„Junger Mann, Sie bitten uni die Land meiner Tochter! Aber ich muß gestehen.
Sie machen einen merkwürdigen Eindruck: nicht mal ordentlich rasiert sind Sie! Was
sind Sie denn eigentlich von Beruf?"
„Entschuldigen Sie, Lerr Pöppke, ich bin Selbstrasierer!"
Höchste Zeit
„Den Nachbar sah ich vorhin die
jungen Gemüsepflanzen gießen! Es
war die höchste Zeit!"
„Wären sie sonst verdorrt?"
„Nein; aber jetzt regnet's!"
Anders gemeint
„In meiner Pension bezahle ich
fünf Mark täglich."
„Ist da alles eingeschloffen?"
„Leider! Nichtmal 'n Stück Zucker
kann ich mir nehmen."
Entschuldigung
„Laben Sie nicht eben zu meinem
Sohn gesagt, er sehe aus wie ein
Affe?"
„Entschuldige» Sie, eine Ver-
Wechslung; ich meinte einen andern,
der ihm kolossal ähnlich sieht."
Diensteifer
Das junge Ehepaar sitzt im Gast-
haus und spricht von der Zukunst.
„Was Kleines müssen wir schon
noch haben," meint er sanft.
„Italienischer Salat wäre noch
frisch!" Der Kellner war eben hinter
ihnen vorbeigegangen.
Der Auswanderer
Von Kteronhmus Jobs
Die Kleinstadt Siebenzell hat ihr redlich Teil an der heutigen
schweren Zeit: Teuerung, Geschäftsstockung, Berdienstrückgang.
Manch geweckten, arbeitswilligen Jungen ist das schon zu dumm
geworden und sie haben zwischen sich und die heimatliche Not
das große Wasser gelegt. Andere denken ebenso und träumen
und reden davon, das enge Vaterland mit dem weiten Amerika
zu vertauschen. So auch der Watzinger-Schorschl, der zweite
Sohn des Kleinmetzgers Watzinger, der schon bald, weil alles
den Großmeygern zuläuft, für sich selbst keine Arbeit mehr hat,
geschweige denn für seine Buben, von den Mädchen überhaupt
nicht zu reden. Begreiflich vom Schorschl, gewiß, aber doch:
ewig schab um den netten Kerl; also heißt es stadtauf, stadtab.
And der Ausreiseterniin soll sogar schon feststehen, wenn auch
die Watzinger selbst darüber nichts verlauten lassen. Das wird
ein harter Tag sein, und das nicht bloß für Vater und Mutter,
Schwestern und Bruder. Gar manches Mädel wird sich, da
vielleicht der Tränen nicht enthalten können; denn der Watzinger-
Schorschl, wie gesagt: wer ihn kennt i» seiner lustigen Beweg-
lichkeit und seinem feschen Leichtsinn, der muß ihm gut sein; steht
ihm doch sogar noch zu Gesicht, was an andern schnell mißfiele.
Daher möchten nicht wenig Siebenzeller nur zu gern Tag
und Stunde der Abreise kennen; doch sickert nichts Bestimmtes
durch; endlich aber heißt es doch: übermorgen, in aller Früh',
mit dem ersten Zug. And richtig, da biegen sie auch schon aus
ihrem engen Gätzchen in die nicht viel breitere Lauptstraße ein,
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die zum Oberen Stadttor und dann weiter zum Bahnhof führt:
voran der Vater Watzinger, ernst und gemessen, wie es sich für
einen geziemt, dessen Sohn einer ungewissen Zukunft entgegen-
geht, dann der Schorschl zwischen Mutter und jüngster Schwester;
Frau Watzinger im verständlichen Mutterschmerz das Taschen-
tuch an den Augen, die Schwester bleich und traurig; als Schluß
des Konduktes die Tante Rosine, von der seit Dezennien die
Rede geht, daß sie überall dabei sein müsse.
Kaum ist man der Familie ansichtig geworden, so öffnen sich
auch schon da und dort die Fenster, und Lände winken, Taschen-
tücher flattern, Blumensträußche» fliegen, und Rufe werden laut:
„Schorschl, leb wohl!" — „Bleib gsund, Schorschl!" — „Schorschl,
auf Wiedersehn!" und aus der Dachluke eines Laufes schiebt
sich gar — „jetzt da schauts, die Grünwieser Zilli! Ja, was fällt
denn jetzt der ein!" — eine umflorte Fahne heraus, und vom
Torturm herunter blasen zwei Freunde des Schorschl — Piston
und Waldhorn — das Lied „So leb denn wohl, du stilles Laus!",
sehr langsam zwar und nicht ohne Dissonanzen, weil die beiden doch
erst seit sechs Wochen der Musik sich ergeben haben, aber immer-
hin unter den obwaltenden Amständen so ergreifend, daß kein
Auge trocken bleibt, und der Kaufmann Bollhart, überwältigt
von diesen Trauerklängen, aus seinem Laden sogar mit einer
Landvoll Zigarren stürzt, die er dem Schorschl als Scheidegruß
aufnötigt And der Schorschl schwenkt nach allen Seiten den
Lut, wie sich's gehört für einen Burschen, der selbst die Trennungs-
Sie machen einen merkwürdigen Eindruck: nicht mal ordentlich rasiert sind Sie! Was
sind Sie denn eigentlich von Beruf?"
„Entschuldigen Sie, Lerr Pöppke, ich bin Selbstrasierer!"
Höchste Zeit
„Den Nachbar sah ich vorhin die
jungen Gemüsepflanzen gießen! Es
war die höchste Zeit!"
„Wären sie sonst verdorrt?"
„Nein; aber jetzt regnet's!"
Anders gemeint
„In meiner Pension bezahle ich
fünf Mark täglich."
„Ist da alles eingeschloffen?"
„Leider! Nichtmal 'n Stück Zucker
kann ich mir nehmen."
Entschuldigung
„Laben Sie nicht eben zu meinem
Sohn gesagt, er sehe aus wie ein
Affe?"
„Entschuldige» Sie, eine Ver-
Wechslung; ich meinte einen andern,
der ihm kolossal ähnlich sieht."
Diensteifer
Das junge Ehepaar sitzt im Gast-
haus und spricht von der Zukunst.
„Was Kleines müssen wir schon
noch haben," meint er sanft.
„Italienischer Salat wäre noch
frisch!" Der Kellner war eben hinter
ihnen vorbeigegangen.
Der Auswanderer
Von Kteronhmus Jobs
Die Kleinstadt Siebenzell hat ihr redlich Teil an der heutigen
schweren Zeit: Teuerung, Geschäftsstockung, Berdienstrückgang.
Manch geweckten, arbeitswilligen Jungen ist das schon zu dumm
geworden und sie haben zwischen sich und die heimatliche Not
das große Wasser gelegt. Andere denken ebenso und träumen
und reden davon, das enge Vaterland mit dem weiten Amerika
zu vertauschen. So auch der Watzinger-Schorschl, der zweite
Sohn des Kleinmetzgers Watzinger, der schon bald, weil alles
den Großmeygern zuläuft, für sich selbst keine Arbeit mehr hat,
geschweige denn für seine Buben, von den Mädchen überhaupt
nicht zu reden. Begreiflich vom Schorschl, gewiß, aber doch:
ewig schab um den netten Kerl; also heißt es stadtauf, stadtab.
And der Ausreiseterniin soll sogar schon feststehen, wenn auch
die Watzinger selbst darüber nichts verlauten lassen. Das wird
ein harter Tag sein, und das nicht bloß für Vater und Mutter,
Schwestern und Bruder. Gar manches Mädel wird sich, da
vielleicht der Tränen nicht enthalten können; denn der Watzinger-
Schorschl, wie gesagt: wer ihn kennt i» seiner lustigen Beweg-
lichkeit und seinem feschen Leichtsinn, der muß ihm gut sein; steht
ihm doch sogar noch zu Gesicht, was an andern schnell mißfiele.
Daher möchten nicht wenig Siebenzeller nur zu gern Tag
und Stunde der Abreise kennen; doch sickert nichts Bestimmtes
durch; endlich aber heißt es doch: übermorgen, in aller Früh',
mit dem ersten Zug. And richtig, da biegen sie auch schon aus
ihrem engen Gätzchen in die nicht viel breitere Lauptstraße ein,
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die zum Oberen Stadttor und dann weiter zum Bahnhof führt:
voran der Vater Watzinger, ernst und gemessen, wie es sich für
einen geziemt, dessen Sohn einer ungewissen Zukunft entgegen-
geht, dann der Schorschl zwischen Mutter und jüngster Schwester;
Frau Watzinger im verständlichen Mutterschmerz das Taschen-
tuch an den Augen, die Schwester bleich und traurig; als Schluß
des Konduktes die Tante Rosine, von der seit Dezennien die
Rede geht, daß sie überall dabei sein müsse.
Kaum ist man der Familie ansichtig geworden, so öffnen sich
auch schon da und dort die Fenster, und Lände winken, Taschen-
tücher flattern, Blumensträußche» fliegen, und Rufe werden laut:
„Schorschl, leb wohl!" — „Bleib gsund, Schorschl!" — „Schorschl,
auf Wiedersehn!" und aus der Dachluke eines Laufes schiebt
sich gar — „jetzt da schauts, die Grünwieser Zilli! Ja, was fällt
denn jetzt der ein!" — eine umflorte Fahne heraus, und vom
Torturm herunter blasen zwei Freunde des Schorschl — Piston
und Waldhorn — das Lied „So leb denn wohl, du stilles Laus!",
sehr langsam zwar und nicht ohne Dissonanzen, weil die beiden doch
erst seit sechs Wochen der Musik sich ergeben haben, aber immer-
hin unter den obwaltenden Amständen so ergreifend, daß kein
Auge trocken bleibt, und der Kaufmann Bollhart, überwältigt
von diesen Trauerklängen, aus seinem Laden sogar mit einer
Landvoll Zigarren stürzt, die er dem Schorschl als Scheidegruß
aufnötigt And der Schorschl schwenkt nach allen Seiten den
Lut, wie sich's gehört für einen Burschen, der selbst die Trennungs-
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Junger Mann, Sie bitten um die Hand meiner Tochter!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1931
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1936
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 174.1931, Nr. 4472, S. 246
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg