Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Sache mit Franziska / Von Sepp üoibi

jenen unvergeßlich schönen Zeiten, als
der Dollar jeden Tag höher stieg und
Sie Mark um so tiefer sank, da war
auck mir einmal, wie man zu sagen
pflegt, das Glück hold — oder gnädig
— oder lächelte mir Fortuna — wie
man's halt ausdrücken will .. • und
ich hatte manchmal drei, vier Tage
lang das ungewohnte Bewußtsein,
mehr Bargeld als Schulden zu haben.
Da aber gerade zu jenen Zeiten das
Evangelium galt: 3) möglichst viel
Schulden, b) kein Bargeld und c) bis
z) Ware, Ware, Ware! — so machte
ich mich mit einer Geschäftigkeit, die
idi früher höchstens im Bersehen gezeigt hatte, an das Umsetzen
von Geld in Waren (wurscht, was). Ich kaufte mir also neben reich-
lichen Tagesrationen von Hummer, Kaviar, Fisch, Fleisch, Wein,
Sekt, Likören und sonstigen unentbehrlichen Dingen u. a. eine Billa,
eine komplette Aktiengesellschaft, einen Zeitungsverlag samt prima
Gesinnung, zwei Autos, eine Schusterei, drei Parfüm- und eine
Filmfabrik, mehrere Acker, Pferde
und sonstige 3m- und Demo-
bilien — und schließlich auch eine
Giraffe.

Die Münchner nämlich, die sei-
nerzeit schon Richard Wagner —
statt ihn mit allen Mitteln zu hallen
— an den Meistbietenden abgaben,
machten es nicht viel anders mit
ihrem Zoologischen Garten und
überließen den schönen Tierbe-
stand, soweit er nicht gleich an Ort
und Stelle abstarb, ohne Reuetränen den nächstbesten Käufern, wie
damals Sempers Festspielhaus an Bayreuth. Gewiß, der Gedanke,
mir eine Giraffe zu kaufen, wäre mir wahrscheinlich trotzdem nicht ge-
kommen, wenn nicht gerade mein Onkel Ierobeam seinen 80. Geburts-
tag gefeiert hätte. Aber die außergewöhnlich schweren Weine, die bei
diesem Anlasse getrunken wurden, zeugten auch außergewöhnliche
Ideen, und der Katerbummel in den Zoologischen Garten lenkte die
geistigen Kräfte eben allzusehr auf das derartige Gebiet. Und dann
kam dazu das dumme Mitleid mit unglücklichen alten Personen.

Saß da ein GreiS mit Gummizugstiefeln und von einer solchen
Scbnauzbärtigkeit, daß man ihn gar zu gerne mit pfeffel selig an-
geredet hätte: .Gott grüß' dick, Alter, schmeckt das Pfeifchen?' ...
aber er kauerte so tiefgebeugt auf seiner Rasenbank, als ob der Maß-
krug vor ihm seine Eltern-Urnc wäre, und man sah nur allzu deut-
lich, daß die entblätterte Dirginia, die er traurig gesenkt hielt wie ein
Banner, ihm ganz und gar nicht schmeckte. Ich kam, sab und war aufs
tiefste gerührt. Was nach gutem Sekt ja immer sehr leicht der Fall
ist. Meine Rührung steigerte sich, als ich erfuhr, daß der Mann
Freudenreich hieß und um Erna, seinen kleinen Liebling, trauerte,

der dieses sonst so schönen Tages eben gestorben war. Auch mein
alter Onkel, der Geburtstagsgreis, schien vor Ergriffenheit zu weinen.
Freudenreich nickte ihm verständnisinnig ins Auge. .Und nich jcnug
damit,' sagte er und war also ein Preuße, .nu wollen sie ooch
noch Franziska verkoofen!" Mein Onkel verstummte vor Entsetzen,
mir entriß dasselbe die zitternde Frage: .Verkaufen??' Wieder
nickte der Schnauzbart — (zeigt her! Ein Türkenkopf aus rotemTon?)
— »Sie müssen,' klagte er, »sie müssen — sonst verhungert et ooch
noch, det arme Tier!' Als sich herausstellte, was die scharfsinnigsten
meiner Leser längst ahnen, nämlich daß Erna selig und Franziska
Giraffen waren, gab mein Onkel eine Variation seines Universalge-
räusches an den Tag, es bedeutete dieses Rial zweifellos ein Lachen. Ich
liebe das fröhliche Lachen harmloser Greise über alles (namentlich
wenn sie einschlägige Erbonkel sind), und ich hoffte durch einen außer-
gewöhnlichen und munteren Einfall nicht nur ihn in seiner guten
Stimmung erhalten, sondern auck den alten Scknauzbart Freuden-
reich zur Heiterkeit bewegen zu können,- so beschloß Id) also, Franziska
zu kaufen. Zwar sagte mein Vetter Lothar, ich solle mir statt einer
Giraffe lieber einen richtigen männlichen Affen kaufen, denn dieser
Mann liebt Zweideutigkeiten, aber ick erwiderte ihm, der seinige ge-
ftele mir so wenig, daß ick von dieser Gattung gerne absähe, und blieb

zum hellen Vergnügen Freuden
reichö bei der Giraffe.

.Ganzrecht hast!" applaudierte
mein guter Onkel: .A Sd)iraffen
hat net a jeder und — War iS
War.' Darin halle er zlemlick
recht. Ich möä)le aber Interessen-
ten dock nickt verschweigen, daß
Giraffen eine Ware sind, die sich
in unseren Gegenden im allge-
melnen nur zögernd absetzt. Dies
äußerte mein Vetter Lothar, der
alte Spaßverderber, übrigens schon damals, aber Onkelcken sagte:
»Ah was, Schnecken! Wann cr's net abseht, gbalt er's,- mer bat
ja doch sei' Freud' mit so an Viccherl!' Freudenreich bestätigte das.
.Und det kann ich Ihnen sagen', fügte er bei, »uff Ehrenwort: treu
is es, wie rin Hofhund — wie ein Hofhund, meine Herren, kann ick
Ihnen sagen!' Übrigens wäre es auch entlaust — und lammfromm —
und hypothekfrel, ich solle nur sofort an die Direktion telephonieren.
»Also los!' mahnte mein Onkel. »Immer feste druff! Bcati possi-
dentes!' Er gehört zu den gebildeten Greisen.

Da ich gegen bar kaufte, bekam id> zehn Prozent Rabatt und als
Zuwage den richtigen, männlichen Affen Amandus. Den fd>cnftc ick
aus Rache meinem Vetter.

Diese Racke war süß — für Lothar. Denn er vertauschte den Affen
nock vor Mitternacht an einen befreundeten, sehr modernen Kunst'
malergegen einen wundervollen Perserteppick (waschecht!). Der Maler
nämlick war porträtift. So nützte meine Gabe Vetter Lothar und der
Kunst. Ick mit meiner Franziska erlebte weniger Freude.

Sie denken vielleicht, man nimmt so eine frischgekaufte Giraffe ff
mir nichts, dir nichts und führt sie am Haltterband dahin Dem ist

654
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Sache mit Franziska"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1924
Entstehungsdatum (normiert)
1919 - 1929
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 161.1924, Nr. 4140, S. 654

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen