Die „A.-G. auf Ableben"
Paul saß schon lange im schwärzesten Pech. Teilweise kam das
auch daher, weil er sich seine Handschuheviel sorgfältiger auszuwählen
pflegte als seine Freunde.
Verlangte er setzt von jemandem sein eigenes, ausgeliehenes Geld
zurück, klagte der betreffende sofort mit kummervoller Miene über
feinen Mangel an Verständnis für — die Nöte der anderen.
Einst schlich Paul verdüsterten Gemütes, bleichen Angesichts, mit
den Händen in den Hosentaschen und einer peinlichen Leere im Magen
durch die Straßen. Vor einem bösartig teueren Restaurant machte
er plötzlich verwundert Hali: am Fensterplatz sah er einige seiner
Freunde sitzen, die cisrig damit beschäftigt waren sich über die Not
der Feit mit gutem Wein binwegzuschwemmen.
Paul trat ein. Offensichtlich kitzelte sein Anblick seine Freunde —
seine sogenannten Freunde — nicht unbeträchtlich am Gewissen.
Doch schenkte er ihrem Seelenzustand voller Großmut keine Beach-
tung, überlegte eine» Augenblick und liest sich dann kurz und sachlich
hören: „Ich will euch ein Geschäft vorschlagen."
Dieses Stichwort rettete die Lage un Nu. Vier Zigarettendosen
blitzten gleichzeitig vor ihm auf, man liest ihm ein Glas bringen und
fragte sogar, ob er nicht etwas effen wolle.
Natürlich wollte er. Dan» rückte er mit seinem Vorschlag heraus.
Demzufolge sollten seine Freunde sein Leben für eine Million ver-
sichern, wogegen er sich verpflichtete,
sich — vorbehaltlich der Lieferung
des dazu erforderlichen Alkohols -
binnen drei Monaten zu Tode zu
trinken.
Zuerst weigerten sich die Edlen;
wenn auch nicht gerade mit dem
Brustton der Überzeugung. Dann
gaben sie nach. Aus reiner Menschen-
freundlichkeit. Denn Paul behauptete, daß er sich sowieso selbstmorden
würde. Angesichts dieses unerschütterlichen Entschluffes konnten sic
natürlich nicht anders als ihm die Durchführung seines Vorhabens
möglichst angenehm zu gestalten.
So wurde die A.-G. auf Pauls Ableben gegründet.
Für Paul begann nun eine Zeit, die allerdings nicht entfernt so
schön war, wie er sich 's gedacht batte. Tag und Nacht mußte er die
verteufeltesten Drinks in sich hineinpumpen, seine Wohnung glich
einer befferen Schnapsdestille und zu effen gab 's fast nichts.
Eines — wie man so sagt - schönen Tages begegnete Paul seiner
Jugendfreundin Elli. Elli fand sich gerade aus dem Wege zu einem
mehrtätigen Skiausflug. Aus seinem begrenzt gesellschaftsfähigen
Zustand und sonstigen Merkmalen schloß sie sofort, daß etwas mit
ihm nicht in Ordnung sei. Nach einer Viertelstunde wußte sie alles.
Wie er ging und schwankte mußte er mit auf die Skitour.
Als er nach etlichen Tagen an einem sonnigen Morgen zurück-
kehrte, war er frisch, lebensfroh und verliebt wie ein Primaner.
Allen Alkohol der Welt wünschte er zum Teufel. Mit sehr gemisch-
ten Gefühlen erinnerte er sich daran, daß der gestrige Tag laut Ver-
einbarung eigentlich sein Todestag gewesen sein müßte.
Zu Hause angelangt, fand er die Schwelle seiner Wohnung stark
abgenutzt, an der Tür einen Zettel: „Pest im Hause," den Telefon-
Hörer abgehängt und die Wirtin in
tobender Wut. Tag und Nacht hatten
ihr die Abgesandten der A.-G. keine
Ruhe gelaffe» um zu erfahren, was
aus ihm geworden sei.
Paul beschloß sich vorerst mal
gründlich auszuschlafen.
Aber schon nach kurzer Zeit weckte
ihn ein Groom mit einem Brief in
Andere Tonart
Mein Freund, als flotter Illustrator tüchtig.
Fand frühen Ruhm: er hat sich ausgezeichnet!
Fr freite reich: die Muse wurde flüchtig
Vor seiner Gattin, priid und eifersüchtig —
Und wieder heißt’s: Er hat sich ausgezeichnet...
Beruh. Schäfer
Sebastian Salzhipfel. der gewettet hat. daß er ein Dolles Bier-
faß vor sich herrollend, zu Fuß die Sahara durchqueren und seinen
Durst dabei nur mit Wasser löschen werde!
308
Paul saß schon lange im schwärzesten Pech. Teilweise kam das
auch daher, weil er sich seine Handschuheviel sorgfältiger auszuwählen
pflegte als seine Freunde.
Verlangte er setzt von jemandem sein eigenes, ausgeliehenes Geld
zurück, klagte der betreffende sofort mit kummervoller Miene über
feinen Mangel an Verständnis für — die Nöte der anderen.
Einst schlich Paul verdüsterten Gemütes, bleichen Angesichts, mit
den Händen in den Hosentaschen und einer peinlichen Leere im Magen
durch die Straßen. Vor einem bösartig teueren Restaurant machte
er plötzlich verwundert Hali: am Fensterplatz sah er einige seiner
Freunde sitzen, die cisrig damit beschäftigt waren sich über die Not
der Feit mit gutem Wein binwegzuschwemmen.
Paul trat ein. Offensichtlich kitzelte sein Anblick seine Freunde —
seine sogenannten Freunde — nicht unbeträchtlich am Gewissen.
Doch schenkte er ihrem Seelenzustand voller Großmut keine Beach-
tung, überlegte eine» Augenblick und liest sich dann kurz und sachlich
hören: „Ich will euch ein Geschäft vorschlagen."
Dieses Stichwort rettete die Lage un Nu. Vier Zigarettendosen
blitzten gleichzeitig vor ihm auf, man liest ihm ein Glas bringen und
fragte sogar, ob er nicht etwas effen wolle.
Natürlich wollte er. Dan» rückte er mit seinem Vorschlag heraus.
Demzufolge sollten seine Freunde sein Leben für eine Million ver-
sichern, wogegen er sich verpflichtete,
sich — vorbehaltlich der Lieferung
des dazu erforderlichen Alkohols -
binnen drei Monaten zu Tode zu
trinken.
Zuerst weigerten sich die Edlen;
wenn auch nicht gerade mit dem
Brustton der Überzeugung. Dann
gaben sie nach. Aus reiner Menschen-
freundlichkeit. Denn Paul behauptete, daß er sich sowieso selbstmorden
würde. Angesichts dieses unerschütterlichen Entschluffes konnten sic
natürlich nicht anders als ihm die Durchführung seines Vorhabens
möglichst angenehm zu gestalten.
So wurde die A.-G. auf Pauls Ableben gegründet.
Für Paul begann nun eine Zeit, die allerdings nicht entfernt so
schön war, wie er sich 's gedacht batte. Tag und Nacht mußte er die
verteufeltesten Drinks in sich hineinpumpen, seine Wohnung glich
einer befferen Schnapsdestille und zu effen gab 's fast nichts.
Eines — wie man so sagt - schönen Tages begegnete Paul seiner
Jugendfreundin Elli. Elli fand sich gerade aus dem Wege zu einem
mehrtätigen Skiausflug. Aus seinem begrenzt gesellschaftsfähigen
Zustand und sonstigen Merkmalen schloß sie sofort, daß etwas mit
ihm nicht in Ordnung sei. Nach einer Viertelstunde wußte sie alles.
Wie er ging und schwankte mußte er mit auf die Skitour.
Als er nach etlichen Tagen an einem sonnigen Morgen zurück-
kehrte, war er frisch, lebensfroh und verliebt wie ein Primaner.
Allen Alkohol der Welt wünschte er zum Teufel. Mit sehr gemisch-
ten Gefühlen erinnerte er sich daran, daß der gestrige Tag laut Ver-
einbarung eigentlich sein Todestag gewesen sein müßte.
Zu Hause angelangt, fand er die Schwelle seiner Wohnung stark
abgenutzt, an der Tür einen Zettel: „Pest im Hause," den Telefon-
Hörer abgehängt und die Wirtin in
tobender Wut. Tag und Nacht hatten
ihr die Abgesandten der A.-G. keine
Ruhe gelaffe» um zu erfahren, was
aus ihm geworden sei.
Paul beschloß sich vorerst mal
gründlich auszuschlafen.
Aber schon nach kurzer Zeit weckte
ihn ein Groom mit einem Brief in
Andere Tonart
Mein Freund, als flotter Illustrator tüchtig.
Fand frühen Ruhm: er hat sich ausgezeichnet!
Fr freite reich: die Muse wurde flüchtig
Vor seiner Gattin, priid und eifersüchtig —
Und wieder heißt’s: Er hat sich ausgezeichnet...
Beruh. Schäfer
Sebastian Salzhipfel. der gewettet hat. daß er ein Dolles Bier-
faß vor sich herrollend, zu Fuß die Sahara durchqueren und seinen
Durst dabei nur mit Wasser löschen werde!
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Sebastian Salzkipfel..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 168.1928, Nr. 4325, S. 308
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg