D i e Buchstabierlafel
Der Postsekretär Taver Lunglmeier in Lustivogelbach war un-
zweifelhaft einer der eifrigsten Beamten der Deutschen Reichspost.
Er war, wie dies der Ministerialerlaß vom Jahre 1926 vorschreibt,
von kaufmännischem Geist erfüllt und ganz auf wirtschaftliches Denken
eingestellt. Diese Eigenschaften sollten sich in hellstem Lichte offen-
baren, als der weltabgelegene oberbaperische Gebirgsort der Seg-
nungen des Telefons teilhaftig wurde. Denn der Regsamkeit des
Lunglmeier'schen Geistes entsprach es keineswegs die von der Vor-
gesetzten Stelle herabgelangten AnmeldeformulareeinsachamSchalter
auszulegen, im übrigen aber tatenlos zuzuwarten, bis sich die Ge-
meindeangebörigen ihrer bedienen würden. Er batte sich vielmebr die
Aufgabe gestellt, der wichtigen Kulturerrungenschaft, soviel in seine»
Kräften stand, den Weg auf das flache Land zu ebnen. Zu diesem
Bebuse berief er eine Versammlung zum ober« Wirr, in der er sich
über die Vorteile des neuen Verkehrsmittels verbreitete, die ein-
fache Handbabung vermittels des beim ober« Wirt bereits einge-
richteten Telefonkastls vor Augen
führte, auch nicht unerwähnt ließ,dasi
in Amerika jeder zweite Einwohner
— Indianer, Mummelgreise und
Wickelkinder inbegriffen - im Genusi
eines Telefons sich befinde. Dieser
Appell an den Ehrgeiz derLustivogel-
bacher, wie die wohlgesetzte Rede
Lunglmeiers überhaupt, versehlten
ihre Wirkung nicht, und der dienst-
eifrige Postsekretär hatte die freudige
Genugtuung, daß sich noch am selbi-
gen Abend der Speditör Kinshofer,
der Metzger Steigenberger, der
Bäcker Semmerl und die Bauern
Laßl Blasi, Vogtenauer, Dauben-
merkt, Stoamaßl und Feichtenörgl
„einen Telefon" anmeldeten.
Aber auch durch diesen gewiß sehr
beachtlichen Erfolg kam des braven
chaver Lunglmeier treue Fürsorge
für die von ihm vertretene Behörde
noch nicht zum Stillstand. Mit Recht
sagte sich dieser vorbildliche Beamte,
daß es mit der Inbetriebsetzung des
Apparats beim Kinshofer, Laßl
Blast, Stoamaßl u. s. w. nicht ge-
tan sei. Er erkannte mit dem ihn
auszeichnenden Scharfblick die Not-
wendigkeit die neuen Teilnehmer
in derBedienung desTelefonS gründ-
lich zu unterweisen und einzuüben.
Wer die raube Sprache unseres bie-
deren Landvolks kennt, wird Lungl-
meier darin beipflichten, daß er es
als ein Grunderfordernis betrachtete
seinen Schülern die Klarstellung
schwerverständlicherWorte imgegen-
seitigenVerkebr beizubringen. Weise
Männer der Reichspost haben nun allerdings in der Erkenntnis
dieser Notwendigkeit eine sogenannte Buchstabierlafel erfunden, die
die Telefonteilnehmer anlcitet, wie jedes noch so schwer zu verstehende
Wort durch einfache Zerlegung in seine Buchstaben und Ersatz dieser
durch ein ganzes Wort ausgedrückt und vor Mißverstehen bewahrt
werden kann. Jedermann kennt diese Tafel: „A wie Albert, B wie
Bernhard, C wie Cäsar, D wie David, ... I wie Jda, . . . N
wie Nathan, . . . S wie Samuel, ... T wie Tanthippe." Aber so
sinnreich diese Buchstabiertafel bezeichnet werden muß, in dem ober-
bayerischen Gebirgsdorf vermochte sie sich nicht einzubürgern, und
Lunglmeier stieß bereits bei den ersten Versuchen auf erhebliche
Schwierigkeiten. Es gab zu Lustivogelbach weder jemand des Namens
David, Jda, Nathan oder Samuel, noch waren Cäsar und Tan-
tbippe den Bauern bekannte Persönlichkeiten.
Der brave Lunglmeier sann auf Abhilfe. Er erwog als Nächst-
liegendes, ob er die in der Buchstabiertafel ausgeführten Eigennamen
Strandwunder. „Aber, mein Herr, weshalb firieren Sie mich dauernd so auffällig?"
„Sie entschuldigen, gnädiges Fräulein, bewundere nur Ihre elegante Bügelfalte in der Badehose!
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Der Postsekretär Taver Lunglmeier in Lustivogelbach war un-
zweifelhaft einer der eifrigsten Beamten der Deutschen Reichspost.
Er war, wie dies der Ministerialerlaß vom Jahre 1926 vorschreibt,
von kaufmännischem Geist erfüllt und ganz auf wirtschaftliches Denken
eingestellt. Diese Eigenschaften sollten sich in hellstem Lichte offen-
baren, als der weltabgelegene oberbaperische Gebirgsort der Seg-
nungen des Telefons teilhaftig wurde. Denn der Regsamkeit des
Lunglmeier'schen Geistes entsprach es keineswegs die von der Vor-
gesetzten Stelle herabgelangten AnmeldeformulareeinsachamSchalter
auszulegen, im übrigen aber tatenlos zuzuwarten, bis sich die Ge-
meindeangebörigen ihrer bedienen würden. Er batte sich vielmebr die
Aufgabe gestellt, der wichtigen Kulturerrungenschaft, soviel in seine»
Kräften stand, den Weg auf das flache Land zu ebnen. Zu diesem
Bebuse berief er eine Versammlung zum ober« Wirr, in der er sich
über die Vorteile des neuen Verkehrsmittels verbreitete, die ein-
fache Handbabung vermittels des beim ober« Wirt bereits einge-
richteten Telefonkastls vor Augen
führte, auch nicht unerwähnt ließ,dasi
in Amerika jeder zweite Einwohner
— Indianer, Mummelgreise und
Wickelkinder inbegriffen - im Genusi
eines Telefons sich befinde. Dieser
Appell an den Ehrgeiz derLustivogel-
bacher, wie die wohlgesetzte Rede
Lunglmeiers überhaupt, versehlten
ihre Wirkung nicht, und der dienst-
eifrige Postsekretär hatte die freudige
Genugtuung, daß sich noch am selbi-
gen Abend der Speditör Kinshofer,
der Metzger Steigenberger, der
Bäcker Semmerl und die Bauern
Laßl Blasi, Vogtenauer, Dauben-
merkt, Stoamaßl und Feichtenörgl
„einen Telefon" anmeldeten.
Aber auch durch diesen gewiß sehr
beachtlichen Erfolg kam des braven
chaver Lunglmeier treue Fürsorge
für die von ihm vertretene Behörde
noch nicht zum Stillstand. Mit Recht
sagte sich dieser vorbildliche Beamte,
daß es mit der Inbetriebsetzung des
Apparats beim Kinshofer, Laßl
Blast, Stoamaßl u. s. w. nicht ge-
tan sei. Er erkannte mit dem ihn
auszeichnenden Scharfblick die Not-
wendigkeit die neuen Teilnehmer
in derBedienung desTelefonS gründ-
lich zu unterweisen und einzuüben.
Wer die raube Sprache unseres bie-
deren Landvolks kennt, wird Lungl-
meier darin beipflichten, daß er es
als ein Grunderfordernis betrachtete
seinen Schülern die Klarstellung
schwerverständlicherWorte imgegen-
seitigenVerkebr beizubringen. Weise
Männer der Reichspost haben nun allerdings in der Erkenntnis
dieser Notwendigkeit eine sogenannte Buchstabierlafel erfunden, die
die Telefonteilnehmer anlcitet, wie jedes noch so schwer zu verstehende
Wort durch einfache Zerlegung in seine Buchstaben und Ersatz dieser
durch ein ganzes Wort ausgedrückt und vor Mißverstehen bewahrt
werden kann. Jedermann kennt diese Tafel: „A wie Albert, B wie
Bernhard, C wie Cäsar, D wie David, ... I wie Jda, . . . N
wie Nathan, . . . S wie Samuel, ... T wie Tanthippe." Aber so
sinnreich diese Buchstabiertafel bezeichnet werden muß, in dem ober-
bayerischen Gebirgsdorf vermochte sie sich nicht einzubürgern, und
Lunglmeier stieß bereits bei den ersten Versuchen auf erhebliche
Schwierigkeiten. Es gab zu Lustivogelbach weder jemand des Namens
David, Jda, Nathan oder Samuel, noch waren Cäsar und Tan-
tbippe den Bauern bekannte Persönlichkeiten.
Der brave Lunglmeier sann auf Abhilfe. Er erwog als Nächst-
liegendes, ob er die in der Buchstabiertafel ausgeführten Eigennamen
Strandwunder. „Aber, mein Herr, weshalb firieren Sie mich dauernd so auffällig?"
„Sie entschuldigen, gnädiges Fräulein, bewundere nur Ihre elegante Bügelfalte in der Badehose!
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Strandwunder"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 168.1928, Nr. 4324, S. 291
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg