CD er C3ug endpreis von Oberßupfing / Gine fuflige Qefchicßte von Richard (Rieß
Alle Rechte Vorbehalten — Copyright by Braun 'S) Schneider, München
(Hermann Tillers, der Hamburger, der sich um Lu, die ein wenig burschikose
Tochter Kommerzienrat Schrammels, bewarb, hat sie wegen thre.s forschen Auf-
tretens „unmoralisch" genannt. Lu hat zufällig in der Zeitung gelesen, daß in
Oberhupfing ein „Tugendpreis" verliehen wird, und ist dorthin gefahren, um"
sich um diesen Preis zu bewerben. Die Jungfrauen des Dorfes sind bei der
preisrichtersttzung bereits alle durchgefallen, wohingegen Lu bei den Preis-
richtern den tiefsten Eindruck gemacht und den Preis gewonnen hat.)
(6. Forts.) DerplatzvormObcrwirtprangtingrünenReisern.Aufder Bankam
Kriegerdenkmal hat die Oberhupfinger Musikkapelle Aufstellung genommen:
Zwo Bläser und Toni, der Paukenschläger. Rechts und links stehen programm-
widrig zwei Dilettanten mit ihrer Mundharmonika. Um sich zur Geltung zu
bringen, spielen sie zumeist, wenn die Kapelle eine kurze Pause zu machen
hat. Seit den frühen Morgenstunden schon ist Leben auf dem Platze. Ober-
hupfing feiert.
Bald wird der Platz zur Bühne: Die Protagonisten und Chöre ziehen
auf. Zuerst diese: In einer Staubwolke, aus der „Fohhobel-Mustk" ein
bißchen dünn, aber doch, ertönt, kommen die Jünglinge von Großhupfing,
Jünglinge von fünfzehn bis fünfzig Jahren, und auch aus bärtigen Ge-
sichtern löst sich bisweilen ein mannhaft-fröhliches „Iuhuuu!" Sie haben
ihre Festtagsgcwänder an und tragen Medaillen und Kriegserinnerungen,
die Auszeichnungen ihrer Tapferkeit, quer über der Brust.
Bon der anderen Seite aber nahet der Zug der Jungfrauen. Weißgekleidet
erscheint, unter Absingung eines ehrsamen Liedes, die Damenschast der Gegend.
Bon ferne schon hört man sie singen:
Sei fromm und brav, o Zuuuugähnd,
Wie's sich gehöööören tut.
Und acht auf doine Tuuuu-ä-gänd,
Sie ist dein bästes Gut.
O Ilngling, bist du lo-hose
Und achtest moiner niiicht:
Die T-ugend gleicht der Ro-ose
Und hat auch Dorn, der sticht!
Bun erreichen die Spitzen der Züge den Platz und begrüßen einander mit
männigem Geschrei. Die Musik auf der Kriegerdenkmalsbank schweigt. Dafür
heben die Fotzhobel-Mustkanten des Iünglingszugs mit machtvollem Spiel
an. Und es beginnt der Iünglkngschor ein Lkedlein zu improvisieren:
Die Siilnde ist zu ta-adeln.
Obschon sie sähr där Brauch.
Seid's tugändhaft, ihr Ma-adeln,
Mir Buam find es auch.
Bleibt's stad in euerm Zi-ie-mer
Und gebt's mit 'n Tanz a Ruah
Und schließet fei net k-i-mer
Des Kammerfensterl zua!
„Jetzt seid's aber staad", ruft da eine Stimme vom Oberwirt her. Kein
anderer ist es, als Herr Gstettner Xaver in eigener hochamtlicher Persönlich-
keit. Er trägt einen Bratenrock und ein Lodenhüatl dazu und hält an der
Hand die tugendsame Ludovica, die mehr hüpft als geht, weil ihr der lange
weiße Rock um die Füße bammelt. Ihren Bubikopf ziert ein Kränzlein aus
Margueriten, und um den Hals trägt sie ein Kreuz. Und während Herr
Gstettner sie führt, hat sie nur einen Wunsch: „Herrgott, sende mir Fred oder
Peter jetzt her! Sie würden sterben. Bor Lachen nämlich."
Durch das Spalier der Oberhupfinger führt Gstettner seine Tugenddame
und stellt sie gerade unter das Ehrenportal „Lob der Tugend". Dann nimmt
er das Hüatl vom Haupte, schneuzt sich erst mal und beginnt also zu sprechen:
„Liebe Leut'!
