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DIE FÜRSTIN DUGLÜROW

Eine Parodie auf moderne Schriftstellereien von Walter Weilshäuser

Der Vorraum des Welkhotels Grand Continental Ercelsior.
Nachläßigin die nachgiebige Schmiegsamkeit des geflochtenen Seffels
gelehnt, saß die Fürstin Katinka Duglurow, und die brillantenum-
sternten Finger flimmerten seltsam im taghellen Licht - so seltsam ...
Ja. Leise Musik rauschte über die weich pfühlenden, von bizarren
Mustern durchkreuzten Teppiche. Ein Telephon schrillte, - irgend-
woher . . .

Der Direktor desEtabliffementS, sein Einglas geschäftlich in der
breiten Hand schaukelnd, überblickte kübl das fashionable Getriebe,
daS im undurchdringlichen Rhythmus vor ihm auf und ab flutete.
Immer auf und ab. Das Telephon schrillte schon wieder. Der Direktor
kam im Schlenderschritt aus der Kabine und warf einem unschein-
baren Mann einen blitzschnell verständigenden Blick
zu. Dieser war der berüchtigteDetektiv Schnarzler.

Kein Muskel verrückte in den erzstarren, eis-
kalten Gesichtern der beiden Männer. Und
doch wußten sie, daß in diesem Augen-
blick die Mordkommission der Stadt
sich dem Excelsior näherte. Schnarz-
lers Hand tastete unauffällig nach dem
Browning in der Hintertasche.

Ben Sadi Pascha stand in seinem
weißen Burnuö an eine Säule gelehnt.

Er drehte eine schwanenhalsdünne Zi-
garette zwischen den nervösen Fingern.

Sein glimmender Blick haftete auf
der Fürstin. Ein Fluidum, fast zu greifen,
strömte aus dem unergründlichen Schwarz
seiner seetiesen Augen hinüber, ummantelte
die Tausendundeinenachtschönheit, krallte sich
in sie, wie die Tatzen einer asiatischen Raub-
katze . , . Süße und Leidenschaft sprang von
den Saiten der Geigen. Die Kelche klirrten
leise. „Du, o du . . .!"

Da — fahles Entsetzen. Der Inder im
Burnus verschwand. Der Hoteldirektor straffte
seine überaus straffe Gestalt noch straffer. Am rosenumwundenen
Eingang stand die grüne Uniform, unerbittlich, wie eine maulaus-
sperrende Nemesis.

Wer ist der Schuldige?

Das 50OO-- Flugzeug surrte durch die Nacht. Sterne blin-
zelten katarrhalisch, der Mond blickte hypochondrisch. Bald wehten
die hohen Palmen im Morgenwind. Da unten lagen spitze Zelte.
Der Raja entstieg dem schwankenden Schiff. Ein Wink — und ein
Privatzelt mit Badezimnwr baute sich in der sandgelben Öde auf.

„Jene Fürstin . . ." murmelte Ben Sadi, seine Faust krampste
sich um den goldverzierten Dolch, seine Locken spielten mit dem Mor-
genwind. Voll Leidenschaft richtete er seinen Blick in die Ferne. Es
war f-a — b-e-l-h-a-f — t... Da stieg eine Fata Morgan»
herauf. Die Fürstin Duglurow erschien, nur leicht bekleidet, in ihrem
feenhaft eingerichteten Schlafzimmer. „Ha!!!" schrie der Pascha voll
Liebeeschmerz. Ein Wink. Der Fakir stand vor ihm. Wie Schlangen

schlängelte sich sein Barthaar um seinen Körper. Seine Augen
glühten wie Martinööfen. Stumm wies der Radja auf die Morgan«.
Emi Trindanja verstand. Er konzentrierte sich. Blauschwebende
Düfte entstiegen der Kupferschale. Ambrakörner zerruchknällerten.
Und herbeigezwungen durch Telekinese, lag plötzlich die Fürstin Dug-
lurow vor den beiden aus schwellendem Diwan.

„Geliebte . ..". „O Geliebter...". Ein trunkenes Seufzen glitt
von beider Lippen. Ein Kuß vereint? letztere . . .

In der kleinen, schmutzigen Stube des Hinterhauses dermenschen-
durchbrausten Großstadt schwelte das Licht des Regentages. Groß-
mutter Agle, die Älteste dieses Verbrechergeschlechts, das hier
dumpfbrütend hauste, saß im Lebnstubl und kaute
ein Kügelchen Dynamik. Das erhielte sie jung,
sagte sie. Und da sie laut Kirchenregister schon
145 Jahre alt war, hatte sie das wohl
nötig. Krachend wurde die Tür aufge-
riffen. Der Reibekuchenkarl füllte den
Rahmen mit seiner massigen Gestalt.
„Morsen,Alte," begrüßte er achtungs-
los das Mütterchen. Dann legte er
das blinkende Meffer auf den Tisch.
Bald belebten sich die leeren Seiten
der Tafel. Emil, Ludewig, Ede, —sie
alle kamen und setzten sich schweigend,
trutzend saßen die Enakssöhne. Aber-
malS öffnete sich die Tür mit Krachen.
Der Älteste der Familie erschien, ein Her-
kules mit einem fürchterlichen Blick. Einem
fürchterlichen Blick. Denn er hatte ein Glas-
auge. Ein Zucken des Kopfes ries die Alte
herbei. „Wo ist Anna seit gestern?" Seine
Stimme grollte wie fernes Gewitter. Wieder-
holt klopfte er mit dem Tischmeffer an sein
Glasauge, um Ruhe zu heischen. Wo war
Anna? Keiner wußte es. Die harte Faust des
Mannes krampfte sich um die Tischecke, die zwischen seinen Fingern
blieb. Dann spuckte er aus und ging. Anna war verschollen, deren
bienenhafte Regsamkeit stets ein Erkleckliches zur Wirtschaftskaffe
beigesteuert hatte, wenn sie des Morgens . .. nach Hause kam, frisch
wie eine eben gebrochene Nelke.

Da nahte dasVerhängniS zu allem Schlimmen desTages. Groß-
mütterchen hatte ihr Kaukügelchen mit dem einzigen, ihr gebliebenen
Zahn verletzt, ein entsetzlicher Knall . . . Als die Feuerwehr kam,
fand sie nur einen rauchenden Trümmerhaufen.

In der Mondstadt Lunapolis saß in seinem silberglänzenden Hause
Ben Sadi Pascha, jetzt August Maier genannt. Er hatte sich von
einem einfachen indischen Fürsten zum Großkaufmann emporgearbeitet,
dem Mächtigsten der Metropole. Aus Geschäftsrücksichten änderte
er den Namen. Ein Lichtstgnal rief Boofke herbei, den treuen Diener
des Hauses. Lautlos glitt er auf einem leichten Gestell in das kirchen-
hohe Arbeitszimmer. Denn man ging in Lunapolis längst nicht mehr.

In Gedanken.

..Der Knabe hier auf dem Bilde ist mein
Großvater im Alter von zehn Jahren!"
..Unglaublich! Mit zehn Jahren schon
Großvater?"

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"In Gedanken"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 168.1928, Nr. 4303, S. 40

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