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Der praktische Mann

Von Curry

Emil Kurbel hatte eine Sehnsucht nach dem handwerklichen in
Einmal hatte ihm in Gesellschaft eine junge Dame gesagt, die
seine Landlinien betrachtete: „Sie haben eine praktische Land!" Das
hatte ihm so imponiert, daß er mit Röschen Schlender — so hieß
h>e Dame — in Verbindung blieb und sie nach und nach heiratete,
denn er sagte sich mit dem Leichtsinn eines Mannes, der im Leiraten
keine Erfahrung hat: Jemand, der dein Wesen so tief versteht, ist
geschaffen zur Lebensgefährtin. Es dauerte nicht lange, da zog Rös-
chen die Behauptung von der praktischen Land zurück — und auch
wnst stellten sich kleine Differenzen ein. Aber schließlich war die
Ehe nicht schlechter als jede andere, und Röschen doch ganz zufrie-
den, Frau Regierungsrat zu sein.

Rur das Basteln konnte sie an ihrem Mann nicht leiden. Sie
sand, es sei unter der Würde eines höheren Verwaltungsbeamten.
Vur bei Wohnungswechsel bot sich Emil Kurbel Gelegenheit, seiner
Neigung nachzugehen. Wenigstens Laken -eingipsen und Klingel-
keitungen legen konnte er dann; daß er auf der Leiter stand und
Zugvorrichtungen anbrachte, erlaubte Röschen aus Prestigegründen
e>uch dann nicht.

Der so gestaute praktische Tätigkeitstrieb entlud sich bei Emil-
als seine Frau einmal vierzehn Tage allein verreiste. Er faßte den
grandiosen Plan, im Herrenzimmer die Decke zu weißen. Schon die
Erkundigungen in Fachgeschäften nach der richtigen Mischung waren
>hm eine Wonne. Wie ein Architekt kam er sich vor, als er das
Verhältnis der nötigen Kilogramme Kalk und Gips zu der Anzahl
der Quadratmeter Decke ausrechnete. Dann kam ein Riesenpaket.
Fiebernd packte er glänzende Spatel und langhaarige Bürsten und
Pinsel aus, stand am nächsten Morgen um 5 Ahr auf und wusch

die Decke ab. Besorgt sah
er, wie das Waffer eindrang
und das Weiße dunkel machte,
er hatte das Gefühl, das könne
nie wieder trocken werden.
Aber als er mittags nach
Lause kam, war alles trocken
— auch die Spritzer auf der
Tapete und auf den Möbeln.

Einerlei! Jetzt nur in einem
Zuge weiter!

Emil Kurbel machte sich in
der Küche — denn das Dienst-
mädchen hatte man in Urlaub
geschickt — ein frugales Mahl
zurecht: Griesbrei mit Ei.
Während der Griesbrei kochte,
rührte er die Masse an. Dann
schlug er ein Ei in den Gries-
brei, und dann ertappte er
sich dabei, wie er nacheinander
7 Eier in den Kalk mischte.
Macht nichts! sagte er sich.
Eiweiß bindet. Dafür nehme
ich dann etwas weniger Leim.
Es zeigte sich dann bald, daß das Mittagessen verdorben war, in-
dem der Griesbrei unten im Topf eine dicke gebackene Kruste hatte,
~~~ oben dagegen bildete er beim Kochen lauter Krater, aus denen
kin scharfer, brenzliger Geruch strömte. Emil Kurbel zog ihn vom
Feuer und stieg mit knurrendem Magen auf die Leiter.

Wie lange er gepinselt hatte, wußte er nicht mehr. Er stieg
mitten drin von der Leiter, um auf seine Taschenuhr zu sehen, aber
kein Kopf hatte eine Richtung nach oben, und es dauerte einige
Zeit, bis er die Steifigkeit im hals überwunden hatte. Simmel!
Es war ja ein halb fünf. Er mußte schon längst im Amt sein.
Er telephonierte und schützte plötzliches Anwohlsein vor. Dann
pinselte er weiter.

Lim Abend war er fertig. Die Decke hatte einen wunderschönen
Kremlon. Von den Eiern — ein seiner Trick! dachte Emil Kurbel
und sank ins Bett.

Emil saß mit Röschen beim Frühstück, da ging es los. Plötz-
lich segelte von oben herab ein handgroßes Stück Decke mitten aus
die Marmelade. Das mußte über Nacht gekommen sein. Röschen
sah sprachlos empor. Die ganze Decke sah aus wie ein Kraterfeld,
von großen Blasen erfüllt und von langen Nissen durchzogen. Emil
leugnete alles. Er gab den Namen eines Malermeisters an, der
angeblich die Arbeit gemacht habe. Kaum war er aus dem Laus,
da rief er von einer Telephonzelle aus den Mann an. Er versprach
ihm 25 Mark, falls er die Schuld auf sich nehme, und weitere 40
Mark, wenn er die Decke innerhalb zwei Tagen erneuern würde.
Der Mann willigte ein. Er hätte auch nichts dagegen, sagte er,
wenn ihm der Herr Negierungsrat in Gegenwart der Gattin einen
richtigen Krach mache.

Mittags kam er. Röschen hatte inzwischen festgestellt, daß die
Abblätterungen wie Blätterteig aussahen, und ihrem Vetter, der
beim Nahrungsmitteluntersuchungs-Institut angestellt war, eine Probe
zur mikroskopischen Antersuchung mikgegeben.

Dann gab Emil sich einen Ruck.

„Ich möchte keine scharfen Worte brauchen, Meister," sagte er
zu dem demütig dastehenden Mann, „aber ich muß doch sagen, daß
die Arbeit, die Sie da geliefert haben, Herr Hampel, unter aller
Kanone ist. Da heißt es immer: Anterstützt das Landwerk! Aber
solche Proben sind nicht ermutigend." Emil steigerte sich ein wenig.

„In einer Zeit, in der wieder auf Qualität gesehen werden
sollte," fuhr er fort, „ist es besonders betrübend, wenn derartige
Schluderarbeit geliefert wird. Am nicht zu sagen, es ist eine Schwei-
nerei, Meister Lampel. Kurz: Sie werden mir die Decke kostenlos
ein zweites Mal weißen."

Strahlend sah Röschen auf den energischen Gatten.

Aber der Meister Lampel antwortete:

„Herr Regierungsrat, wat wollense eigentlich von mir?"

„Was ich von Ihnen will?" donnerte Emil, der eine besonders
feine Finte in dem Verhalten des Meisters sah.

„Iawoll. Det is mich nämlich schleierhaft. Ick bin doch der
Mann, der bei Ihnen det Telephon Nachsehen soll."

Die Angelegenheit komplizierte sich im weiteren Verlauf noch
dadurch, daß der Telephonmann mit Herrn Lampel an einem
Stammtisch saß, und daß infolgedessen Emil Kurbel von dem Maler-
meister wegen Beleidigung und geschäftlicher Schädigung verklagt
wurde. Röschen, die von der Sache nichts wissen sollte, erfuhr alles
brühwarm im Delikatessengeschäft nebenan.

Als dann ihr Vetter das Resultat der mikroskopischen Anter-
suchung brachte, da gab es einen Heidenkrach. Er hatte nämlich außer
Eigelb auch mittelfeinen Weizengries festgestellt.

19
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der praktische Mann"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 183.1935, Nr. 4667, S. 19

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