„Auch im heurigen Jahr' ist, wie 's so der Brauch ist in Oberhupfing,
die Krönung der Tugend vorgenommen worden, worauf in mein' Saal der
Tanz zu seinem Rechte kommen wird. Auch ist für Regensburger, Dicke und
Weißwürscht in genügender Menge gesorgt. Helles ist vom Faß. Ihr werdet,
liebe Leut', bereits gemorken haben, daß die Rose der Tugend im heurigen
Jahr' keiner Oberhupfingerin zuteil geworden ist. Seit vorigem Sommer
hat nämlich das Heiraten sehr bei uns grassiert. Und die, wo noch net gehei-
rat' hab'n, bei denen war's erst recht nix. Auch falsche Zöpf' haben mit derer
Tugend nix z' toa. Dahingegen hat sich die hier vor euch stehende ehrbare
Jungfrau Ludovica Schrammel unsere Herzen im Fluge erobrtgkeitet (Zwi-
schenruf: Du alter Bazi, du scheinheiliger!) und so brechen wir denn zusammen
mit dem Rufe: ,Ein Hoch der Tugend. Heute und immerdar. Es lebe unser
deitsches Baterland sowie Oberhupfing und Umgegend st"
Man verursacht sofort einigen Lärm und spät, aber doch exerziert die
Musik, brav hintereinander, den Tusch. Schon will das Volk sich drängen,
schon streben die Züge der Buam und Madln zur Auflösung und paarweisen
Vereinigung, da windet sich ein Mann mit Sportshose und Sportsmütze, eine
pfeife im Munde, durch Oberhupfing und macht vor Gstettner, knapp neben
der Tugendpforte, halt. Ist's ein Detektiv, der da in die Ereignisse eingretft 7
Erträgt ein Ding unter dein Arm, das einige für ein Maschinengewehr halten.
Bein, es ist kein Detektiv. Aber etwas Ähnliches ist er: Film-Operateur
nennt er sich, und er bittet Herrn Gstettner und das Komitee sowie die preis-
gekrönte Tugend zu einer Großaufnahme. Soviel Sittsamkeit kann man der
Welt sa nicht eindringlich genug vorstellen.
Der Mann nimmt Ausstellung und fängt an zu kurbeln.
304
Alle Rechte Vorbehalten — Copyright by Braun 'S) Schneider, München
(Hermann Tillers, der Hamburger, der sich um Lu, die ein wenig burschikose
Tochter Kommerzienrat Schrammels, bewarb, hat sie wegen thre.s forschen Auf-
tretens „unmoralisch" genannt. Lu hat zufällig in der Zeitung gelesen, daß in
Oberhupfing ein „Tugendpreis" verliehen wird, und ist dorthin gefahren, um"
sich um diesen Preis zu bewerben. Die Jungfrauen des Dorfes sind bei der
preisrichtersttzung bereits alle durchgefallen, wohingegen Lu bei den Preis-
richtern den tiefsten Eindruck gemacht und den Preis gewonnen hat.)
(6. Forts.) DerplatzvormObcrwirtprangtingrünenReisern.Aufder Bankam
Kriegerdenkmal hat die Oberhupfinger Musikkapelle Aufstellung genommen:
Zwo Bläser und Toni, der Paukenschläger. Rechts und links stehen programm-
widrig zwei Dilettanten mit ihrer Mundharmonika. Um sich zur Geltung zu
bringen, spielen sie zumeist, wenn die Kapelle eine kurze Pause zu machen
hat. Seit den frühen Morgenstunden schon ist Leben auf dem Platze. Ober-
hupfing feiert.
Bald wird der Platz zur Bühne: Die Protagonisten und Chöre ziehen
auf. Zuerst diese: In einer Staubwolke, aus der „Fohhobel-Mustk" ein
bißchen dünn, aber doch, ertönt, kommen die Jünglinge von Großhupfing,
Jünglinge von fünfzehn bis fünfzig Jahren, und auch aus bärtigen Ge-
sichtern löst sich bisweilen ein mannhaft-fröhliches „Iuhuuu!" Sie haben
ihre Festtagsgcwänder an und tragen Medaillen und Kriegserinnerungen,
die Auszeichnungen ihrer Tapferkeit, quer über der Brust.
Bon der anderen Seite aber nahet der Zug der Jungfrauen. Weißgekleidet
erscheint, unter Absingung eines ehrsamen Liedes, die Damenschast der Gegend.
Bon ferne schon hört man sie singen:
Sei fromm und brav, o Zuuuugähnd,
Wie's sich gehöööören tut.
Und acht auf doine Tuuuu-ä-gänd,
Sie ist dein bästes Gut.
O Ilngling, bist du lo-hose
Und achtest moiner niiicht:
Die T-ugend gleicht der Ro-ose
Und hat auch Dorn, der sticht!
Bun erreichen die Spitzen der Züge den Platz und begrüßen einander mit
männigem Geschrei. Die Musik auf der Kriegerdenkmalsbank schweigt. Dafür
heben die Fotzhobel-Mustkanten des Iünglingszugs mit machtvollem Spiel
an. Und es beginnt der Iünglkngschor ein Lkedlein zu improvisieren:
Die Siilnde ist zu ta-adeln.
Obschon sie sähr där Brauch.
Seid's tugändhaft, ihr Ma-adeln,
Mir Buam find es auch.
Bleibt's stad in euerm Zi-ie-mer
Und gebt's mit 'n Tanz a Ruah
Und schließet fei net k-i-mer
Des Kammerfensterl zua!
„Jetzt seid's aber staad", ruft da eine Stimme vom Oberwirt her. Kein
anderer ist es, als Herr Gstettner Xaver in eigener hochamtlicher Persönlich-
keit. Er trägt einen Bratenrock und ein Lodenhüatl dazu und hält an der
Hand die tugendsame Ludovica, die mehr hüpft als geht, weil ihr der lange
weiße Rock um die Füße bammelt. Ihren Bubikopf ziert ein Kränzlein aus
Margueriten, und um den Hals trägt sie ein Kreuz. Und während Herr
Gstettner sie führt, hat sie nur einen Wunsch: „Herrgott, sende mir Fred oder
Peter jetzt her! Sie würden sterben. Bor Lachen nämlich."
Durch das Spalier der Oberhupfinger führt Gstettner seine Tugenddame
und stellt sie gerade unter das Ehrenportal „Lob der Tugend". Dann nimmt
er das Hüatl vom Haupte, schneuzt sich erst mal und beginnt also zu sprechen:
„Liebe Leut'!
„Auch im heurigen Jahr' ist, wie 's so der Brauch ist in Oberhupfing,
die Krönung der Tugend vorgenommen worden, worauf in mein' Saal der
Tanz zu seinem Rechte kommen wird. Auch ist für Regensburger, Dicke und
Weißwürscht in genügender Menge gesorgt. Helles ist vom Faß. Ihr werdet,
liebe Leut', bereits gemorken haben, daß die Rose der Tugend im heurigen
Jahr' keiner Oberhupfingerin zuteil geworden ist. Seit vorigem Sommer
hat nämlich das Heiraten sehr bei uns grassiert. Und die, wo noch net gehei-
rat' hab'n, bei denen war's erst recht nix. Auch falsche Zöpf' haben mit derer
Tugend nix z' toa. Dahingegen hat sich die hier vor euch stehende ehrbare
Jungfrau Ludovica Schrammel unsere Herzen im Fluge erobrtgkeitet (Zwi-
schenruf: Du alter Bazi, du scheinheiliger!) und so brechen wir denn zusammen
mit dem Rufe: ,Ein Hoch der Tugend. Heute und immerdar. Es lebe unser
deitsches Baterland sowie Oberhupfing und Umgegend st"
Man verursacht sofort einigen Lärm und spät, aber doch exerziert die
Musik, brav hintereinander, den Tusch. Schon will das Volk sich drängen,
schon streben die Züge der Buam und Madln zur Auflösung und paarweisen
Vereinigung, da windet sich ein Mann mit Sportshose und Sportsmütze, eine
pfeife im Munde, durch Oberhupfing und macht vor Gstettner, knapp neben
der Tugendpforte, halt. Ist's ein Detektiv, der da in die Ereignisse eingretft 7
Erträgt ein Ding unter dein Arm, das einige für ein Maschinengewehr halten.
Bein, es ist kein Detektiv. Aber etwas Ähnliches ist er: Film-Operateur
nennt er sich, und er bittet Herrn Gstettner und das Komitee sowie die preis-
gekrönte Tugend zu einer Großaufnahme. Soviel Sittsamkeit kann man der
Welt sa nicht eindringlich genug vorstellen.
Der Mann nimmt Ausstellung und fängt an zu kurbeln.
304
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Tugendpreis von Oberhupfing"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1925
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1930
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 162.1925, Nr. 4168, S. 304
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg