Auch dem Berliner Vogelfänger kst
/rC/^einc Bewährungsfrist zugebilligt wor-
den. Seinen Befreiungszügen durch die
Vogelkäfige des Berliner Zoo lag, wie
sich hcrausftelltc, lediglich die Absicht zu-
grunde, den armen, unterdrückten, ge-
fangenen Vögeln ein neues ethisches Ideal, eine neue Freiheit
zu predigen. Bei Papageien glaubte er das meiste Verständnis
zu finden. Das liegt so im Zug der Zeit und ist pathologisch
zu bewerten. Daher die Bewährungsfrist.
"7? ntiwir
»Zwölf kleine Bcgcrlcin' .... nein, zwölf arme Österreicher
erbten 1917 von ihrem Onkel in Amen'ka 270 000 Dollar.
Drei von ihnen starbeiz im selben Jahre Hungers. Brun arme
Österreicher also erhielten 1919 die Backricht aus Bcw Tsork,
es seien 160 000 Dollar für sie da. Die übrigen 110 000
seien durch Verwaltungsspesen geschwunden. Drei arme Öster-
reicher starben an den Folgen dieses Schrecks,- da waren cs
nur noch sechs. Sechs arme Österreicher gingen zum Konsulat,-
da sagt man: »Es sei schad — die Erbsumme betrüge nur noch
100 Mille und der Konsul wollt' für seine Mühe 3 Mille,- das
sei nicht viel. Da die armen Österreicher die 3000 Dollar
zahlen mußten, ohne die Erbschaft bekommen zu haben, haben
sich drei der Anatomie verschrieben und sind gleich dageblicbcn,-
da waren es nur noch drei. Drei arme Osterrcicker erhielten
1923 Bescheid, sie möchten sich die Dollar holen,- es sei aller-
höchste Zeit! Die drei haben sich, sehr abgehetzt, in einen kleinen
Kahn gesetzt. Der Kahn ist umgckippt. Ankam einer. Wieviele
Dollar waren nock da? Keiner.
In Kowno saß in der Straßcnbabn rin älterer Herr der
höheren Gesellschaftsschickten neben einem hübschen Kind der
niederen Klassen. Kein Wort fällt zwischen den beiden, nur
plötzlich eine Ohrfeige. Der alte Herr springt empört auf. Das
Mädchen behauptet, der Herr babc sie ins Bein gekniffen. Das
leickt gereizte Volk von Kowno schickt sich zu einem Aufstand
n In L ukrezla an. Da fühlt stck auck ein andres junges Mädcken
ins Beln gekniffen und — eine Bäuerin zieht unter der Bank eine
GanS hervor. — Daß doch die Gänse seit dem Kapitol bis Kowno
so gern zu öffentlickcn Komplikationen beitragen'
Sei /tili, mein (Jung ’, und greine nicht!
Der gute Onkel Doktor fpricht:
„Die Kinder, die viel weinen,
Die kriegen einen Mabelbruch.
Drum laß das dumme Weinen.
Denn wilTe, audi im Zukunftsftaat
Gilt nicht das Wort, da gilt die Tat.
Und merk Dir diefen Sprudi.
Sei ftill, mein Kind, und denke Dir:
Bald gibt es wieder Märzenbier
Und fchöne warme Sonne.
Bald fliegt der Steuerwifch ins Haus.
Doch ich erklär’ mit Wonne:
„Ich habe nifcht, ich zahle nifcht,
Seht zu nur, wo Ihr was erwifdht!'
IJnd mache mir nichts draus.
Sei füll, fei füll, mein Biibdten,
Du kriegft ein warmes Süppchen.
Denn all die Millionen,
Die ich vcrgang ’nes (Jahr verdient,
Brauch’ ich nicht mehr zu fchonen.
Ich wert ’ fie alle, Schein um Sdiein,
In unfern kleinen Ofen rein,
Bis daß es glimmt und kient.
Brüll’ zu, mein Junge, unverzagt.
Graf Keyferling hat felbft ge lagt,
Daß fidi nun alles wandelt.
Sing’ ich mit kläglidiem Gelang,
Der Deine Kunft verfdiandelt,
Von Pech und Tichenaft und Strick,
So fchmettert, Bub, "Zukunftsmufik
In Deinem, Deinem Sang.
Herbert Roth
/rC/^einc Bewährungsfrist zugebilligt wor-
den. Seinen Befreiungszügen durch die
Vogelkäfige des Berliner Zoo lag, wie
sich hcrausftelltc, lediglich die Absicht zu-
grunde, den armen, unterdrückten, ge-
fangenen Vögeln ein neues ethisches Ideal, eine neue Freiheit
zu predigen. Bei Papageien glaubte er das meiste Verständnis
zu finden. Das liegt so im Zug der Zeit und ist pathologisch
zu bewerten. Daher die Bewährungsfrist.
"7? ntiwir
»Zwölf kleine Bcgcrlcin' .... nein, zwölf arme Österreicher
erbten 1917 von ihrem Onkel in Amen'ka 270 000 Dollar.
Drei von ihnen starbeiz im selben Jahre Hungers. Brun arme
Österreicher also erhielten 1919 die Backricht aus Bcw Tsork,
es seien 160 000 Dollar für sie da. Die übrigen 110 000
seien durch Verwaltungsspesen geschwunden. Drei arme Öster-
reicher starben an den Folgen dieses Schrecks,- da waren cs
nur noch sechs. Sechs arme Österreicher gingen zum Konsulat,-
da sagt man: »Es sei schad — die Erbsumme betrüge nur noch
100 Mille und der Konsul wollt' für seine Mühe 3 Mille,- das
sei nicht viel. Da die armen Österreicher die 3000 Dollar
zahlen mußten, ohne die Erbschaft bekommen zu haben, haben
sich drei der Anatomie verschrieben und sind gleich dageblicbcn,-
da waren es nur noch drei. Drei arme Osterrcicker erhielten
1923 Bescheid, sie möchten sich die Dollar holen,- es sei aller-
höchste Zeit! Die drei haben sich, sehr abgehetzt, in einen kleinen
Kahn gesetzt. Der Kahn ist umgckippt. Ankam einer. Wieviele
Dollar waren nock da? Keiner.
In Kowno saß in der Straßcnbabn rin älterer Herr der
höheren Gesellschaftsschickten neben einem hübschen Kind der
niederen Klassen. Kein Wort fällt zwischen den beiden, nur
plötzlich eine Ohrfeige. Der alte Herr springt empört auf. Das
Mädchen behauptet, der Herr babc sie ins Bein gekniffen. Das
leickt gereizte Volk von Kowno schickt sich zu einem Aufstand
n In L ukrezla an. Da fühlt stck auck ein andres junges Mädcken
ins Beln gekniffen und — eine Bäuerin zieht unter der Bank eine
GanS hervor. — Daß doch die Gänse seit dem Kapitol bis Kowno
so gern zu öffentlickcn Komplikationen beitragen'
Sei /tili, mein (Jung ’, und greine nicht!
Der gute Onkel Doktor fpricht:
„Die Kinder, die viel weinen,
Die kriegen einen Mabelbruch.
Drum laß das dumme Weinen.
Denn wilTe, audi im Zukunftsftaat
Gilt nicht das Wort, da gilt die Tat.
Und merk Dir diefen Sprudi.
Sei ftill, mein Kind, und denke Dir:
Bald gibt es wieder Märzenbier
Und fchöne warme Sonne.
Bald fliegt der Steuerwifch ins Haus.
Doch ich erklär’ mit Wonne:
„Ich habe nifcht, ich zahle nifcht,
Seht zu nur, wo Ihr was erwifdht!'
IJnd mache mir nichts draus.
Sei füll, fei füll, mein Biibdten,
Du kriegft ein warmes Süppchen.
Denn all die Millionen,
Die ich vcrgang ’nes (Jahr verdient,
Brauch’ ich nicht mehr zu fchonen.
Ich wert ’ fie alle, Schein um Sdiein,
In unfern kleinen Ofen rein,
Bis daß es glimmt und kient.
Brüll’ zu, mein Junge, unverzagt.
Graf Keyferling hat felbft ge lagt,
Daß fidi nun alles wandelt.
Sing’ ich mit kläglidiem Gelang,
Der Deine Kunft verfdiandelt,
Von Pech und Tichenaft und Strick,
So fchmettert, Bub, "Zukunftsmufik
In Deinem, Deinem Sang.
Herbert Roth
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Lustige Weltchronik" "Schlummerliedchen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1924
Entstehungsdatum (normiert)
1919 - 1929
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 160.1924, Nr. 4112, S. 217
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg