Herr MulpS: LiebeSirrung und spätes Glück
Die Wurst
Von Jo Hans Röster
Wimmer bat eine Wurst geklaut. Eine
wullstige Wurst. Von mindestens fünf Pfund.
Wimmer wieselt mit der Wurst in die Woh-
nung. Legt sie zwischen die Doppelfenster. Und
geht mit einem würstlichen Traum im Hirn
schlafen. Am nächsten Morgen ist die Wurst
verschwunden. Gestohlen.
„So eine Gemeinheit", flucht Wimmer,
„mir meine gute Wurst zu stibitzen! Na,
wartet, euch werd ich es geben!"
Er verdächtigt diesen und jenen. Droht
mit der Anzeige. Wochenlang. Endlich ver-
gißt er darauf.
Ein Jahr später bekommt Wimmer eine
Vorladung. Von der Polizei.
„Sie werden ersucht, kommenden Montag
zehn Ubr aus dem Landesgericht Zimmer 22
zu erscheinen. Betrifft Diebstahl einer Wurst.
Nichterscheinen Kat Vorführung zur Folge."
Wimmer fällt das Herz in die Hosen.
Wimmer bat einen Mordsbammel vor der
Polizei.
„Hätte ich bloß damals die Wurst nicht
geklaut", klagte er, „jetzt haben sie es beraus-
bekommcn und ich kann im Kittchen kümmern."
Wimmer schläft drei Tage und drei Nächte
nicht. Wimmer ißt drei Tage und drei Nächte
nicht. Wimmer sitzt drei Tage und drei Nächte.
Auf dem Örtchen. Vor Angst. Wimmer kan»
nicht gehen und nicht stehen. Wenn er steht,
muß er geben und wenn er geht muß er stehen.
Endlich kommt der Tag der Ladung.
„Grüßt mir Weib und Kind", nimmt er
Abschied. Schiebt zähneklappernd los. Vor
D' Buß
A Deanerl in ins Holz naus g'roast,
Jab hör i scho a Frag:
Is 's jung, is ’s hübsch ? Was tuats im
Was kriag i. wenn i 's sag? [Wald?
Sie schreibt si Katherl mit sein Nam.
Will reife Taubeern lioln.
De reifen Taubern san so siiaß
find d’ Muatter hats befohln.
Und wenn a Deanderl Taubeern brockt.
Kimmt jeder Zeit daher
Von hinten bald und bald oo vorn
A [Jager mit seirn Gmehr.
Der ,Jager schaut an Katherl zua.
Kriagt selber Appetit
Und hats nach alten Jagerrecht
Um a kloans Busserl bitt.
Da antmort drauf das schöne Kind:
Herr Jager, schau nur her!
Mei Schnaberl des is rundum schwarz
Vo lauter Heidelbeer.
Der Jager sagt: Des macht ja nix.
De schwarzen Kirschen san
Oft besser als de rote H aar,
bes moaß ja jedermann.
Da hats eahm aus Barmherzigkeit
A Busserl gehn in FH:
Drauf hat der Jager Geltsgott g'sagt
Und 's Katherl: Weidmannsheil!
Und wenns halt der Herr Pfarrer müßt',
So hätt er an Verdruß
Und saget: Fr solls heiraten
Zur Sühnung und zur Buß.
Hochmiirdiger Herr Pfarrer, schau,
De Buß maar net so schmaar, -
Wenn net der greane Jagersmann
Scho lang perheirat maar.
hberl
der Türe 22 bleibt er steben. „Sofort alles
reuig bekennen", weint Wimmer, „das ist noch
das Beste. Und alles wegen so einer lappigen
Wurst! Überhaupt eine Gemeinheit, so etwas
anzuzeigen! Bei dem Fleischer kaufe ich nie
wieder".
Die Tür öffnet sich. Ein« Uniform ruft:
„Wilhelm Wimmer?" „Hier", wimmert
Wimmer wehe. Und tritt ei».
Gebückt schleicht er nach vorn. Schrecklich
viel Menschen sind hier. Vor ihm drei. Hin-
ihm drei. Links zwei und rechts zwei. Dick
sind die Menschen. Und groß. Und ernst. Und
sehr streng. Keiner lächelt.
„Lächle ich eben auch nicht", entschließt sich
Wimmer und gibt mit finsterem Blick seine
Generalien an. Geboren. Getauft. Gekraut.
Gewohnt.
„Also wie war die Sache damals mit der
Wurst?", kommt der Vorsitzende endlich zum
Thema.
„Ach, Herr Richter, das war alles nicht so
schlimm."
„Öb schlimm oder nicht schlimm, entschei-
den wir. Sie hatten also eine große Wurst
von fünf Pfund.-"
„Ach »ein, Herr Richter, nur eine ganz,
ganz kleine Wurst. Noch kleiner. Kaum zu
sehen."
„Das tut nichts zur Sache."
„Doch, Herr Richter. Wollen Sie wegen
so einer ganz kleinen Wurst einen lebenden
Menschen ins Unglück stürzen?"
„Dazu ist es jetzt zu spät. Das hätten Sie
sich früher überlege» müssen. Sie sind ja selbst
schuld daran."
„Ich weiß es ja. Es tut mir auch leid",
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Die Wurst
Von Jo Hans Röster
Wimmer bat eine Wurst geklaut. Eine
wullstige Wurst. Von mindestens fünf Pfund.
Wimmer wieselt mit der Wurst in die Woh-
nung. Legt sie zwischen die Doppelfenster. Und
geht mit einem würstlichen Traum im Hirn
schlafen. Am nächsten Morgen ist die Wurst
verschwunden. Gestohlen.
„So eine Gemeinheit", flucht Wimmer,
„mir meine gute Wurst zu stibitzen! Na,
wartet, euch werd ich es geben!"
Er verdächtigt diesen und jenen. Droht
mit der Anzeige. Wochenlang. Endlich ver-
gißt er darauf.
Ein Jahr später bekommt Wimmer eine
Vorladung. Von der Polizei.
„Sie werden ersucht, kommenden Montag
zehn Ubr aus dem Landesgericht Zimmer 22
zu erscheinen. Betrifft Diebstahl einer Wurst.
Nichterscheinen Kat Vorführung zur Folge."
Wimmer fällt das Herz in die Hosen.
Wimmer bat einen Mordsbammel vor der
Polizei.
„Hätte ich bloß damals die Wurst nicht
geklaut", klagte er, „jetzt haben sie es beraus-
bekommcn und ich kann im Kittchen kümmern."
Wimmer schläft drei Tage und drei Nächte
nicht. Wimmer ißt drei Tage und drei Nächte
nicht. Wimmer sitzt drei Tage und drei Nächte.
Auf dem Örtchen. Vor Angst. Wimmer kan»
nicht gehen und nicht stehen. Wenn er steht,
muß er geben und wenn er geht muß er stehen.
Endlich kommt der Tag der Ladung.
„Grüßt mir Weib und Kind", nimmt er
Abschied. Schiebt zähneklappernd los. Vor
D' Buß
A Deanerl in ins Holz naus g'roast,
Jab hör i scho a Frag:
Is 's jung, is ’s hübsch ? Was tuats im
Was kriag i. wenn i 's sag? [Wald?
Sie schreibt si Katherl mit sein Nam.
Will reife Taubeern lioln.
De reifen Taubern san so siiaß
find d’ Muatter hats befohln.
Und wenn a Deanderl Taubeern brockt.
Kimmt jeder Zeit daher
Von hinten bald und bald oo vorn
A [Jager mit seirn Gmehr.
Der ,Jager schaut an Katherl zua.
Kriagt selber Appetit
Und hats nach alten Jagerrecht
Um a kloans Busserl bitt.
Da antmort drauf das schöne Kind:
Herr Jager, schau nur her!
Mei Schnaberl des is rundum schwarz
Vo lauter Heidelbeer.
Der Jager sagt: Des macht ja nix.
De schwarzen Kirschen san
Oft besser als de rote H aar,
bes moaß ja jedermann.
Da hats eahm aus Barmherzigkeit
A Busserl gehn in FH:
Drauf hat der Jager Geltsgott g'sagt
Und 's Katherl: Weidmannsheil!
Und wenns halt der Herr Pfarrer müßt',
So hätt er an Verdruß
Und saget: Fr solls heiraten
Zur Sühnung und zur Buß.
Hochmiirdiger Herr Pfarrer, schau,
De Buß maar net so schmaar, -
Wenn net der greane Jagersmann
Scho lang perheirat maar.
hberl
der Türe 22 bleibt er steben. „Sofort alles
reuig bekennen", weint Wimmer, „das ist noch
das Beste. Und alles wegen so einer lappigen
Wurst! Überhaupt eine Gemeinheit, so etwas
anzuzeigen! Bei dem Fleischer kaufe ich nie
wieder".
Die Tür öffnet sich. Ein« Uniform ruft:
„Wilhelm Wimmer?" „Hier", wimmert
Wimmer wehe. Und tritt ei».
Gebückt schleicht er nach vorn. Schrecklich
viel Menschen sind hier. Vor ihm drei. Hin-
ihm drei. Links zwei und rechts zwei. Dick
sind die Menschen. Und groß. Und ernst. Und
sehr streng. Keiner lächelt.
„Lächle ich eben auch nicht", entschließt sich
Wimmer und gibt mit finsterem Blick seine
Generalien an. Geboren. Getauft. Gekraut.
Gewohnt.
„Also wie war die Sache damals mit der
Wurst?", kommt der Vorsitzende endlich zum
Thema.
„Ach, Herr Richter, das war alles nicht so
schlimm."
„Öb schlimm oder nicht schlimm, entschei-
den wir. Sie hatten also eine große Wurst
von fünf Pfund.-"
„Ach »ein, Herr Richter, nur eine ganz,
ganz kleine Wurst. Noch kleiner. Kaum zu
sehen."
„Das tut nichts zur Sache."
„Doch, Herr Richter. Wollen Sie wegen
so einer ganz kleinen Wurst einen lebenden
Menschen ins Unglück stürzen?"
„Dazu ist es jetzt zu spät. Das hätten Sie
sich früher überlege» müssen. Sie sind ja selbst
schuld daran."
„Ich weiß es ja. Es tut mir auch leid",
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Herr Mulps: Liebesirrung und spätes Glück"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 168.1928, Nr. 4326, S. 8
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg