ZAUBER UM ZAUBER
EIN MÄRCHEN VON FRIEDRICH FREKSA
Dr. Ioelson, der Ehesckeidungsspezialist, sprach autoritativ: „Einen
Dreck ist unsere Zivilisation wert! Mit der Preisgabe der köchsten Gaben
der Menschheit wurde sie erkaust! Denken Sie an Fernsichtigkeit, Zauber-
künde, Steigerung sämtlicher SinneSempfindunge», die es den alten
Priestern ermöglichten, allgegenwärtig auf Erden zu sein! Lesen Sie
Dacquö, Kemmerich."
Aus dem Dunkel des Zimmers näherte sich dem dämmernden Fenster
Alaugsons flachsblonder Kops. Sein rotbronzenes Gesicht erschien wie ein
paliniertes Metall, das Weisi seiner Augen glänzte schwach. „Ich will
Ihnen eine Geschichte erzählen, Ioelson," sagte er, „die Sie vielleicht zur
Besinnung bringt!
Als ich mit Cedrick von Bagdad nach Damaskus flog, kamen wir hinter
MoffuI in einen Sandsturm. Der Motor schnaufte. Irgendwie mußte Sand
in feinere Teile der Maschine eingedrunge» sein.
Knapp konnte ich mich aus der Bö nach oben binausdrebe» und begann
nach fünfzig Kilometern zu gleiten. Da sahen wir unter uns ein kleines
Tälchen, in dem sich einige Fruchtbäume wiegte». Hier landete» wir glatt
und machten uns sofort an die Arbeit, die Störung zu beheben. Da Cedrick
über Durst klagte, ging ich zu den Bäumen, fand eine sickernde Quelle und
bei der Quelle einen Mann mit blutigem Kopf. Ich wusch und verband
ihn, und alsbald kam er wieder zu Bewußtsein.
Nachdem er sich erholt hatte, sagte er zu mir in einem altertümlichen
Italienisch: „Fremdling, du hast mir einen großen Dienst erwiesen! Du
hast die Todesmacht dieses Mauersteins, der
auf mich fiel, von mir genommen! Das soll
dir von Mobamed ben Asiar nicht ungedankt
bleiben! Ich bin der Bewahrer der Geheim-
nisse dieses Wadi, und zur Belohnung werde
ich dir ein Wunder zeigen, das du deinen
Enkel» erzählen mögest. Noch in dieser Nacht
werde ich dich nach El Asiar führe», einem
Schlosie der Wüste, das von hier siebe»
Kamelreisen entfernt ist, und im Morgen-
grauen werden wir wieder zurück sein."
Ich verständigte Cedrick, der bei der Ma-
schine blieb, und suchte meinen Gastfreund
ans, der mich, malerisch in dunkelbraune Ge-
wänder gekleidet, ans Ende des Wadi führte.
Hier öffnete er eine Pforte im Felsen. Er
bat mich zu warten und rollte nach einiger
Zeit ein Gestell aus der Höhle, das einem
großen Pferde glich.
Feierlich sagte mein Gastfreund zu mir:
„Ich setze mich seht i» den Sattel und du
steigst hinten auf. Halte dich fest an meinem
Gürtel, in vier Stunden wollen wir in El
Asiar sein!"
Danach drehte er einen Hebel am Halse
des Tieres, das sich alsbald in die Lüfte erhob,
und wir fuhren nun dabin in der milchweißen Nacht. Ich muß Ihnen
freilich gestehen, die Art des Sitzes war mir sehr unbequem und unange-
nehm, da ich die gewohnte Rückenlehne von meinem Flugzeug vermißte, doch
wollte ich als Europäervor diesem farbigen Gentleman nicht schwach erscheine».
Ei» Teil unserer Reise war genau der gleiche wie der Flug von Mosiul
»ach dem Wadi, und ich stellte fest, daß unser merkwürdiger Pserdeaeroplan
eine altertümliche Geschwindigkeit von vielleicht fünfundsiebzig Stunden-
kilometern hatte. Die Landung war interesiant. Ohne Holz zu mache»
setzten wir uns auf das flache Dach des Wüstenschlosies, desie» Steine
weiß schimmerten. Alsbald klatschte Mobamed ben Asiar in die Hände,
und es erschien ein dunkelfarbiger Mann mit weißem Turban, der uns
Früchte brachte undeine» ausgezeichneten Kaffee bereitete. Mohamed wartete,
bis ich mich gelabt hatte. Dann bub er an: „Fremdling, ich sehe, dein
Herz fleht noch still über das erlebte Wunder."
„Eine feine, altertümliche Arbeit!" lobte ich und wies auf das Pferd.
„Gewiß," sagte Mobamed, „dieses Pferd ist schon über zweitausend
Jahre alt und du wirst vielleicht von ihm gehört haben aus de» Märchen,
die einst die Prinzesii» Dscheherasade epzählt hat. In der Tat wurde einmal
von einem Inder des großen Kai Chosru Tochter mit diesem Pferde entführt.
„Hübsch!" sagte ich, „sehr interesiant! Aber, Mohamed, wenn du mich
zurückgefübrt hast, mache ich mich anheischig und setze dich hier in ein und
einer viertel Stunde ab. Allerdings nicht auf dem Dache."
„Fremdling!" sagte Mobamed, „willst du mich verhöhnen? Tue das
nicht, denn du bist meiner Dankbarkeit wert geworden."
„Nein, Mohamed," sagte ich, „wetten wir! Bei den heutigen Wind-
und Luftverhältniffen bin ich in ein und einer viertel Stunde hier."
„Und was soll der Preis der Wette sein?" fragte Mohamed.
„0," sagte ich, „hunderttausend Dollar!" - „Was ist Dollar?" fragte
Mohamed. „Das ist Geld! Silber!" sagte ich. „So setze ich zehntausend
Goldtommane dagegen!"
„Abgemacht!" sagte ich. Wir stiegen wieder auf dieses altertümliche
Holzfahrzeug, starteten und kamen auch glücklich nach vier Stunden in
unserem Wadi an. Cedrick wartete und fragte: „Wann geht es weiter?"
„Noch nicht!" sagte ich. „Mach alles
fertig, ich will diesem Herrn unser Flugzeug
verführen!"
Der Propeller wurde angeworfen. Mo-
bamed nahm Platz zwischen uns. Sei» Gesicht
war ängstlich. „Schreit diese Riesenwespe
nach Menschenfleisch?" fragte er. Ich be-
ruhigte ihn: „Weisester aller Magier, sie
freut sich nur, in die Lüfte zu steigen!"
Nach einem etwas mühseligen Start, da
der Sand allzu locker war, hoben wir uns,
und nach gut siebzig Minuten ging ich bei
El Asiar nieder.
Staunend hatte Mobamed alles erlebt.
„Vor Morgengrauen muß ich wieder zurück
sein!" bat er.
„Soll geschehe», alter Herr!" erwiderte
Cedrick. Und da wir in einem günstige»
Winde schwammen, setzten wir nach fünzig
Minuten Mohamed ben Asiar wohlbehalten
wieder ab.
„Dieses Wunder ist sehr groß!" sagte
der Scheich, „aber ich will dir nun ein an-
deres zeigen, das du gewiß nicht zu über-
bieten vermagst!"
Und er führte mich durch die Pforte in
seine Höhle, entzündete dort Lampen, und wir saßen auf kostbaren, schönen
alten Teppichen. Mobamed setzte ei» Rauchbecken in Brand, das wohl-
riechenden Dampf verbreitete. Langsani wiegte er den Kopf bin und her.
Dan» sprach es aus ihm mit einer fernen Stimme: „Ich sehe deinen
Bruder, Herr! Er sitzt zur Stunde, während hier die Sonne aufzugehen
beginnt, von der Nacht umfangen in seinem Bett. Er ist ratlos. Schmerzen
verzerren sein Gesicht. Er klingelt.
„Danke, Mohamed!" sagte ich. „Kannst du ihn nicht verständigen, daß
er augenblicklich meinen Rat befolgt und etwas Glaubersalz nimmt? Denn
ich kenne ihn. Er hat sich wieder keine Bewegung gemacht und leidet nun
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EIN MÄRCHEN VON FRIEDRICH FREKSA
Dr. Ioelson, der Ehesckeidungsspezialist, sprach autoritativ: „Einen
Dreck ist unsere Zivilisation wert! Mit der Preisgabe der köchsten Gaben
der Menschheit wurde sie erkaust! Denken Sie an Fernsichtigkeit, Zauber-
künde, Steigerung sämtlicher SinneSempfindunge», die es den alten
Priestern ermöglichten, allgegenwärtig auf Erden zu sein! Lesen Sie
Dacquö, Kemmerich."
Aus dem Dunkel des Zimmers näherte sich dem dämmernden Fenster
Alaugsons flachsblonder Kops. Sein rotbronzenes Gesicht erschien wie ein
paliniertes Metall, das Weisi seiner Augen glänzte schwach. „Ich will
Ihnen eine Geschichte erzählen, Ioelson," sagte er, „die Sie vielleicht zur
Besinnung bringt!
Als ich mit Cedrick von Bagdad nach Damaskus flog, kamen wir hinter
MoffuI in einen Sandsturm. Der Motor schnaufte. Irgendwie mußte Sand
in feinere Teile der Maschine eingedrunge» sein.
Knapp konnte ich mich aus der Bö nach oben binausdrebe» und begann
nach fünfzig Kilometern zu gleiten. Da sahen wir unter uns ein kleines
Tälchen, in dem sich einige Fruchtbäume wiegte». Hier landete» wir glatt
und machten uns sofort an die Arbeit, die Störung zu beheben. Da Cedrick
über Durst klagte, ging ich zu den Bäumen, fand eine sickernde Quelle und
bei der Quelle einen Mann mit blutigem Kopf. Ich wusch und verband
ihn, und alsbald kam er wieder zu Bewußtsein.
Nachdem er sich erholt hatte, sagte er zu mir in einem altertümlichen
Italienisch: „Fremdling, du hast mir einen großen Dienst erwiesen! Du
hast die Todesmacht dieses Mauersteins, der
auf mich fiel, von mir genommen! Das soll
dir von Mobamed ben Asiar nicht ungedankt
bleiben! Ich bin der Bewahrer der Geheim-
nisse dieses Wadi, und zur Belohnung werde
ich dir ein Wunder zeigen, das du deinen
Enkel» erzählen mögest. Noch in dieser Nacht
werde ich dich nach El Asiar führe», einem
Schlosie der Wüste, das von hier siebe»
Kamelreisen entfernt ist, und im Morgen-
grauen werden wir wieder zurück sein."
Ich verständigte Cedrick, der bei der Ma-
schine blieb, und suchte meinen Gastfreund
ans, der mich, malerisch in dunkelbraune Ge-
wänder gekleidet, ans Ende des Wadi führte.
Hier öffnete er eine Pforte im Felsen. Er
bat mich zu warten und rollte nach einiger
Zeit ein Gestell aus der Höhle, das einem
großen Pferde glich.
Feierlich sagte mein Gastfreund zu mir:
„Ich setze mich seht i» den Sattel und du
steigst hinten auf. Halte dich fest an meinem
Gürtel, in vier Stunden wollen wir in El
Asiar sein!"
Danach drehte er einen Hebel am Halse
des Tieres, das sich alsbald in die Lüfte erhob,
und wir fuhren nun dabin in der milchweißen Nacht. Ich muß Ihnen
freilich gestehen, die Art des Sitzes war mir sehr unbequem und unange-
nehm, da ich die gewohnte Rückenlehne von meinem Flugzeug vermißte, doch
wollte ich als Europäervor diesem farbigen Gentleman nicht schwach erscheine».
Ei» Teil unserer Reise war genau der gleiche wie der Flug von Mosiul
»ach dem Wadi, und ich stellte fest, daß unser merkwürdiger Pserdeaeroplan
eine altertümliche Geschwindigkeit von vielleicht fünfundsiebzig Stunden-
kilometern hatte. Die Landung war interesiant. Ohne Holz zu mache»
setzten wir uns auf das flache Dach des Wüstenschlosies, desie» Steine
weiß schimmerten. Alsbald klatschte Mobamed ben Asiar in die Hände,
und es erschien ein dunkelfarbiger Mann mit weißem Turban, der uns
Früchte brachte undeine» ausgezeichneten Kaffee bereitete. Mohamed wartete,
bis ich mich gelabt hatte. Dann bub er an: „Fremdling, ich sehe, dein
Herz fleht noch still über das erlebte Wunder."
„Eine feine, altertümliche Arbeit!" lobte ich und wies auf das Pferd.
„Gewiß," sagte Mobamed, „dieses Pferd ist schon über zweitausend
Jahre alt und du wirst vielleicht von ihm gehört haben aus de» Märchen,
die einst die Prinzesii» Dscheherasade epzählt hat. In der Tat wurde einmal
von einem Inder des großen Kai Chosru Tochter mit diesem Pferde entführt.
„Hübsch!" sagte ich, „sehr interesiant! Aber, Mohamed, wenn du mich
zurückgefübrt hast, mache ich mich anheischig und setze dich hier in ein und
einer viertel Stunde ab. Allerdings nicht auf dem Dache."
„Fremdling!" sagte Mobamed, „willst du mich verhöhnen? Tue das
nicht, denn du bist meiner Dankbarkeit wert geworden."
„Nein, Mohamed," sagte ich, „wetten wir! Bei den heutigen Wind-
und Luftverhältniffen bin ich in ein und einer viertel Stunde hier."
„Und was soll der Preis der Wette sein?" fragte Mohamed.
„0," sagte ich, „hunderttausend Dollar!" - „Was ist Dollar?" fragte
Mohamed. „Das ist Geld! Silber!" sagte ich. „So setze ich zehntausend
Goldtommane dagegen!"
„Abgemacht!" sagte ich. Wir stiegen wieder auf dieses altertümliche
Holzfahrzeug, starteten und kamen auch glücklich nach vier Stunden in
unserem Wadi an. Cedrick wartete und fragte: „Wann geht es weiter?"
„Noch nicht!" sagte ich. „Mach alles
fertig, ich will diesem Herrn unser Flugzeug
verführen!"
Der Propeller wurde angeworfen. Mo-
bamed nahm Platz zwischen uns. Sei» Gesicht
war ängstlich. „Schreit diese Riesenwespe
nach Menschenfleisch?" fragte er. Ich be-
ruhigte ihn: „Weisester aller Magier, sie
freut sich nur, in die Lüfte zu steigen!"
Nach einem etwas mühseligen Start, da
der Sand allzu locker war, hoben wir uns,
und nach gut siebzig Minuten ging ich bei
El Asiar nieder.
Staunend hatte Mobamed alles erlebt.
„Vor Morgengrauen muß ich wieder zurück
sein!" bat er.
„Soll geschehe», alter Herr!" erwiderte
Cedrick. Und da wir in einem günstige»
Winde schwammen, setzten wir nach fünzig
Minuten Mohamed ben Asiar wohlbehalten
wieder ab.
„Dieses Wunder ist sehr groß!" sagte
der Scheich, „aber ich will dir nun ein an-
deres zeigen, das du gewiß nicht zu über-
bieten vermagst!"
Und er führte mich durch die Pforte in
seine Höhle, entzündete dort Lampen, und wir saßen auf kostbaren, schönen
alten Teppichen. Mobamed setzte ei» Rauchbecken in Brand, das wohl-
riechenden Dampf verbreitete. Langsani wiegte er den Kopf bin und her.
Dan» sprach es aus ihm mit einer fernen Stimme: „Ich sehe deinen
Bruder, Herr! Er sitzt zur Stunde, während hier die Sonne aufzugehen
beginnt, von der Nacht umfangen in seinem Bett. Er ist ratlos. Schmerzen
verzerren sein Gesicht. Er klingelt.
„Danke, Mohamed!" sagte ich. „Kannst du ihn nicht verständigen, daß
er augenblicklich meinen Rat befolgt und etwas Glaubersalz nimmt? Denn
ich kenne ihn. Er hat sich wieder keine Bewegung gemacht und leidet nun
20
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Friseur"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 168.1928, Nr. 4301, S. 20
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg