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ROSEN

Das neue Iabr brach an. Mit Lichtcrglanz und Gläserklang.
Singende, tanzende Frauen durchzogen die Straßen der Stadt, küß-
ten sich von Bar zu Bar, von Glas zu Glas, tranken sich satt an
Glück und Liebe für die versäumten Stunden des verflossenen Jahres
und für die Küsse, die zu küssen sie in den kommenden Monaten ver-
zichten müßten. Nicht so war Frau Bella Bobe. Sie saß hübsch brav
dakeim in ihrer schlichten Vierzimmerwobnung, las ein gutes Buch
und harrte der Dinge, die da kommen. Aber nichts kam. Nicht ein-
mal ihr Mann. Darob ward Frau Bella Bobe sehr traurig und
ging zeitig zu Bett. Am nächsten Morgen war ihr Mann noch nicht
dakeim. Frau Bella Bobe öffnete weit das Fenster, beugte sich hinaus,
um zu sehen, ob sie ihn nicht irgend-
wo lebend fände. Aber es war ver-
geblich. Da setzte sich Frau Bella
Bobeseufzendwiedcrüberein gutes
Buch und harrte der Dinge, die
da kommen.

Diesmal kam etwas. Nämlich
der Schornsteinfeger. „Wünsche
der gnädigen Frau ein glückliches
Prostneujahr." „Vielen Dank,"
öffnete Frau Bella Bobe dieBörse.

„O pardon," wehrte der Schorn-
steinfeger, „von der gnädigen Frau
nehme ich kein Geld." — „Nein?"

„Nie und nimmer.

„Ja." - „Was dann?" - „Von
der gnädigen Frau möchte ich gern
eine Blume." — „Was wollen Sie
damit machen?" - „An den Hut
stecken." Frau Bella Bobe senkte
den schweren Tituskopf. „Es gibt
also doch noch ideale Mensche» heut-
zutage. Ich habe es geahnt und
gefühlt. Einmal kommt der Tag.

Leider zu spät. Leider für mich zu
spät." Aber noch wehrte sie sich
gegen das Gefühl. „Sie kennen
mich ja garnicht." - „Ich habe Sie
schon so oft bewundert. Wenn Sie
ausgingen. Vorigen Herbst trugen
Sie einen wundervollen Hut mit
roten Rosen." — „So genau haben
Sie mich angesehen?" — „So
genau. Daher meine Bitte um
eine Blume." Da konnte Frau
Bella Bobe nicht länger widerstehen
und sic nestelte vorn von der Bluse
einen Veilchenftrauß los. Ihr Herz klopfte hörbar. Schnell preßte
sie die Blumen an ihre Lippe, eine sündige Träne fiel darauf. „Hier
— nehmen Sie —aber quälen Sie mich nicht weiter. Gehen Sie!"
Der Schornsteinfeger blieb stehen. „Gehen Sie doch. So gehen Sie
doch!" Aber er ging nicht. „Eine Rose, gnädige Frau, eine einzige
rote Rose." — „Die Blume der Liebe," atmete Frau Bella Bobe
schwer. Und sie ging ins Nebenzimmer, um eine rote Rose aus der

Kristallvase des Nachttisches zu holen. Dabei kippte sie das Bild
ihres Gatten entschlossen um. „Sind Sie jetzt glücklich ?" gab sie ihm
die Rose abgewandten Blickes. „Nicht so." Schamhaft hielt Frau
Bella Bobe den Blick gesenkt. Wartete der Dinge, die da kommen.
Und sie körte die Stimme: „Gnädige Frau, mißverstehen Sie mich
nicht. Ich will nichts Schlechtes von Ihnen. Aber ich hätte so gern
eine rote Rose. Von Ihrem alten Herbsthut. Für meine Frau." Da
reckte sich Frau Bella Bobe moralisch in die Höbe. „Was? Wie??
Ja, was erlauben Sie sich denn? Denken Sie, ich handle mit alte»
Hüten? Die Frechheit der kleinen Leute wird immer schlimmer. Hier
haben Sie fünfzig Pfennige und nun machen Sie, daß Sie raus-
kommen." Der Schornsteinfeger
zog von dannen. Er verstand die
Welt nicht mehr. Frau Bella Bobe
aber stellte das Bild ihres Gatten
wieder auf, setzte sich über ein gutes
Buch und dachte: „Wahre Liebe
kommt eben doch nur in Romanen
vor." I. H. ».

Unsere Prophezeiungen
für das Jahr 1928

Die Fünfzehnpfcnnigbriefmarke
wird das bevorzugte Kleidungsstück
des Sommers.

Auf den Azoren wird der erste
pensionsberechtigte Verkehrsschutz-
mann für Ozeanflieger ausgestellt
werden. „

Eine Berliner Bühne wird den
kühnen Versuch unternehme», das
Werk eines begabten deutschen
Dramatikers herauszubringen.

Zu Beginn der Wintersaison
wird die Premiere der Revue
„Ohne alles" stattfinden, bei der
die Tillergirls, oft kopiert, nie er.
reicht, zum Erstenmal ohne Haut
auftreten werden.

Die bildenden Künste erleben
eine unerwartete Blüte. Jedem
Künstler blüht der Besuch des
Vollstreckungesekretärs.

Am l. April erfolgt die endgültige Abschaffung der Geheim-
diplomatie, da es infolge der unaufbaltsamcn Fortschritte von Astro-
logie und Spiritismus überhaupt keine Geheimnisse mehr gibt.

Nachrichten über Katastrophen, Unfälle, Verbrechen und Selbst-
morde, werden immer seltener und hören schließlich ganz auf. Die
Zeitungen benötigen Ihren Gesamtraum für Sport.

Na di iv e i li n a di / s fr e u d e n
„Sie ziehen um??" - „Nee — ich tausche um."

2
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Nachweihnachtsfreuden"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Geis, Josef
Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 168.1928, Nr. 4300, S. 2

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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