tr-
Der Narr
Der Mond spannte in das
Herbergsdunkel eine silberne
Saite. Wenn ich lange darauf
hinsab, batte ich das Gefühl:
Die Saite muß klingen und
alle Mäuse in der muffigen,
wurmstichigen Herberge muffen
aufrascheln und tanze».
Neben mir lag ein alter
Student. Er erzählte mir von
der Sehnsucht seines ganzen
Lebens: Die Wartburg muffe
er sehen. Geschichte wolle er er-
leben: Romantik, Märchen-
buntheit. Die Wartburg wäre
sein Traum. Er habe schon im-
mer hingewollt; aber da sei der
Krieg ge kommen.Hernach hätten
die Mittel nicht gereicht, dann
habe er als Werkstudent lange
geschuftet; jetzt, wo er einen
kleinen Batzen übrig habe, sei
er von Königsberg losgezogen
und nun müffe er sie bald er-
leben, die Wartburg.
Wir wanderten zusammen
durch Wind und Wetter. Jedes
Stückchen Sonnenschein war
wie ein Fest für uns. Wir waren
durchnäßt, müde. Aber am
dritten Tage standen wir vor
Eisenach. Wir blickten lange
aus die Stadt bin. — —
Meine Augen suchten, in der
Ferne - die Wartburg. Da
lag sie: trutzig, eine alte Zau-
berin. Ich sah meinen Wander-
gesährten an, suchte in seinem Gesicht einen Hellen Jubel, ei» himm-
lisches Entzücken. — — Er blickte mich lange an, dann sagte er:
„Ach, der Mensch muß sich beberrschen können. — Er darf nicht
immer alles habe», was er will!" — - Und kaum hatte er das
gesagt, da' drehte er sich um, gab mir flüchtig die Hand und rannte
Hereingefallen
„Der liebe Gott ist überall." - „Überall, Herr Lehrer?" - „Jawohl."
„Auch in unserer Garage?" — „Auch in eurer Garage."
„Hib>, reingefallen. Wir haben nämlich gar keine Garage."
davon, auf dem Weg, den er
durch Wind und Regen einen
Monat lang gekommen war. -
- Ich stand wie angewurzelt
und wollte ihn zurückrufen. Er
aber drehte sich überhaupt nicht
mehr um. Ich sah nur noch, wie
er hastig mit dem Kopf schüttelte
und verschwand. Max 3imgm(fel
Splitter
Die meiste Zeit des Lebens
bringen wir damit zu, es zu
suchen.
M.
Es ist nicht wahr, daß die
Frauen nicht schweigen könnten:
Wie vieles verschweigen sie —
ihren Männern. A.R.
Lieber über das Ziel schießen,
als knapp davor Halt machen
müffen.
Auf der Reise durchs Leben
verbringt man die halbe Zeit
im Wartesaale. M.
Manche Frau bat ihren
Mann bester erzogen als die
Kinder. - 2.
Wer sich laut als mein Freund
bezeichnet, ist es bestimmt nicht.
Nur wer das Glück nicht
braucht — ist wirklich glücklich.
Es gibt Menschen, die mit
ihren Krankheiten einen wahren
Kult reiben. Ihre entsetzlichste Krankheit aber wäre es, gesund und
nicht mehr bedauerlich zu sein.
Manche schmerzliche Mißernte ist der Dünger für eine unfterb-
liche Frucht. ®>.
IM LAND DER TRÄUM
(Zu nebenstehendem Bild)
Die sinnende Jugend lauscht und hört.
Vom Ton des flüsternden Lieds betört;
Der Ton verwirklicht der Wunder viel!
Das Herz wird selber zum tönenden Spiel.
Aus schweren Zweigen ein Vorhang fällt;
Das Traumland sondert er von der
Welt.
Die Suchenden leitet keine Spur:
Das Traumland linden die Träumer nur.
Die Augen sind für die Erde blind.
Da sie dem Himmel viel näher sind.
Iin Herzen schlafen die Lieder zuhauf.
Im Traumland wachen sie alle auf!
Und wenn die silberne Saite klingt
Und das Herz mit den quillenden Tönen
schwingt
Und das Aug’ aufleuchtet mit träumendem Blick,
Dann wird sogar der Körper Musik!
Beda Hafen
E
Da tönen die Ffelsen! Da singt der Baum,
Da fiedelt das Bächlein im sprühenden Schaum
Auf seinem Marsche bei jedem Schritt,
Da klingen die Blumen und Blätter mit!
Die Geige hat einen seltsamen Klang:
Bald jauchzt sie frenetisch, bald schluchzt sie
bang.
Singt sie vom Leben? Singt sie vom Tod? -
Wie blickt die sinkende Sonne so rot?
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Der Narr
Der Mond spannte in das
Herbergsdunkel eine silberne
Saite. Wenn ich lange darauf
hinsab, batte ich das Gefühl:
Die Saite muß klingen und
alle Mäuse in der muffigen,
wurmstichigen Herberge muffen
aufrascheln und tanze».
Neben mir lag ein alter
Student. Er erzählte mir von
der Sehnsucht seines ganzen
Lebens: Die Wartburg muffe
er sehen. Geschichte wolle er er-
leben: Romantik, Märchen-
buntheit. Die Wartburg wäre
sein Traum. Er habe schon im-
mer hingewollt; aber da sei der
Krieg ge kommen.Hernach hätten
die Mittel nicht gereicht, dann
habe er als Werkstudent lange
geschuftet; jetzt, wo er einen
kleinen Batzen übrig habe, sei
er von Königsberg losgezogen
und nun müffe er sie bald er-
leben, die Wartburg.
Wir wanderten zusammen
durch Wind und Wetter. Jedes
Stückchen Sonnenschein war
wie ein Fest für uns. Wir waren
durchnäßt, müde. Aber am
dritten Tage standen wir vor
Eisenach. Wir blickten lange
aus die Stadt bin. — —
Meine Augen suchten, in der
Ferne - die Wartburg. Da
lag sie: trutzig, eine alte Zau-
berin. Ich sah meinen Wander-
gesährten an, suchte in seinem Gesicht einen Hellen Jubel, ei» himm-
lisches Entzücken. — — Er blickte mich lange an, dann sagte er:
„Ach, der Mensch muß sich beberrschen können. — Er darf nicht
immer alles habe», was er will!" — - Und kaum hatte er das
gesagt, da' drehte er sich um, gab mir flüchtig die Hand und rannte
Hereingefallen
„Der liebe Gott ist überall." - „Überall, Herr Lehrer?" - „Jawohl."
„Auch in unserer Garage?" — „Auch in eurer Garage."
„Hib>, reingefallen. Wir haben nämlich gar keine Garage."
davon, auf dem Weg, den er
durch Wind und Regen einen
Monat lang gekommen war. -
- Ich stand wie angewurzelt
und wollte ihn zurückrufen. Er
aber drehte sich überhaupt nicht
mehr um. Ich sah nur noch, wie
er hastig mit dem Kopf schüttelte
und verschwand. Max 3imgm(fel
Splitter
Die meiste Zeit des Lebens
bringen wir damit zu, es zu
suchen.
M.
Es ist nicht wahr, daß die
Frauen nicht schweigen könnten:
Wie vieles verschweigen sie —
ihren Männern. A.R.
Lieber über das Ziel schießen,
als knapp davor Halt machen
müffen.
Auf der Reise durchs Leben
verbringt man die halbe Zeit
im Wartesaale. M.
Manche Frau bat ihren
Mann bester erzogen als die
Kinder. - 2.
Wer sich laut als mein Freund
bezeichnet, ist es bestimmt nicht.
Nur wer das Glück nicht
braucht — ist wirklich glücklich.
Es gibt Menschen, die mit
ihren Krankheiten einen wahren
Kult reiben. Ihre entsetzlichste Krankheit aber wäre es, gesund und
nicht mehr bedauerlich zu sein.
Manche schmerzliche Mißernte ist der Dünger für eine unfterb-
liche Frucht. ®>.
IM LAND DER TRÄUM
(Zu nebenstehendem Bild)
Die sinnende Jugend lauscht und hört.
Vom Ton des flüsternden Lieds betört;
Der Ton verwirklicht der Wunder viel!
Das Herz wird selber zum tönenden Spiel.
Aus schweren Zweigen ein Vorhang fällt;
Das Traumland sondert er von der
Welt.
Die Suchenden leitet keine Spur:
Das Traumland linden die Träumer nur.
Die Augen sind für die Erde blind.
Da sie dem Himmel viel näher sind.
Iin Herzen schlafen die Lieder zuhauf.
Im Traumland wachen sie alle auf!
Und wenn die silberne Saite klingt
Und das Herz mit den quillenden Tönen
schwingt
Und das Aug’ aufleuchtet mit träumendem Blick,
Dann wird sogar der Körper Musik!
Beda Hafen
E
Da tönen die Ffelsen! Da singt der Baum,
Da fiedelt das Bächlein im sprühenden Schaum
Auf seinem Marsche bei jedem Schritt,
Da klingen die Blumen und Blätter mit!
Die Geige hat einen seltsamen Klang:
Bald jauchzt sie frenetisch, bald schluchzt sie
bang.
Singt sie vom Leben? Singt sie vom Tod? -
Wie blickt die sinkende Sonne so rot?
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Hereingefallen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 168.1928, Nr. 4303, S. 38
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg