Ich hielt es in der Hand und erbleichte zusehends. Nein, die Musen hatten
mit diesem Stücke nichts zu tun. Es hieß „Die Brigantenbraut" und nannte
sich Is-Detcktiv-Schlager.
Adoranta, ein unschuldiges Kind der Abruzzen, sollte von ihren brigan-
tinischen Eltern zum ersten Male in die Gesellschaft ekngeführt werden, d. h.
sie sollte bei einer Gauneret debütieren. Papa Bigklio weiht sie im ersten
Akte in seine Pläne ein.
„Eine furchtbar schwere Szene", klagte Doris. „Wenn wir die vielleicht
zusammen_" Gut so! Da ich nicht Romeo sein durfte, wollte ich wenigstens
Bigilio sein. Und wir lasen unter gewaltigem Stimmaufwand unseren Dialog.
B i g i l i o: Nun, Tochter, sollst du zeigen, ob du in Wahrheit mein Kind
bist. Den verruchten Krämern und Pfeffersäcken wollen wir Münze und
Ware abjagen. Bist du bereit zum Werke?
Adoranta: Ich fiebre vor Ungeduld. Doch was soll ich tun? Ich bin
ein schwach' Weib, ein Mädichen nur!
Bigilio: Weil du ein Weib bist, o Kind. Weil du, o Tochter, ein
Mädichen bist, darum sollst du Bigilios, des Königs der Abruzzen, Helferin
sein. Girrend gehst du hin und umspinnest unser Opfer mit deinem süßen
Lächeln. In Sicherheit gewiegt, gehet es neben dir. So bringst es zu mir ins
Haus und-(Das Weitere erstirbt im Flüstertöne.)
Das Weitere erstarb, der Regiebemerkung folgend im Flüstertöne. Was
aber raschelte da so verdächtig im Nebenzimmer? Doris errötete: „Was ist
das? Die Mama....!!??"
Wie nur in aller Welt sollte die Witwe Daube in das eheliche Schlaf-
zimmer derer von Bianco gelangen? Es hat sich später in erschrecklicher
Weise herausgestellt, was da eben geraschelt. Und ich will es jetzt schon er-
zählen : Kein anderer raschelte da als Guiseppo Bianco, der Früchtehändler,
der, vorzeitig heimgekehrt, sich auf sein Bett geschmissen und eines der von
ihm abonnierten Hefte „Die Sühne des verlorenen Kindes" zu lesen begonnen
hatte. Da aber war plötzlich der von uns verursachte, gröblich dramatische
Lärm an sein Ohr gedrungen und hatte den detektivisch geschärften Sinn
des klugen Südfrüchtehändlers angeregt. Bianco begann zu horchen. Und
horchend raschelte er. Und raschelnd hörte er. Hörte... o Gotto... die
finstere Verschwörung, die wir eben deklamierten. Er erbebte in den Grund-
festen seiner Bildung. Und schritt, während wir nebenan nichtsahnend im
dramatischen Unterrichte fortfuhren, zur Tat.
Doris und ich deklamierten, Szene für Szene, das schaurig-schöne Dicht-
werk. „Ausgezeichnet!" sagte ich, „Fräulein Doris, nur müßten Sie Ihr
verehrtes Organ noch etwas schulen. Sie müssen laut Sprechübungen machen.
Rezitieren Sie Freiligrathsche Balladen. Die machen das Rennen immer.
Sie wissen ja .Wüstenkönig ist der Löwe'."
Doris bekannte es. Sie brüllte „Wüüüüstenköööönig iiist der Löööööwe.
(Aber, wenn nur Main' nichts erfährt.,.)"
„Unbesorgt... sie weiß es gewiß schon."
„Um Himmels willen.. . das wäre ja furchtbar."
„Sie hat's doch auch in der Schule gelernt, daß der Löwe der König der
Tiere ist.."
„Ach so. Sie meinen. Dann gut. Also nochmals:
Wüüüüstenköööönig iiiist der Lööööwe,
Will er sein Kepiiet durchjaaaagen..."
„Bitte, nicht Kcpiiiiet, sondern Ge-biet..."
„Gerne... Nur ... ist da nicht eben die Tür ....?"
Ich kam zu keiner Erwiderung. Denn schon ward das Eß-KonversationS-
Gesellschastszimmer des Hauses Bianco aufgerlffen, und hereinschritt, sieg-
gewiß, der haus-herrliche Südfruchthändler, umgeben von zwo stattlichen
Polizisten.
„Ich hätt' das nicht von Ihnen gedacht, Herr Doktor?" sagte er gebrochenen
Deutsches. Gebrochener aber war ich selber: „Ja, was denn, um Himmels
willen?"
Und während Doris, am allergebrochensten, hinter der jahrzehntelang
ungereinigten Portiere Zuflucht suchte, zogen die Schutzleute die Handschellen
hervor, um das Verbrecherpaar festzunehmen.
Stumm wies ich aus Doris' Drama und gab den erstaunten Krimina-
listen die nötige Erklärung. Da wandte sie sich mit drohendem Blicke zu
Herrn Bianco, der von einem Beine auf das andere hüpfte und von einem
geradezu vehementen Achselzuckerleiden befallen wurde.
„Wo ich doch gehört Hab'.... mit eigenem Ohr..."
„A Kaschba bist, du greislicha Italiano", sagte der Schutzmann Huber,
der sich, wie es auf gut Münchnerisch so schön heißt, heftig „dableckt" fühlte.
Dann zogen die Hüter des Gesetzes selbdritt mit dem sich leise verkrümeln-
den Privatdetektiv ab.
„Fräulein Doris", sagte ich zaghaft. Die witschte aus ihrem Verstecke,
riß das Buch an sich, Hut auf, Iackettchen über den Arm und war ver-
schwunden.
Doris Daube ist nicht zur Bühne gegangen, obwohl sie, wie man mir
berichtete, als Adoranta einen stürmischen Erfolg errungen hatte. Nach der
Vorstellung soll sie mit der Versicherung, daß „Wüstenkönig der Löwe sei",
alle Herzen ungemein gerührt haben. Man hat es mir berichtet. Denn —
wiedergesehen habe ich Doris nimmer. Schauspielerin ist sie nicht geworden.
Als Mädchen aus guter Familie hatte sie einen Abscheu vor einer Kunst,
die so nahe ans Verbrechen grenze, daß schon der Versuch Schutzleute
heranziehe.
Doris Daube ist also Frau Amtsrichter Käfferlein geworden und Mama
des nun schon dritten Töchterchens. Ich glaube nicht, daß sie einem ihrer
Mädels gestatten wird, zur Bühne zu gehen.
Sebalds Haartinktur ist in ihrer Wirkung als Haarpflegemittel unerreicht, ganz besonders,
wenn durch die ständige, angestrengte, geistige Tätigkeit der unangenehme Ausfall der
Haare sich einstellt. Aber auch, wenn als Begleiterscheinung eine allgemeine Abspannung
sich fühlbar macht, wird ihre Anwendung als eine wirkliche Wohltat empfunden, denn
sie beruhigt und stärkt die Kopfnerven in ungeahnter Weife. Flasche 2. — und 4. - Mk.
Joh An-re SevalS, HilSeshsin,, gegr. 1868.
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