ABRÜSTUNG
Eine Zukunftsidee.
Resignation
Ich lese jetzt jeden Tag in den Zeitungen von „Ab-
rüstung" und „Völkerfrieden" und so. Ich bin selbst
ein ungewöhnlich friedfertiger Charakter und die
Idee gefällt mir ganz famos. Und wenn ich mir als
Laie einen Vorschlag erlauben dürfte - ich will ja
gar nicht den Nobelpreis dafür haben! - bloß, um
den Herren Politikern einen guten Tip zu geben ...
Ginge es nicht so: — Krieg gibt 'S also keinen
mehr. Gut. Abgemacht! — — — Aber schließlich
— es kann doch schon mal eine kleine Meinungs-
verschiedenheit zwischen zwei Ländern verkommen.
Oder, daß ein Staat dringend ein Endchen Land
braucht, das zufällig grad dem Nachbar gehört. Sowas pas-
siert ja in den besten Familien! Was macht man da ... ?
Ganz einfach! Jedes Land wählt alljährlich einen sogenannten
„Verantwortlichen Präsidenten." So ähnlich, wie die Zeitun-
gen ihren „Sitzredakteur" baden, der kontraktlich verpflichtet
ist, sich für sein Gehalt ein paarmal im Jahr einsperrc» zu
laste». Der verantwortliche Präsident braucht nichts zu können
als zu boxen. Meisterschaftlich zu boxen! Darauf kommt 's an.
Bricht nun zwischen zwei Staaten eine Differenz aus, dann
beißt das, beispielsweise, nicht mehr feindlich und verbiffen
„Abbruch der Beziehungen" und „England erklärt Frankreich
den Krieg." Sondern ganz schlicht: „England und Frankreich
treten miteinander in den Ring!" Und die kleine Mißstim-
migkeit wird auf anständige, sportliche Art ausgetrage» . . .
Ist das nicht «ine blendende Idee? Stellen Sie sich vor:
- sämtliche Nationen haben Gelegenheit gegen ein ent-
sprechendes Eintrittsgeld dem spannenden Kampf als Zuschauer
beizuwohnen. Aus purer „Gaudi!" Ei» Stadion in Mammut-
format biegt sich unter einem brcchendvollen Publikum. Das
sportliche Ereignis feffelt Hunderttausende zu spontaner Ob-
jektivität. Keine Schuldlüge mehr —keine ZeitungShetzcreien!
Höchstens, daß die internationalen Blätter verlautbart haben,
daß England „in ganz großer Form" sei, während Frankreich
zur Zeit mit einer auffallenden Indisposition zu kämpfen habe.
Was natürlich den Totalisator zu Gunsten Englands zu
schwindelhafter Höhe emporschnellen läßt. Aber was macht das
schon? Hauptsache ist, daß das politische Moment vollkommen
verdrängt wird von der reinen Begeisterung für sportliche
Leistung. Gelegentliche Zurufe aus dem Publikum, wie: „Gib 's
ibm, Ionny!" oder „Immer feste druff,Mare! Mach' Gulasch
aus dem Schwein!!", sind natürlich nichl als Antipathiekund-
gebung sondern lediglich als Ausdruck naiver Hingeriffenheit
zu buchen. Es kann sogar passieren, daß das Publikum seiner
Unzufriedenheit mit einem der Kämpfer durch höchstpersönliches
Eingreifen Ausdruck verleibt und ihn bis zur Unkenntlichkeit
vermöbelt. Aber das ist weiter nicht bös gemeint. Und immer
noch bester als Krieg. Meist sind die Leute durch einen reelle»
Kinnhaken,ein „aufgefchlagencs" Auge oder gründlich zertrümmertes
Nasenbein rasch wieder versöhnt. Und was gar könnte heutzutage
unmittelbarer und überzeugender wirke» als ein schlichtes Knockout??
Der Besiegte oder besten Überreste werden sodann von dem Sieger
Was ich früher als höchstes dachte
Unerreichbar kühnes Ziel, -
Daß ich heute drüber lachte,
Als mir’s in die Hände fiel!
Was ich früher häßlich nannte.
Falsch getan und falsch gedacht,
Endlich nun als recht erkannte.
Da ich’s nimmermehr vollbracht!
Sei gegrüßt, Resignation,
Die mich siegend hält - !
Glücklich, wer von deinem Thron
Lächelt in die Welt!
Hermann von Pfaundler
Der besorgte Schwiegersohn
.Sie Rohling! Werden Sie gleich meine Schwiegermaina los-
lasten!"
kameradschaftlich gebändishäkt und unter dem Iubelgeheul der Be-
völkerung ein paar mal im Ring herumgetragen. Und alles schwimmt
wieder in schönster Butter . . . Am nächsten Tag verkünden die Zei-
tungen sachlich und ohne gehässige Fußnoten: „Frankreich wurde von
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Eine Zukunftsidee.
Resignation
Ich lese jetzt jeden Tag in den Zeitungen von „Ab-
rüstung" und „Völkerfrieden" und so. Ich bin selbst
ein ungewöhnlich friedfertiger Charakter und die
Idee gefällt mir ganz famos. Und wenn ich mir als
Laie einen Vorschlag erlauben dürfte - ich will ja
gar nicht den Nobelpreis dafür haben! - bloß, um
den Herren Politikern einen guten Tip zu geben ...
Ginge es nicht so: — Krieg gibt 'S also keinen
mehr. Gut. Abgemacht! — — — Aber schließlich
— es kann doch schon mal eine kleine Meinungs-
verschiedenheit zwischen zwei Ländern verkommen.
Oder, daß ein Staat dringend ein Endchen Land
braucht, das zufällig grad dem Nachbar gehört. Sowas pas-
siert ja in den besten Familien! Was macht man da ... ?
Ganz einfach! Jedes Land wählt alljährlich einen sogenannten
„Verantwortlichen Präsidenten." So ähnlich, wie die Zeitun-
gen ihren „Sitzredakteur" baden, der kontraktlich verpflichtet
ist, sich für sein Gehalt ein paarmal im Jahr einsperrc» zu
laste». Der verantwortliche Präsident braucht nichts zu können
als zu boxen. Meisterschaftlich zu boxen! Darauf kommt 's an.
Bricht nun zwischen zwei Staaten eine Differenz aus, dann
beißt das, beispielsweise, nicht mehr feindlich und verbiffen
„Abbruch der Beziehungen" und „England erklärt Frankreich
den Krieg." Sondern ganz schlicht: „England und Frankreich
treten miteinander in den Ring!" Und die kleine Mißstim-
migkeit wird auf anständige, sportliche Art ausgetrage» . . .
Ist das nicht «ine blendende Idee? Stellen Sie sich vor:
- sämtliche Nationen haben Gelegenheit gegen ein ent-
sprechendes Eintrittsgeld dem spannenden Kampf als Zuschauer
beizuwohnen. Aus purer „Gaudi!" Ei» Stadion in Mammut-
format biegt sich unter einem brcchendvollen Publikum. Das
sportliche Ereignis feffelt Hunderttausende zu spontaner Ob-
jektivität. Keine Schuldlüge mehr —keine ZeitungShetzcreien!
Höchstens, daß die internationalen Blätter verlautbart haben,
daß England „in ganz großer Form" sei, während Frankreich
zur Zeit mit einer auffallenden Indisposition zu kämpfen habe.
Was natürlich den Totalisator zu Gunsten Englands zu
schwindelhafter Höhe emporschnellen läßt. Aber was macht das
schon? Hauptsache ist, daß das politische Moment vollkommen
verdrängt wird von der reinen Begeisterung für sportliche
Leistung. Gelegentliche Zurufe aus dem Publikum, wie: „Gib 's
ibm, Ionny!" oder „Immer feste druff,Mare! Mach' Gulasch
aus dem Schwein!!", sind natürlich nichl als Antipathiekund-
gebung sondern lediglich als Ausdruck naiver Hingeriffenheit
zu buchen. Es kann sogar passieren, daß das Publikum seiner
Unzufriedenheit mit einem der Kämpfer durch höchstpersönliches
Eingreifen Ausdruck verleibt und ihn bis zur Unkenntlichkeit
vermöbelt. Aber das ist weiter nicht bös gemeint. Und immer
noch bester als Krieg. Meist sind die Leute durch einen reelle»
Kinnhaken,ein „aufgefchlagencs" Auge oder gründlich zertrümmertes
Nasenbein rasch wieder versöhnt. Und was gar könnte heutzutage
unmittelbarer und überzeugender wirke» als ein schlichtes Knockout??
Der Besiegte oder besten Überreste werden sodann von dem Sieger
Was ich früher als höchstes dachte
Unerreichbar kühnes Ziel, -
Daß ich heute drüber lachte,
Als mir’s in die Hände fiel!
Was ich früher häßlich nannte.
Falsch getan und falsch gedacht,
Endlich nun als recht erkannte.
Da ich’s nimmermehr vollbracht!
Sei gegrüßt, Resignation,
Die mich siegend hält - !
Glücklich, wer von deinem Thron
Lächelt in die Welt!
Hermann von Pfaundler
Der besorgte Schwiegersohn
.Sie Rohling! Werden Sie gleich meine Schwiegermaina los-
lasten!"
kameradschaftlich gebändishäkt und unter dem Iubelgeheul der Be-
völkerung ein paar mal im Ring herumgetragen. Und alles schwimmt
wieder in schönster Butter . . . Am nächsten Tag verkünden die Zei-
tungen sachlich und ohne gehässige Fußnoten: „Frankreich wurde von
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der besorgte Schwiegersohn"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 168.1928, Nr. 4323, S. 281
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg