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mindestens 50 bis 60 Rätsel umfaßt, werden in manchen Wiener Kaffeehäusern nach streng kommerziellen Regeln Losungsworte getauscht
und gehandelt, wie seinerzeit im Weltkrieg die Wruken und das Maismehl. So war ich neulich im Cafe „Zentral" persönlich Zeuge
einer derartigen Rätseltransaktion, die sich übrigens nicht ganz reibungslos abzuwickeln schien. Denn ich hörte deutlich, wie der eine Ver-
tragspartner dem anderen zurief: „Sie sind wohl verrückt! Meine japanische Stadt woll'n Sie für Ihren schäbigen römischen Feld-
herrn? Wo Ihnen noch dazu fünf Buchstaben fehlen und mir nur zwei?!!!"

Die Eierkisten

Eine Ostergeschichte von Ernst Hoferichter

Der Profeffor Mar Tüftler war ein Mann, der an alles - was
er sah, hörte und erlebte, eine kleine Rechnung anschloß. Trank er
am Stammtisch Bier, so rechnete er am Heimweg aus, wie viel
Bier in der gleichen Zeit auf der ganzen Welt versoffen wird. Ging
er die Strecke vom Affenhaus bis zum Bahnhof in zehn Minuten,
so beschäftigte er sich gleich darauf mit der Frage — wie lange zum
gleichen Weg ein Radfahrer, Auto oder Kamel Zeit aufwenden müßte.

H?ute, an. Tag« vor Ostern, spazierte er durch den Wochenmarkt.
Kam an allerlei grünem Gemüse, spritzenden Fischfäffern und par-
fümiertem Räucherfleisch vorüber — und sab, wie hinter einem But-
terstand ein Schlofferlehrling ein knallrotes Osterei verspeiste. So-
fort oersuchte er zu errechnen — wie viel Ostereier in der gleichen
Farbe in der ganzen Stadt verschluckt werden. Erblieb stehen, denn
das war nicht leicht . . . Müßte man doch als Grundlage wiffen,
wieviel Prozent aller Eier so rot gefärbt werden! ... Ob nicht doch
mehr blaue oder grüne oder gelbe ins Gras, in den Korb oder auf den
Teller gelegt würden?

Daheim stolperte er über den Fußabstreifer, steckte statt des Hauö-
schlüffels den Füllfederhalter ins Schlüffelloch, erwartete im Schlaf-
zimmer das Mittagsmahl — aß aber bis zum Abend nichts und
sann mit dem Finger an der Nasenspitze immer und immer über
seine Ostereierrechnung nach.

Als von den Türmen mitternächtige Schläge herabsielen, die letzre
Straßenbahn durch die Schienen gerollt war, sank der Profeffor in
hoffnungsloser Müdigkeit wie ein Mehlsack, der
vom langen Tragen zu schwer geworden war,
aufs Bett hin. — — —

Er wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war

— da hörte er unten an der Hauötüre ein kräf-
tiges Läuten. So — als ob plötzlich die Feuer-
wehr vorübergefahren wäre . . . !

Er schlich sich ans Fenster — und sah auf die
Gaffehinab. Ein voll beladener Lastwagen stand
mit drei Männern vor dem Tor, die wollten
Einlaß. Er sprang mit einem Satz in Hose und
Wintermantel, über die Stiege — und öffnete.

„Sind Sie der Profeffor Mar Tüftler?"
fragten die Männer gleichzeitig wie ein abge-
ftimmtes Trio.

„Ja, was wollen Sie von mir mitten in der
Nacht?" — „Wir haben drei schwere Kisten

— Expreßgut. Speditionsfirma Simon und
Reim ..." — „Drei Kisten? . . . Ja, wie
komme ich zu dieser Sendung? Ich habe doch nichts bestellt! . . .
Wie heißt der Absender . . . ?"

Aber die Nacht war so tintenschwarz, daß nur der Anfangsbuch-
stabe „O" ... zu entziffern war.

„Dann bringen Sie die Kisten in Gottesnamen zu mirherauf!"

„Ja, was glauben Sie . . . ? Diese Kisten . . . ? Jede wiegt
fünf Zentner . . . ! Und jetzt um Mitternacht?!"

„Dann öffnen Sie wenigstens eine davon am Deckel mit dem
Brecheisen . . . ! Ich muß wiffen. was . . . !"

Und während die Spediteure sich umtaten, an einer Kiste den
Deckel zu erbrechen, sann der Profeffor bin und her, was wobl da
drinnen fein mochte . . .

Zuerst kam nur Holzwolle, grasgrüne Holzwolle hervor . . . Dann
Packpapier, viel viel Packpapier . . . !

Seine Neugierde war dem Zerplatzen nahe. Er durchflog alle Be-
stellunge», die er im letzten Vierteljahr gemacht hatte. Kräutertee
zu einer Frühjahrskur, drei Rechenschieber und eine Logarithmen-
tafel, eine Schnurrbartbinde und Insektenpulver hatte er bestellt. . .
Ja, und ein Gesangsliederbuch . . . ! Aber, um Gotteswillen, das
alles hätte zusammen in einer Rocktasche Platz gefunden . . . ! Und
jetzt stehen drei mammutartige Holzkisten ä fünf Zentner vor
ibm . . .

Der letzte Bogen Packpapier war entfernt — und etwas Uner-
kennbares glitzerte ihm entgegen. Zuerst hielt er es für Porzellan-
scherben. Als er aber näher hin sah, erkannte er, daß es — Eier-
schalen, lauter rote Oftereierschalen waren. Und was er in der ersten
Kiste erschaute, das lag auch in der zweiten und dritten!

Und jetzt konnte der Profeffor im dünnen Strahl des Mondlich-
tes auch den Absender lesen . . . „Osterhase"
stand mit Farbstift geschrieben auf jeder Kiste.

Ja, der Osterhase hatte, um ihm die hoff-
nungslose Rechnung nach der Zahl derverspeisten
roten Ostereier zu ersparen, — alle Schalen in
Kisten verpackt zugeschickt.

Und jetzt brauchte er nur aus diesen Schalen
die ursprüngliche Zahl der Eier zu erschließen.

Darüber zerbrach er sich mit einem jähen Knall
den Kops - und der Profeffor erwachte in seinem
Bett, als eben draußen vor dem Fenster apfel-
grün der Ostermorgen über die Dächer stieg.

Glocken sangen Auferftehungskunde — Auf-
erstehung von Zwang und Enge, aus totem
Denken und Grübeln, aus nichtsnutzigem Rech-
nen und Tüfteln riefen sie auch diesem Profeffor
ins Bett hinein.

Er wischte sich die letzten Traumfetzen aus
den Augen — und rechnete und sann nie mehr
über Dinge nach, die nicht zu ersinnen und zu errechnen waren.

Und so oft er dazu wieder in Versuchung geriet, dachte er an den
Traum dieser Nacht, in der ihm der Osterhase die drei Kisten voll
Eierschalen schickte. . .

Frühlings-Andacht

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Frühlings-Andacht"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stockmann, Hermann
Entstehungsdatum
um 1927
Entstehungsdatum (normiert)
1922 - 1932
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 166.1927, Nr. 4263, S. 182
 
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