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Fliegende Blätter — 182.1935 (Nr. 4666-4691) = 91. Jahrg.

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Nr. 4705
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https://doi.org/10.11588/diglit.6743#0212
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Zeichnungen von M. Claus

Vor akademischen Berufen — wie vor allen andern — kann
man nur warnen. Man kann heute nichts mehr werden. Nur Rund-
funkhörer kann man werden. Das ist noch eine Sache, in der sich ein
Stück Begeisterung und Können investieren läßt.

So lag auch der Fall Emil Spaziervogel. Wochen und Monate
genoß Spaziervogel ein ungetrübtes Rundfunkglück. Er drehte, schal-
tete, bastelte und lauschte, bis eines häßlichen Mittags statt der an-
gekündigten Tanzmusik aus Daventry ein markiges Bäh! aus seinem
Apparat tönte. Emil Spaziervogel ließ die aufgetragenen Schnitzel
in die Küche zurücktragen, schleuderte sich entschlossen die letzte Suppe
aus dem Vollbart und nahm an Land des Bastelbuchs den Apparat

auseinander. Um nichts verkehrt zu machen, machte er sich 87 kleine
weiße Zettel, die er mit den entsprechenden Nummern versah. Zu
jedem herausgenommenen Teil legte er eine Nummer. Dann setzte
er alles wieder zusammen und drehte fiebernd am Knopf. Aber der
Lautsprecher machte Buh!

Spaziervogel sprudelte einige unparlamentarische Wendungen
hervor, konstatierte an Land von Abschnitt V, Absatz 3 s des Bastel-
buchs „Störung durch Fremdapparate" und inspizierte die Wohnung.
Er entriß der Gattin, die sich gerade die Laare trocknete, mit ge-
wandtem Ziu-Iitsu-Griff den Fön, entwand dem bügelnden Mädchen
Fanny mit sanfter Gewalt das Plätteisen und gab Anweisung, die
Krawatten durch Anfeuchten und Lin- und Lerziehen über der
Dampfheizung zu glätte». Dem Aufklärung heischenden Mädchen
sagte er, sie sende elektrische Strahlen aus, was Fanny offenbar
falsch auffaßte, denn sie bekam glänzende Augen und machte sofort
eine Eintragung in ihr Tagebuch.

Darauf telephonierte Spaziervogel den Sanitätsrat Ekzemler
im ersten Stock an und drohte mit Schadenersatzprozessen, falls nicht

der Röntgenapparat und die .Lochfrequenzeinrichtung binnen 3 Tagen
mit wirksamem Störschutz versehen sei. Die Versicherung des Sani-
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tätsrats, er habe seit drei Monaten nicht einen Patienten mehr ge-
habt, wies er mit höhnischem Lachen von sich.

Lierauf eilte Spaziervogel in den dritten Stock hinauf, wo der
Rentner Kurbel, wie er wußte, seinen Rheumatismus mit einem
Elektrisierapparat zu reizen pflegte. Der Rentner Kurbel hatte Besuch
von einem gewissen Grasmeck. Dieser Grasmeck erklärte, der Elektri-
sierapparat sei billig zu erwerben, der Rentner Kurbel sei geheilt,
seit durch ihn, Grasmeck, ein Bündel verderbenbringender Erdstrahlen
vom Bette Kurbels abgelenkt worden sei. Grasmeck machte den Vor-
schlag, den Standort des Radios auf störende Strahlungen zu unter-
suchen.

Selbdritt gingen sie in den zweiten Stock hinunter. Der Rentner
Kurbel inachte sich sogleich über Spaziervogels Kognak und Zigarren

her, während Grasmeck den Apparat ausprobierte. Der zwitscherte
jetzt wie ein Zug Schwalben.

„Da haben Sie den besten Beweis," sagte Grasmeck, „Erd-
strahlen I Dies Zwitschern sagt dem Fachmann alles."

Darauf suchte er die Amgebung mit der Wünschelrute ab und
nickte bedauernd mit dem Kopf.

„Wenn Sie sich entschließen könnten, 30 Mark auf den Tisch zu
legen, können wir die Sache gleich machen. Sie haben im Keller
eine Wasserader. Zn einer halben Stunde ist sie abgeschirmt. Ich
habe zufällig alles nötige bei mir."

Spaziervogel kämpfte noch mit sich. Er drehte den Apparat noch
einmal aus. Ein schlichtes, langgezogenes Böh! erscholl.

„Machen Sie die Sache!" sagte er verzagt.

Der Rentner Kurbel lieh bereitwillig Schaufel und Spitzhacke
her, und Grasmeck begab sich in den Keller.

Er war kaum gegangen, als der junge Mediziner Willi, ein
Vetter des Laufes, aus einen Sprung heraufkam. Als Willi hörte,
worum es sich handelte, lächelte er nur.

„Na," sagte er, „laß diesen Lerrn Grasmeck nur mal wieder
hier auftauchen! Den werde ich mir mal vorknöpfen. Der wahre
Grund ist natürlich Tante Sabine."

„Wieso denn Tante Sabine?"

„Ich kann dir das unmöglich alles erklären, Onkel," sagte Willi
gönnerhaft, „aber es steht jetzt wissenschaftlich fest, daß reizbare
Menschen starke Strahlensender sind. Na, und ist Tante Sabine
etwa nicht reizbar?"

„Allerdings," gab Spaziervogel zu.

„Na, siehst du! Außerdem hat sie einen allergischen Rheumatis-
mus. Das verschärft den Fall ganz wesentlich. Last du vielleicht
Kupferdraht im Lause?"

„Wo sollte ich Kupferdraht herhabe»?"

„Na, tut auch nichts, wir reißen die Klingelleitung herunter."

Der Rentner Kurbel goß sich den sechsten Kognak ein und
meckerte. „Wozu denn das, Willi?"

„Tante Sabine muß geerdet werden, und außerdem schirmen
wir sie ab."

Man begab sich in Tante Sabines Zimmer. Sie protestierte
heftig, als Willi sie mit einem Draht an die Dampfheizung anschloß
und ihr bedeutete, sie habe das gegabelte andere Ende des Drahtes
bis auf weiteres in die Lände zu nehmen. Sie arbeitete heftig mit
ihrem Lörrohr, bis sie begriff, warum ihr das geschah. Als Willi
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Störung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Claus, Martin
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Fliegende Blätter, 182.1935, Nr. 4705, S. 212

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