Flaum ist feige. Flaum ist furchtbar feige. Er vermeidet ängstlich
jeden Streit. Kauft er sich eine Fahrkarte, fragt der Beamte: „Und?"
„Verzeihen Siz gütigst, aber ich möchte nach Wurzen." - „Welcher
Klaffe?" - „Verzeihen Sie gütigst, aber dritter."
Und dann hält er das Fahrgeld immer abgezäblt bereit.
Vor jedem Betrunkenen macht Flaum einen großen Bogen.
Hunde und Kinder sieht er überhaupt nicht an.
Er fragt nie nach dem Weg. Lieber verläuft er sich.
Fährt er Straßenbahn und der Wagen füllt sich, steigt Flau»,
als vorsichtiger Mann aus. Er würde auch nie wagen, einer Dame
feinen Platz anzubieten. Andererseits traut er sich auch nicht sitze»
zu bleiben. Ergo hockt er immer
bald über feinem Platz und ist
heilfroh, wenn er wieder aus-
steigen darf.
Geht Flaum in ein Geschäft,
einen Schlips zu kaufen, nimmt
er den ersten, der ihm vorge-
legt wird. Hat der Verkäufer
falsch verstanden und bringt
eine Dose Vierfruchtmarmelade, nimmt Flaum die
Vierfruchtmarmelade. Warum soll er sich streiten?
Eines Tages gewinnt Flaum in der Wohltätig-
keitslotterie einen Gratiskurs.
In Tsiu-Tsitfu.
„Jeder Griff eine Leiche", steht auf dem Prospekt.
Flugs fäbrt Flaum hin.
„Verzeihen Sie gütigst, aber ich habe es um-
sonst." — „Ziehen Sie sich aus." - „Daß kein
Irrtum vorkommt", steht Flaum bedäppert, „ich will nicht raufen."
„Ich muß Ihnen doch die Griffe zeigen."
Flaum läßt es sich zeigen.
Bald macht er selbst Griffe. Stellt Beine, dreht Arme, rammelt
Rücken, kippt Kinne.
Schrecklich schön scheint das Flaum.
Endlich einmal kan» er feine Wut an den Menschen auslaffen.
Aber auf einen Match läßt er sich nicht ein.
Wozu auch? Er hat einen Gratiskurs und da darf
man ihm nichts tun. Das bat er schriftlich.
„Nun haben Sie ausgelernt, junger Mann", klopft ihm nach
zehn Unterrichtsstunden der Lehrer auf feinen unteren Rücken. Stolz
steigt Flaum die Treppe hinunter.
Auf der Straße kommt ihm ein besserer Herr entgegen.
„Jeder Griff eine Leiche", rammelt ihn Flaum an.
„Flegel!"
„Wie bitte?", dreht sich drobend Flaum um.
„Flegel!"
„Können Sie Tsiu-Tsitfu?" - „Natürlich."
„O pardon", macht Flaum
schnell weiter.
Ein Straßenauflauf scheint
ibm günstig.
Bisher ist er derartigen
Sachen tunlichst ausgewichen.
Q=Q 2ekt aber tritt er schnell hinzu
und zwängt sich in die Mitte.
„Drängeln Sie nicht so",
schimpft eine dicke Tante. - „Was heißt drängeln?
Gehen Sie in Ihren Grünwarenladen, wo Sie
hingebören!"
Und dabei dreht er ihr den Knöchel um.
„Was heißt denn das?", schreit das Weib.
„Non scholae, sed vitae discimus.1’
„Der Herr sind Ausländer, VerzeibenSie bitte",
läßt ihn die dicke Tante durch.
Stolz über diesen Sieg, marschiert Flaum in
eine Kneipe. „Wird man endlich bedient?", sitzt er noch nicht mal
richtig. „Die beide» Herren waren eher da", entschuldigt sich derWirt.
„Die Käsekeulchen dort drüben gehen mich einen Dreck an."
„Meinen Sie uns?", stehe» die zwei Herren auf. — „Wen denn
sonst?" - „MeinenSie uns?",ziehen diezweiHcrren ihre Jacken aus.
„Ja. Das heißt, nur einen von Ihnen." - „Wen von uns?"
Flaum sucht sich den kurzen Dicken aus. „Den da."
Da hat er auch schon eine im Gesicht.
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jeden Streit. Kauft er sich eine Fahrkarte, fragt der Beamte: „Und?"
„Verzeihen Siz gütigst, aber ich möchte nach Wurzen." - „Welcher
Klaffe?" - „Verzeihen Sie gütigst, aber dritter."
Und dann hält er das Fahrgeld immer abgezäblt bereit.
Vor jedem Betrunkenen macht Flaum einen großen Bogen.
Hunde und Kinder sieht er überhaupt nicht an.
Er fragt nie nach dem Weg. Lieber verläuft er sich.
Fährt er Straßenbahn und der Wagen füllt sich, steigt Flau»,
als vorsichtiger Mann aus. Er würde auch nie wagen, einer Dame
feinen Platz anzubieten. Andererseits traut er sich auch nicht sitze»
zu bleiben. Ergo hockt er immer
bald über feinem Platz und ist
heilfroh, wenn er wieder aus-
steigen darf.
Geht Flaum in ein Geschäft,
einen Schlips zu kaufen, nimmt
er den ersten, der ihm vorge-
legt wird. Hat der Verkäufer
falsch verstanden und bringt
eine Dose Vierfruchtmarmelade, nimmt Flaum die
Vierfruchtmarmelade. Warum soll er sich streiten?
Eines Tages gewinnt Flaum in der Wohltätig-
keitslotterie einen Gratiskurs.
In Tsiu-Tsitfu.
„Jeder Griff eine Leiche", steht auf dem Prospekt.
Flugs fäbrt Flaum hin.
„Verzeihen Sie gütigst, aber ich habe es um-
sonst." — „Ziehen Sie sich aus." - „Daß kein
Irrtum vorkommt", steht Flaum bedäppert, „ich will nicht raufen."
„Ich muß Ihnen doch die Griffe zeigen."
Flaum läßt es sich zeigen.
Bald macht er selbst Griffe. Stellt Beine, dreht Arme, rammelt
Rücken, kippt Kinne.
Schrecklich schön scheint das Flaum.
Endlich einmal kan» er feine Wut an den Menschen auslaffen.
Aber auf einen Match läßt er sich nicht ein.
Wozu auch? Er hat einen Gratiskurs und da darf
man ihm nichts tun. Das bat er schriftlich.
„Nun haben Sie ausgelernt, junger Mann", klopft ihm nach
zehn Unterrichtsstunden der Lehrer auf feinen unteren Rücken. Stolz
steigt Flaum die Treppe hinunter.
Auf der Straße kommt ihm ein besserer Herr entgegen.
„Jeder Griff eine Leiche", rammelt ihn Flaum an.
„Flegel!"
„Wie bitte?", dreht sich drobend Flaum um.
„Flegel!"
„Können Sie Tsiu-Tsitfu?" - „Natürlich."
„O pardon", macht Flaum
schnell weiter.
Ein Straßenauflauf scheint
ibm günstig.
Bisher ist er derartigen
Sachen tunlichst ausgewichen.
Q=Q 2ekt aber tritt er schnell hinzu
und zwängt sich in die Mitte.
„Drängeln Sie nicht so",
schimpft eine dicke Tante. - „Was heißt drängeln?
Gehen Sie in Ihren Grünwarenladen, wo Sie
hingebören!"
Und dabei dreht er ihr den Knöchel um.
„Was heißt denn das?", schreit das Weib.
„Non scholae, sed vitae discimus.1’
„Der Herr sind Ausländer, VerzeibenSie bitte",
läßt ihn die dicke Tante durch.
Stolz über diesen Sieg, marschiert Flaum in
eine Kneipe. „Wird man endlich bedient?", sitzt er noch nicht mal
richtig. „Die beide» Herren waren eher da", entschuldigt sich derWirt.
„Die Käsekeulchen dort drüben gehen mich einen Dreck an."
„Meinen Sie uns?", stehe» die zwei Herren auf. — „Wen denn
sonst?" - „MeinenSie uns?",ziehen diezweiHcrren ihre Jacken aus.
„Ja. Das heißt, nur einen von Ihnen." - „Wen von uns?"
Flaum sucht sich den kurzen Dicken aus. „Den da."
Da hat er auch schon eine im Gesicht.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Tsiu-Tsitsu"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 168.1928, Nr. 4302, S. 28
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg