W i e sie dem Onkel gratulierten . ♦ .
D i e Geschichte eines Neujahrswunsches von Ernst Hoferichler
Am Neujahrsmorgen zappelte die Familie Dachsberger in lodernder
Aufregung. Und alles ging drunter und drüber . . . Der Vater suchte die
Schnurrbartbinde im Nähkorb, Frau Dachsberger lief ihrer Haareinlage
nach, die sie schon aus dem Kopf trug und die kleine Franzi und der vier-
jährige Willy batten den Deckel des Laubfroschhauses berunkergestoßen,
so daß jetzt vier Protzen aus ihrem Winterschlaf erwachten, heraussprangen
und unter dem Kanapee hin und her hüpften.
„Schnell, schnell . . . fangt 's die Viecher ein, damit wir noch rechtzeitig
zum Gratulieren kommen . . ."
„Der wirb eine Freude haben, der Onkel Peter-wenn ihm die Kinder
ihr Neujahrsgedicht aussagen . . ."
„Eine gute Flasche stiftet er aus alle Fälle - wo er doch auch der Tauf-
pate von Willy ist . . ."
„Das ist immer schön, wenn die Verwandten zusamnien halten."
„Freilich - und gerade an einem Tage wie Neujahr, wo alles festlich
gestimmt ist . . .!"
So unterhielten sich die Dachsbergerischen, während sie der Franzi das
Haar anfeuchteten und dem Willy zum letzten Mal das Nasenbohren ver-
baten. Bald stand der Vater fix und
fertig vor dem Spiegelschrank, und hätte
man nicht gewußt, daß heute Neujahr
war, so wäre die Annahme - es würde
zu einer Gründungsfeier der schweren
Artillerie auegerückt, berechtigt gewesen.
Feierlich schaukelten auf seiner Brust
die Veteranenvereinsorden und die Uhr-
kette nahm den freudigen Schwung
seines Leibes auf und schaukelte um die
Nabelgegend.
Mama batte den Hut mit Veilchen
aus Drahtstielen gewählt, weil er nickt
aufdringlich wirktund doch bemerktwird.
Und so zogen sie zur Gratulation
aus. — — — Er trug den aus-
gerollten Schirm Gewehr über
und sie schwang ihren Beutel mit
Zimmtsternen und Mandelplätz-
chen als Geschenk wie ein Wcih-
rauchsaß. Die Kinder liefen einen
Steinwurf weitvoraus undspiel-
ten „Eisenbahnfähren" . . .
So kamen sie an der Haus-
türe Onkel Peters an. Vater
Dachsberger ordnete in der Spie-
gelung des frisch geputzten Guck-
locks nochmals seine Orden und
die Gattin bog die Stiele ihrer
Veilchen zu neuem Wachstum in
die Höhe .... Drrrrrrr . . ..!
„Das freut mich aber, daß ihr
mich mir euern Neujahrsglück-
wünschen beehren wollt... Nur
hereinspaziert. . .!" rief Onkel
Peter und wies ihnen durch das
Gepfeife seiner Bronchien im
D' Lehr'
Der Kahenmichel und sei Bua
Fahr'n mitanand da Schranna zua
Der Schimmel tanzt schön stad daher
Der Mich! gibt dem Buam a Lehr':
„Bua" sagt er, „bleib nur allwei brav"
Na hast bei Nacht an gsundn Schlaf
Und in da Kircha stell di so,
Dah di der Pfarrer finden ko.
Wenn d' opfern muaht, so sei kein Tropf
Und gib an Pfennig statt an Knopf,
A Knopf im Haus is oft begehrt
Und mehra wia a Pfennig wert.
Dei Steuer zahl zum guatn End,
Damit dir's Glicht koan Ochsn pfändt,
Vergib a weng was allenfalls,
Do andern sagen aa net alls.
Wenn d' gscheidt sei willst, so tua di stelln,
Als kannst net über fünfi zähln.
Oft oana is zum Unglück gscheidt
Und mit da Dummheit kimmt ma weit.
sagen . . . Franzi, Willi . . .! Wo seid ihr denn . . .?" - „Ja, wo sind
denn euere Kinder . . .?" Während der Begrüßung waren sie durch die
offene Tür des Salons hineingewischt und spielte» dort weiter „Eisenbahn,
fahren" . . Willy batte Mutters Beutel mit den selbstgemachten Zimmt-
sternen erwischt, die zum „Speisewagen" gebraucht wurden. Und während
die ganze Familie auf der Suche nochmals das Stiegenbaus hinab lief,
batten sie im Salon aus der Kohlenkiste Brennstoff für die Lokomotive
gefaßt. . . Briketts wurden in den rosagläsernen Makartschalen aufge-
schichtet, Ruß und Asche gestreut, damit die Perserteppiche mehr Ähnlich-
keit mit Bahnhofpflaster bekamen . . .
Onkel Peter hielt sich am Türpfosten, da er als Erster die Bescherung
sah. Die Dachöbergerischen stürzten nach.
„Ja Kinder, was macht ihr denn da für eine Sauerei . . .?"
„Sichst es doch, Eisenbahn spielen wir . . . Wartet, in fünf Minuten
fahrt der erste Zug im neuen Jahre ab . . .!"
„Fratzen seid ihr, ganz ungezogene . schrie der Onkel. „Kinder, seid
schön brav und sagt euern Glückwunsch auf . . .!" riefen die Eltern. Aber
jetzt fiel ihnen der Anfang des Gedichtes nicht mehr ein. „Ihr habt
eueke Kinder fein erzogen, das muß ich
sagen..."
„Du, das verbitten wir uns ganz
energisch . . . gelt!"
„Was wollt ihr euch verbitten .. ?
Mit solchen Bankerten wollt ihr noch
ein Wort fallen laffen . . . Wie?"
„Und viel« laß ich noch fallen! Erft
recht ... ! Was geht dich die Erziehung
unserer Kinder an . . . ? Du hast als
Kind den Maikäfern die Köpfe abge-
bisien... Pfui Teufel...! Ein Schwein
warst du und überhaupt kein Kind . .!"
brüllte die beleidigte Mutter - und
warf die Kohlenstücke wieder in
die Kiste zurück. „Geh'n wir. ihr
habt daheim schönere Spielsachen
als euer Onkel hier ... Und wie
er ist, so könnt ihr immer noch
werden, bobr nicht wieder in der
Nase, Willy . . . und alle Leute
im Haus sagen 's, was das für-
anständige Kinder sind . . ."
dunklen Gange den Weg. „So
— und jetzt setzt 's euch . . .!"
„Nein die Kinder müffen zu-
erst ihr Gratulationsgedicht her-
Wenü d' raufa muaht, pack selber o,
Wenn's mehra fan, so laaf davo,
2lm Äbrign erfüll dei Pflicht
Lind sag, du hast nix g'sehgn, bei Gricht!
Wenn d' heiratst, fuach dir oani aus,
De wo was einabringt ins Haus.
Hats große Hand, is aa koa Schadn
Weil d' Knödl um so gröha gratn.
Bersichr 's Haus gegn Feuerbrunst,
Damit net abbrinnst umafunst!
Auf vamal flammts oft auf im Eck,
Wann d' Geld drauf hast auf Hypothek.
Beim Ackern druck an Pfluag in Noa'
Und b'funders. wenn er g'hört da G'moa!
Leb mit der Nachbarschaft in Fried,
Und spekulier auf dein Prosit.
So oft da Jagdherr auha roast,
Balangst an g'hörign Wildfchadn, woaht!
Sag aba nix davo - verstehst,
Wannst selbr a wengerl auhi gehst.
Gegn Stadtfrack muah ma höflich sei,
Ma bringts oft anders wieder ei;
Und wirk dir aa: Willst richti fahr».
So fei net faul und schmier an Karin.
Im Übrigen halt fleihi Haus!
Zvag Taler her und gibs net aus!
Tua d' Eltern ehrn - dann gehts dir wohl
Ö ha! Jazt kimmt da Pflasterzoll. ?. Z.
„Racker sind 's, leibhaftige
Teufel ... das sind 's ...! Und
für den Taufpaten war ich damals
gut genug ..."
„Den silbernen Taler schicken
wir dir umgebend per Post zu ...
Dan» sind wir fertig und ich pfeif
auf die ganze Verwandtschaft,
dös sag ich dir . . .!"
„Nichts lieber als das. . . ihr
könnt mir alle mit euern Ban-
kerten gestohlen werden... Habe
die Ehre . . !"
„Und du, du warst mir von je
her... Luft und naffer Staub..!"
So kamen sie auf ihrem Rück-
züge an die Haustüre, die ihnen
der Onkel Peter mit ziegelrotem
8
D i e Geschichte eines Neujahrswunsches von Ernst Hoferichler
Am Neujahrsmorgen zappelte die Familie Dachsberger in lodernder
Aufregung. Und alles ging drunter und drüber . . . Der Vater suchte die
Schnurrbartbinde im Nähkorb, Frau Dachsberger lief ihrer Haareinlage
nach, die sie schon aus dem Kopf trug und die kleine Franzi und der vier-
jährige Willy batten den Deckel des Laubfroschhauses berunkergestoßen,
so daß jetzt vier Protzen aus ihrem Winterschlaf erwachten, heraussprangen
und unter dem Kanapee hin und her hüpften.
„Schnell, schnell . . . fangt 's die Viecher ein, damit wir noch rechtzeitig
zum Gratulieren kommen . . ."
„Der wirb eine Freude haben, der Onkel Peter-wenn ihm die Kinder
ihr Neujahrsgedicht aussagen . . ."
„Eine gute Flasche stiftet er aus alle Fälle - wo er doch auch der Tauf-
pate von Willy ist . . ."
„Das ist immer schön, wenn die Verwandten zusamnien halten."
„Freilich - und gerade an einem Tage wie Neujahr, wo alles festlich
gestimmt ist . . .!"
So unterhielten sich die Dachsbergerischen, während sie der Franzi das
Haar anfeuchteten und dem Willy zum letzten Mal das Nasenbohren ver-
baten. Bald stand der Vater fix und
fertig vor dem Spiegelschrank, und hätte
man nicht gewußt, daß heute Neujahr
war, so wäre die Annahme - es würde
zu einer Gründungsfeier der schweren
Artillerie auegerückt, berechtigt gewesen.
Feierlich schaukelten auf seiner Brust
die Veteranenvereinsorden und die Uhr-
kette nahm den freudigen Schwung
seines Leibes auf und schaukelte um die
Nabelgegend.
Mama batte den Hut mit Veilchen
aus Drahtstielen gewählt, weil er nickt
aufdringlich wirktund doch bemerktwird.
Und so zogen sie zur Gratulation
aus. — — — Er trug den aus-
gerollten Schirm Gewehr über
und sie schwang ihren Beutel mit
Zimmtsternen und Mandelplätz-
chen als Geschenk wie ein Wcih-
rauchsaß. Die Kinder liefen einen
Steinwurf weitvoraus undspiel-
ten „Eisenbahnfähren" . . .
So kamen sie an der Haus-
türe Onkel Peters an. Vater
Dachsberger ordnete in der Spie-
gelung des frisch geputzten Guck-
locks nochmals seine Orden und
die Gattin bog die Stiele ihrer
Veilchen zu neuem Wachstum in
die Höhe .... Drrrrrrr . . ..!
„Das freut mich aber, daß ihr
mich mir euern Neujahrsglück-
wünschen beehren wollt... Nur
hereinspaziert. . .!" rief Onkel
Peter und wies ihnen durch das
Gepfeife seiner Bronchien im
D' Lehr'
Der Kahenmichel und sei Bua
Fahr'n mitanand da Schranna zua
Der Schimmel tanzt schön stad daher
Der Mich! gibt dem Buam a Lehr':
„Bua" sagt er, „bleib nur allwei brav"
Na hast bei Nacht an gsundn Schlaf
Und in da Kircha stell di so,
Dah di der Pfarrer finden ko.
Wenn d' opfern muaht, so sei kein Tropf
Und gib an Pfennig statt an Knopf,
A Knopf im Haus is oft begehrt
Und mehra wia a Pfennig wert.
Dei Steuer zahl zum guatn End,
Damit dir's Glicht koan Ochsn pfändt,
Vergib a weng was allenfalls,
Do andern sagen aa net alls.
Wenn d' gscheidt sei willst, so tua di stelln,
Als kannst net über fünfi zähln.
Oft oana is zum Unglück gscheidt
Und mit da Dummheit kimmt ma weit.
sagen . . . Franzi, Willi . . .! Wo seid ihr denn . . .?" - „Ja, wo sind
denn euere Kinder . . .?" Während der Begrüßung waren sie durch die
offene Tür des Salons hineingewischt und spielte» dort weiter „Eisenbahn,
fahren" . . Willy batte Mutters Beutel mit den selbstgemachten Zimmt-
sternen erwischt, die zum „Speisewagen" gebraucht wurden. Und während
die ganze Familie auf der Suche nochmals das Stiegenbaus hinab lief,
batten sie im Salon aus der Kohlenkiste Brennstoff für die Lokomotive
gefaßt. . . Briketts wurden in den rosagläsernen Makartschalen aufge-
schichtet, Ruß und Asche gestreut, damit die Perserteppiche mehr Ähnlich-
keit mit Bahnhofpflaster bekamen . . .
Onkel Peter hielt sich am Türpfosten, da er als Erster die Bescherung
sah. Die Dachöbergerischen stürzten nach.
„Ja Kinder, was macht ihr denn da für eine Sauerei . . .?"
„Sichst es doch, Eisenbahn spielen wir . . . Wartet, in fünf Minuten
fahrt der erste Zug im neuen Jahre ab . . .!"
„Fratzen seid ihr, ganz ungezogene . schrie der Onkel. „Kinder, seid
schön brav und sagt euern Glückwunsch auf . . .!" riefen die Eltern. Aber
jetzt fiel ihnen der Anfang des Gedichtes nicht mehr ein. „Ihr habt
eueke Kinder fein erzogen, das muß ich
sagen..."
„Du, das verbitten wir uns ganz
energisch . . . gelt!"
„Was wollt ihr euch verbitten .. ?
Mit solchen Bankerten wollt ihr noch
ein Wort fallen laffen . . . Wie?"
„Und viel« laß ich noch fallen! Erft
recht ... ! Was geht dich die Erziehung
unserer Kinder an . . . ? Du hast als
Kind den Maikäfern die Köpfe abge-
bisien... Pfui Teufel...! Ein Schwein
warst du und überhaupt kein Kind . .!"
brüllte die beleidigte Mutter - und
warf die Kohlenstücke wieder in
die Kiste zurück. „Geh'n wir. ihr
habt daheim schönere Spielsachen
als euer Onkel hier ... Und wie
er ist, so könnt ihr immer noch
werden, bobr nicht wieder in der
Nase, Willy . . . und alle Leute
im Haus sagen 's, was das für-
anständige Kinder sind . . ."
dunklen Gange den Weg. „So
— und jetzt setzt 's euch . . .!"
„Nein die Kinder müffen zu-
erst ihr Gratulationsgedicht her-
Wenü d' raufa muaht, pack selber o,
Wenn's mehra fan, so laaf davo,
2lm Äbrign erfüll dei Pflicht
Lind sag, du hast nix g'sehgn, bei Gricht!
Wenn d' heiratst, fuach dir oani aus,
De wo was einabringt ins Haus.
Hats große Hand, is aa koa Schadn
Weil d' Knödl um so gröha gratn.
Bersichr 's Haus gegn Feuerbrunst,
Damit net abbrinnst umafunst!
Auf vamal flammts oft auf im Eck,
Wann d' Geld drauf hast auf Hypothek.
Beim Ackern druck an Pfluag in Noa'
Und b'funders. wenn er g'hört da G'moa!
Leb mit der Nachbarschaft in Fried,
Und spekulier auf dein Prosit.
So oft da Jagdherr auha roast,
Balangst an g'hörign Wildfchadn, woaht!
Sag aba nix davo - verstehst,
Wannst selbr a wengerl auhi gehst.
Gegn Stadtfrack muah ma höflich sei,
Ma bringts oft anders wieder ei;
Und wirk dir aa: Willst richti fahr».
So fei net faul und schmier an Karin.
Im Übrigen halt fleihi Haus!
Zvag Taler her und gibs net aus!
Tua d' Eltern ehrn - dann gehts dir wohl
Ö ha! Jazt kimmt da Pflasterzoll. ?. Z.
„Racker sind 's, leibhaftige
Teufel ... das sind 's ...! Und
für den Taufpaten war ich damals
gut genug ..."
„Den silbernen Taler schicken
wir dir umgebend per Post zu ...
Dan» sind wir fertig und ich pfeif
auf die ganze Verwandtschaft,
dös sag ich dir . . .!"
„Nichts lieber als das. . . ihr
könnt mir alle mit euern Ban-
kerten gestohlen werden... Habe
die Ehre . . !"
„Und du, du warst mir von je
her... Luft und naffer Staub..!"
So kamen sie auf ihrem Rück-
züge an die Haustüre, die ihnen
der Onkel Peter mit ziegelrotem
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"D' Lehr'"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 168.1928, Nr. 4300, S. 8
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg