
Lust. — Aber, Gott sei Dank! wir verstehen das Leben; wir sind
Lebcnskünstler. — Das beißt, lange bin ich es auch noch nicht; erst
seit etwa einem Vierteljahr. Ich glaube seit Dezember vorigen
Jahres; da habe ich es gelenrt. Und das kam so.
Bei meineni Anzug, dem minderwertigeren dcr beiden Lrcin-
plare dieser Art von Bekleidungsstücken, die stch in meinem Besitz
besinden (ich habe, Gott sei Dank noch keineit versetzt oder ver-
pfändet!, war die Kose an einer oder vielmehr an zwei Stellen
schadhaft geworden. Nicht etwa an den Sitzstächen, o nein, viel
harmloser, ganz unten an den Koscnbcinen. Die hatte ich mir
nämlich „durchgestoßen", wie der „Terminus technicus“ lautet. Da
die fransen der Kose bereits das Aussehen einer Indianerhose ver-
liehen und sehr deutlich zu sehen waren «bloß sür einen Radfahrer,
der schnell vorbeisuhr, waren sie nicht sichtbar, überhaupt, wenn er nicht
daraus achtete), beschloß ich schweren Kerzens, mich von dem mir lieb
gewordenen Möbel zu trennen, um die Those reparieren zu lassen.
Jetzt kommt die Lebenskunst, — was wird die Sache kosten?
Ich grübelte nach. Zunächst, wie lange Zeit braucht so ein Schneider
dazu? Klein Gott, wie sollte ich als Junggeselle sowas wissen!
Linen ganzen Anzug machen zu lassen das kostete zu damaliger
Zeit noch etwa 30000 Ulark reiner Schneiderlohn. Und die Kofen-
beine umnähen? - Gb es 2300 Mark kosten wird? Ach nein
soviel wird er wohl nicht nehmen, vielleicht 2000 Mark oder gar
bloß >500 Mark? kleine Ahnung! — Na ich beschloß jedenfalls
den Schneidermeister erst befragen zu lassen. Sollte er mehr als
2o<>0 Ulark nehmen so mochte er elendiglich verhungern, von mir
bckani der Kerl jedenfalls keine Arbeit. — Ich limitierte also
Mark 2000.—. Die Kose schickte ich durch meine lvirti» einem
klleiderkünstlcr zu und trug ihr aus, sich ja erst »ach dem Preise
zu erkundigen. Leider war der menschenverschönernde Mann nicht
selbst zu Kaufe, doch hatte seine Frau wenigstens die bestimmte
Zusage gemacht, daß die Kose am nächsten Ulittwoch fertig sei»
würde, — lim »äcbstcn Mittwoch wurde ich natürlich, wie das
bei Schneidern und Schustern so üblich ist, aus Freitag vertröstet
und am Freitag aus nächsten Dienstag. Ich machte niich im Stillen
schon aus 2500 Mark gefaßt, als ich am Dienstag selbst die lvohnung
des Schneidermeisters betrat. Tatsächlich, die ljose war fertig!
Sogar tadellos. Bescheiden und innerlich zitternd fragte ich nach
dem Preise. „550 Mark", war die Antwort.
Micb überlies es heiß und kalt, als ich mit liebenswürdigem
Gesicht die geringe Summe auf dem Tisch des Kaufes deponierte.
Draußen machte ich einen Luftsprung, daß ich mir bald die Beine
aus der Treppe gebrochen hätte und pries diesen Schncidenneister
als den besten Menschen aus dieser schlechten Erde,
Sehen Sic, das ist Lebenskunst, Man veranschlagt eine Sache,
die man kaufen muß, möglichst hoch und gewöhnt sich a» de»
Gedanken, soviel Geld dafür ausgcben zu müsse», worauf man
stch wie ein Schneekönig freut, wenn die Thosc weit unter dem
vermuteten Preise liegt. — Lhrlich gestehen muß ich allerdings,
daß ich mir damals aus Freude über das viele Geld, das ich
weniger ausgegeben hatte eine Flasche Aognak kaufte, die leider
viel viel teurer war als mein kkostcnanschlag für die Reparatur
der ausmacbtc.
18U
Lcbenskunft.
ßumoccifc von Botho.
Lebenskünstler muß man bei den miesen Zeiten sein; wenn ich
es nicht wäre, Kälte ich mich schon längst ausgehängt, aber natürlich
unterm Arm, nicht um den Kais, denn sonst kriegt man ja keine
Lust. — Aber, Gott sei Dank! wir verstehen das Leben; wir sind
Lebcnskünstler. — Das beißt, lange bin ich es auch noch nicht; erst
seit etwa einem Vierteljahr. Ich glaube seit Dezember vorigen
Jahres; da habe ich es gelenrt. Und das kam so.
Bei meineni Anzug, dem minderwertigeren dcr beiden Lrcin-
plare dieser Art von Bekleidungsstücken, die stch in meinem Besitz
besinden (ich habe, Gott sei Dank noch keineit versetzt oder ver-
pfändet!, war die Kose an einer oder vielmehr an zwei Stellen
schadhaft geworden. Nicht etwa an den Sitzstächen, o nein, viel
harmloser, ganz unten an den Koscnbcinen. Die hatte ich mir
nämlich „durchgestoßen", wie der „Terminus technicus“ lautet. Da
die fransen der Kose bereits das Aussehen einer Indianerhose ver-
liehen und sehr deutlich zu sehen waren «bloß sür einen Radfahrer,
der schnell vorbeisuhr, waren sie nicht sichtbar, überhaupt, wenn er nicht
daraus achtete), beschloß ich schweren Kerzens, mich von dem mir lieb
gewordenen Möbel zu trennen, um die Those reparieren zu lassen.
Jetzt kommt die Lebenskunst, — was wird die Sache kosten?
Ich grübelte nach. Zunächst, wie lange Zeit braucht so ein Schneider
dazu? Klein Gott, wie sollte ich als Junggeselle sowas wissen!
Linen ganzen Anzug machen zu lassen das kostete zu damaliger
Zeit noch etwa 30000 Ulark reiner Schneiderlohn. Und die Kofen-
beine umnähen? - Gb es 2300 Mark kosten wird? Ach nein
soviel wird er wohl nicht nehmen, vielleicht 2000 Mark oder gar
bloß >500 Mark? kleine Ahnung! — Na ich beschloß jedenfalls
den Schneidermeister erst befragen zu lassen. Sollte er mehr als
2o<>0 Ulark nehmen so mochte er elendiglich verhungern, von mir
bckani der Kerl jedenfalls keine Arbeit. — Ich limitierte also
Mark 2000.—. Die Kose schickte ich durch meine lvirti» einem
klleiderkünstlcr zu und trug ihr aus, sich ja erst »ach dem Preise
zu erkundigen. Leider war der menschenverschönernde Mann nicht
selbst zu Kaufe, doch hatte seine Frau wenigstens die bestimmte
Zusage gemacht, daß die Kose am nächsten Ulittwoch fertig sei»
würde, — lim »äcbstcn Mittwoch wurde ich natürlich, wie das
bei Schneidern und Schustern so üblich ist, aus Freitag vertröstet
und am Freitag aus nächsten Dienstag. Ich machte niich im Stillen
schon aus 2500 Mark gefaßt, als ich am Dienstag selbst die lvohnung
des Schneidermeisters betrat. Tatsächlich, die ljose war fertig!
Sogar tadellos. Bescheiden und innerlich zitternd fragte ich nach
dem Preise. „550 Mark", war die Antwort.
Micb überlies es heiß und kalt, als ich mit liebenswürdigem
Gesicht die geringe Summe auf dem Tisch des Kaufes deponierte.
Draußen machte ich einen Luftsprung, daß ich mir bald die Beine
aus der Treppe gebrochen hätte und pries diesen Schncidenneister
als den besten Menschen aus dieser schlechten Erde,
Sehen Sic, das ist Lebenskunst, Man veranschlagt eine Sache,
die man kaufen muß, möglichst hoch und gewöhnt sich a» de»
Gedanken, soviel Geld dafür ausgcben zu müsse», worauf man
stch wie ein Schneekönig freut, wenn die Thosc weit unter dem
vermuteten Preise liegt. — Lhrlich gestehen muß ich allerdings,
daß ich mir damals aus Freude über das viele Geld, das ich
weniger ausgegeben hatte eine Flasche Aognak kaufte, die leider
viel viel teurer war als mein kkostcnanschlag für die Reparatur
der ausmacbtc.
18U
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Bügeltag"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1923
Entstehungsdatum (normiert)
1918 - 1928
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 158.1923, Nr. 4062, S. 180
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg