Verbriefung
Don Fritz Müller,
Cannero
Überm Lago an den
Weinbcrghängen sah ich
eine Tafel an den Pfahl
genagelt: „Da vendere",
zu verkaufen. Der Pfahl
war windschief, die Tafel
morsck,die Inschrist febler-
hast. Also nichts, was ein-
lud, stehnzubleiben. Und
dennoch blieb ich festgena-
gelt flehen, als sei ich sel-
ber eine Tafel. Es ist mit
manchem Menschen auch
nicht anders: Windschief,
morsch und fehlerhaft, und
dennoch: man ist festge-
bannt. Vielleicht weil eine
lichte Strähne über ihm
spielt. So spielte über
jene Tafel ein über Nacht
erblühter Pfirsichzweig.
Der entschied es: Dieses
Grundstück oder keines.
Zwischen „zu verkaufen"
aber und dem Kaufe liegt
derKaufpreis.Bei Grund-
stücken und bei Menschen.
Nicht bei Ihnen selber —
„Nimm mich", sagt das
Grundstück,,. nimm micb",
sagt der Mensch — aber
da sind jene, die darüber zu verfügen haben, über Menschen
und über Grundstücke.
„Luanlo costa quel terreno, wieviel kostet dieses Grund-
stück ?'
„Lento mila Lire, hunderttausend Lire", sagte der Besitzer
majestätisch.
Meine Achseln zuckten: „Unerschwinglich!"
„Nun, weil Sie cs sind: cinguanka mila Lire, fünfzigtausend
Lire."
Hätte ich genickt, mein Konto bei der Leu-Bank bätte seinen
Kopf geschüttelt: „Ausgeschlossen!"
„Nun, in Gottes Namen denn: zwölftausend Lire, keinen
Centesimo weniger!"
„Dann vielleicht zweitausend Lire weniger? - zehntausend
kann ich geben."
„Gehört schon Ihnen,"
schüttelte der Biedere
meine Hand, „der Avvo-
cato drüben wartet auf
die Borvcrbriefung —
aber sagen wir ihm nur
die Hälfte, die Umsatz-
steuer ist so schrecklich hoch,
Herr."
Wir verbrieften vor
beim Advokaten. Der
hielt ein beim Schreiben:
„Fünftausend Lire, sagen
Sie? Sie scheinen von
der Umsatzsteuer nichts zu
wissen — na, sagen wir
die Hälfte, zweitausend-
fünfhundertist in die Haut
hinein genug."
Eine Wocbc später ver-
briefte endgültig der No-
tar. „Dieser Esel von
einem Advokaten!" sagte
er, „der hat wohl keine
Ahnung, was die Um-
satzsteuer ausmacht! Unter
uns, nicht wahr: zwölf-
hundert Lire in den Kauf-
vertrag und keine Lira
mehr!"
„Aber vielleicht weni-
ger?" wagte ich cs augen-
blinzelnd.
Er lachte wohlwolleird:
„Sie italienisiercn sich, «nein Lieber — also tausend Lire,
nicht wahr?"
„Wie wäre es mit — "
„Fünfhundert, meinen Sic ? Das glaubt uns ja kein Mensch,
verehrter Herr."
Die aufgcftachclte Frechheit nahm ich jetzt zusammen: „Wie
wäre es, wir setzten Null Komma Null Lire ein, Signor
Notaio?'
Er sah mich starr an. Dann stng er zu tanzen an: „Gross-
artig! Sic übertreffen ja die Italiener. 71a, ich sag's ja:
diese Deutschen! Dass ich früher nie darauf gekommen bin:
Wir vcrbriefen also einfach schcnkungswcise . .
Das Grundstück hatte recht bekommen: Nimm mich, nimm
mich, wie ich bin — geschenkt.
^ ch. mochte*J ech-zehn, Jaru*e zutb jeen~>
Ä UnduxdenWSIkadummclFrdunicnJ,
' tclxm.ock.-LefcckzekrrJakre alb"fctnS*
UnddraunxenunLer bindenkiumenu,
leb. nxöclde under linden.- legen-*—'S
Und mlkdxtr fpLelenrruL'die dra. unxeex,
'ÖLeSonne yuddtfdie\Vo lk.cn -fliegcm r
T^ulekcfUrniekgub^denTag verßuunen
; \Vu,waxrcLek'cLbdetrekifkfo kelheez
I U i 'h._r?- I . J._1.1 -LL_
m.
1
Und dennoch, Jede erx-vkc-die fltde* »
~beux Flkgetldexd wart/ edng emo LLcdr-d
Du b (Jk Leo izjzw ei-felnden (xebeede.-
Mitnud ZignStändesanxLgehrohhLkd
Fr rl ik d 7
1 ajvj-atxn j chm ctbetruvon decZvinne* —'
■ Hock, L, eudribjinn., L^u/Fund Fhde/anzJ
Ikc-WolUen^ weiLeF l Ssd-Hgecxriixe-t
Frau Sonne-, juble- uns ^urnHanz^lj)
uyi
ns-Ree
m-
198
Don Fritz Müller,
Cannero
Überm Lago an den
Weinbcrghängen sah ich
eine Tafel an den Pfahl
genagelt: „Da vendere",
zu verkaufen. Der Pfahl
war windschief, die Tafel
morsck,die Inschrist febler-
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lud, stehnzubleiben. Und
dennoch blieb ich festgena-
gelt flehen, als sei ich sel-
ber eine Tafel. Es ist mit
manchem Menschen auch
nicht anders: Windschief,
morsch und fehlerhaft, und
dennoch: man ist festge-
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jene Tafel ein über Nacht
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Der entschied es: Dieses
Grundstück oder keines.
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Nicht bei Ihnen selber —
„Nimm mich", sagt das
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sagt der Mensch — aber
da sind jene, die darüber zu verfügen haben, über Menschen
und über Grundstücke.
„Luanlo costa quel terreno, wieviel kostet dieses Grund-
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„Lento mila Lire, hunderttausend Lire", sagte der Besitzer
majestätisch.
Meine Achseln zuckten: „Unerschwinglich!"
„Nun, weil Sie cs sind: cinguanka mila Lire, fünfzigtausend
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Hätte ich genickt, mein Konto bei der Leu-Bank bätte seinen
Kopf geschüttelt: „Ausgeschlossen!"
„Nun, in Gottes Namen denn: zwölftausend Lire, keinen
Centesimo weniger!"
„Dann vielleicht zweitausend Lire weniger? - zehntausend
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„Gehört schon Ihnen,"
schüttelte der Biedere
meine Hand, „der Avvo-
cato drüben wartet auf
die Borvcrbriefung —
aber sagen wir ihm nur
die Hälfte, die Umsatz-
steuer ist so schrecklich hoch,
Herr."
Wir verbrieften vor
beim Advokaten. Der
hielt ein beim Schreiben:
„Fünftausend Lire, sagen
Sie? Sie scheinen von
der Umsatzsteuer nichts zu
wissen — na, sagen wir
die Hälfte, zweitausend-
fünfhundertist in die Haut
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Eine Wocbc später ver-
briefte endgültig der No-
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einem Advokaten!" sagte
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Ahnung, was die Um-
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vertrag und keine Lira
mehr!"
„Aber vielleicht weni-
ger?" wagte ich cs augen-
blinzelnd.
Er lachte wohlwolleird:
„Sie italienisiercn sich, «nein Lieber — also tausend Lire,
nicht wahr?"
„Wie wäre es mit — "
„Fünfhundert, meinen Sic ? Das glaubt uns ja kein Mensch,
verehrter Herr."
Die aufgcftachclte Frechheit nahm ich jetzt zusammen: „Wie
wäre es, wir setzten Null Komma Null Lire ein, Signor
Notaio?'
Er sah mich starr an. Dann stng er zu tanzen an: „Gross-
artig! Sic übertreffen ja die Italiener. 71a, ich sag's ja:
diese Deutschen! Dass ich früher nie darauf gekommen bin:
Wir vcrbriefen also einfach schcnkungswcise . .
Das Grundstück hatte recht bekommen: Nimm mich, nimm
mich, wie ich bin — geschenkt.
^ ch. mochte*J ech-zehn, Jaru*e zutb jeen~>
Ä UnduxdenWSIkadummclFrdunicnJ,
' tclxm.ock.-LefcckzekrrJakre alb"fctnS*
UnddraunxenunLer bindenkiumenu,
leb. nxöclde under linden.- legen-*—'S
Und mlkdxtr fpLelenrruL'die dra. unxeex,
'ÖLeSonne yuddtfdie\Vo lk.cn -fliegcm r
T^ulekcfUrniekgub^denTag verßuunen
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Hochzeitsliedchen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1924
Entstehungsdatum (normiert)
1919 - 1929
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 160.1924, Nr. 4111, S. 198
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg