Zeichnung von W. Glon»
Die Probefahrt
„Acht Liter und hundertzehn Höchstleistung.
Dabei kostet der Wagen nur zweitausendvier-
hundert."
„Ausgeschloffen/ sagte die junge schöne Dame,
„ich bin gestern in einem Kabriolett für viertausend
gefahren, über achtzig Kilometer sind wir nicht
hinausgekommen, und der Wagen sah nicht halb
so groß und schnittig aus wie dieser Wagen.
Doch jetzt, meine Lerren, Marianne Prells heiße
ich übrigens — jetzt bin ich angekommen, danke schön
für Ihre Liebenswürdigkeit, die Fahrt war wirk-
lich ein Vergnügen. Danke schön und gute Fahrt!"
Die gute Fahrt ging weiter.
„Wenn Sie sich einen Wagen kaufen," be-
merkte der Werkingenieur wie nebenbei, „müssen
Sie nicht zuletzt die Kosten des Anterhalts be-
denken. Eine der wichtigsten Fragen ist die Be-
schaffung von Ersatzteilen. Oft kostet die gleiche
Reparatur das Dreifache, wenn Sie unterwegs
eine Panne haben und die Reparaturwerkstatt
muß sich erst von auswärts die Ersatzteile be-
schaffen. Unser Werk versorgt alle Werkstätten
ausreichend mit Ersatzteilen "
„Das versprechen alle Firmen."
„Ich weiß. Aber haben Sie schon einmal die
Probe gemacht?"
„Rein. Das nicht."
„Versuchen Sie es — da unten liegt ein Dorf,
zehn Läufer, ich glaube Litzenbichel heißt es, es
liegt abseits der großen Verkehrsstraße, wir
biegen hier rechts den Feldweg ein — wenn wir
Glück haben, finden wir dort eine kleine Werkstatt."
Sie hatten Glück. Sie fanden eine. Zwar
sah sie wenig vertrauenerweckend aus, zwei
rostige Reklamebleche einer drittrangigen Benzin-
firma hingen vor dem Tor, Krummhübel war der
Name des Besitzers, Krummhübel, Autorepara-
turen, Fahrräder und Taschenlampen.
„Lier?"
„Ja. Wollen Sie es versuchen?" fragte der
Werkingenieur, „aber verlangen Sie keine Zündkerzen oder Dinge,
die Sie überall bekommen. Wählen wir eine der seltensten Pannen
— vielleicht einen Bruch des Differentials."
Der unschlüssige Lerr trat in die Werkstatt und erklärte:
„Ich habe einen Differentialbruch."
„Mein Beileid," sagte der Mann.
Weiter sagte er nichts. Er sah nicht einmal von seiner Arbeit auf.
„Aber
„Ich kann Ihnen nicht helfen. Bevor so ein Differential vom
Werk hier eintrifft, vergeht eine Woche. Das werden Sie auch
nirgends bekommen. Wer legt sich schon so ein teures Differen-
tial hin?"
„Ich fahre einen Pelikan," erklärte der Lerr zaghaft.
Da leuchteten die Augen des alten Krummhübel auf:
„Das ist etwas anderes! Warum haben Sie das nicht gleich
gesagt? Vom Pelikan haben wir alle Ersatzteile da. Auch das
Differential mit Welle und Gehäuse. Das Werk ist sehr großzügig,
läßt uns einen guten Verdienst, daß ich Ihnen die Arbeit nicht
berechnen muß."
Die Probefahrt ging weiter. Die Anschlüssigkeit des Käufers
schwand. Dieser Wagen war wohl in der gedachten Preisklasse der
Wagen, der für ihn in Frage kam. Ja, wenn man Geld hätte, um
stch einen großen Wagen, einen Achtzylinder oder gar einen May-
bach kaufen zu können! Da gab es oft Wagen, vor denen man
die Augen aufriß und sich wunderte, daß es so etwas gibt auf der
Welt! Aber wer kann zwölstausend Mark oder mehr auf den Tisch
legen? Rein, man soll bei dem Erreichbaren bleiben, und dieser
Schönheits-Konkurrenz
„Wir haben heute in unserer Klasse abgestimmt, wer von uns das hübscheste
Mädchen ist." — „Nun, wer ist es denn?"
„Das ist nicht entschieden: jedes Mädchen hat nur eine einzige Stimme bekommen!"
Wagen war erreichbar. Vielleicht würde er ihn kaufen. Man muß
sich ja nicht unbedingt heute entschließen.
Der Leimweg verlief in schneller Fahrt. Ruhig lag der Wagen
auf der Straße, gleichmäßig summte der Motor. Plötzlich trat der
Fahrer heftig in die Bremse. Der Wagen stand.
Am Straßenrand lag hilflos eine mächtige schwarze Limusine,
der Lack erglänzte neu, und in die geöffnete Motorhaube schaute ver-
zweifelt ein eleganter Lerr mit weißem Laar und hob die Lände
zum Limmel.
„Den Wagen verkaufe ich wieder! Den Wagen verkaufe ich
wieder!" klagte er laut.
„Können wir Ihnen Helsen?" fragte der Werkingenieur.
„Da ist nichts zu helfen!" jammerte der Elegante, „alle zehn
Kilometer eine neue Panne. Der Motor ist so verzwickt gebaut,
da kenne sich der Teufel aus! Dreißig Jahre fahre ich nun schon
meinen Wagen, aber hier bin ich verloren. Dabei kostet mich der
Wagen zweiundzwanzigtausend Mark!"
„Ich glaube es, ein Amerikaner," sagte der Werkingenieur be-
wundernd, „die Amerikaner sind gut."
„In Amerika vielleicht!" fluchte der Fremde, „aber bei uns kennt
sich keiner damit aus! Zehn Jahre bin ich einen deutschen Wagen
gefahren — ja, Ihre Marke, mein Lerr, Ihre Marke — ich habe
mich um den Wagen nicht zu kümmern brauchen, nie eine Panne, nie
den geringsten Aerger — ich habe den Wagen verkauft, um mir
diese Riesenkiste da auf den Lals zu laden — hätte ich nur noch
Ihren Wagen, mein Lerr, wie froh wäre ich jetzt!"
„Lörte ich recht?" fragte der unschlüffige Lerr.
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Die Probefahrt
„Acht Liter und hundertzehn Höchstleistung.
Dabei kostet der Wagen nur zweitausendvier-
hundert."
„Ausgeschloffen/ sagte die junge schöne Dame,
„ich bin gestern in einem Kabriolett für viertausend
gefahren, über achtzig Kilometer sind wir nicht
hinausgekommen, und der Wagen sah nicht halb
so groß und schnittig aus wie dieser Wagen.
Doch jetzt, meine Lerren, Marianne Prells heiße
ich übrigens — jetzt bin ich angekommen, danke schön
für Ihre Liebenswürdigkeit, die Fahrt war wirk-
lich ein Vergnügen. Danke schön und gute Fahrt!"
Die gute Fahrt ging weiter.
„Wenn Sie sich einen Wagen kaufen," be-
merkte der Werkingenieur wie nebenbei, „müssen
Sie nicht zuletzt die Kosten des Anterhalts be-
denken. Eine der wichtigsten Fragen ist die Be-
schaffung von Ersatzteilen. Oft kostet die gleiche
Reparatur das Dreifache, wenn Sie unterwegs
eine Panne haben und die Reparaturwerkstatt
muß sich erst von auswärts die Ersatzteile be-
schaffen. Unser Werk versorgt alle Werkstätten
ausreichend mit Ersatzteilen "
„Das versprechen alle Firmen."
„Ich weiß. Aber haben Sie schon einmal die
Probe gemacht?"
„Rein. Das nicht."
„Versuchen Sie es — da unten liegt ein Dorf,
zehn Läufer, ich glaube Litzenbichel heißt es, es
liegt abseits der großen Verkehrsstraße, wir
biegen hier rechts den Feldweg ein — wenn wir
Glück haben, finden wir dort eine kleine Werkstatt."
Sie hatten Glück. Sie fanden eine. Zwar
sah sie wenig vertrauenerweckend aus, zwei
rostige Reklamebleche einer drittrangigen Benzin-
firma hingen vor dem Tor, Krummhübel war der
Name des Besitzers, Krummhübel, Autorepara-
turen, Fahrräder und Taschenlampen.
„Lier?"
„Ja. Wollen Sie es versuchen?" fragte der
Werkingenieur, „aber verlangen Sie keine Zündkerzen oder Dinge,
die Sie überall bekommen. Wählen wir eine der seltensten Pannen
— vielleicht einen Bruch des Differentials."
Der unschlüssige Lerr trat in die Werkstatt und erklärte:
„Ich habe einen Differentialbruch."
„Mein Beileid," sagte der Mann.
Weiter sagte er nichts. Er sah nicht einmal von seiner Arbeit auf.
„Aber
„Ich kann Ihnen nicht helfen. Bevor so ein Differential vom
Werk hier eintrifft, vergeht eine Woche. Das werden Sie auch
nirgends bekommen. Wer legt sich schon so ein teures Differen-
tial hin?"
„Ich fahre einen Pelikan," erklärte der Lerr zaghaft.
Da leuchteten die Augen des alten Krummhübel auf:
„Das ist etwas anderes! Warum haben Sie das nicht gleich
gesagt? Vom Pelikan haben wir alle Ersatzteile da. Auch das
Differential mit Welle und Gehäuse. Das Werk ist sehr großzügig,
läßt uns einen guten Verdienst, daß ich Ihnen die Arbeit nicht
berechnen muß."
Die Probefahrt ging weiter. Die Anschlüssigkeit des Käufers
schwand. Dieser Wagen war wohl in der gedachten Preisklasse der
Wagen, der für ihn in Frage kam. Ja, wenn man Geld hätte, um
stch einen großen Wagen, einen Achtzylinder oder gar einen May-
bach kaufen zu können! Da gab es oft Wagen, vor denen man
die Augen aufriß und sich wunderte, daß es so etwas gibt auf der
Welt! Aber wer kann zwölstausend Mark oder mehr auf den Tisch
legen? Rein, man soll bei dem Erreichbaren bleiben, und dieser
Schönheits-Konkurrenz
„Wir haben heute in unserer Klasse abgestimmt, wer von uns das hübscheste
Mädchen ist." — „Nun, wer ist es denn?"
„Das ist nicht entschieden: jedes Mädchen hat nur eine einzige Stimme bekommen!"
Wagen war erreichbar. Vielleicht würde er ihn kaufen. Man muß
sich ja nicht unbedingt heute entschließen.
Der Leimweg verlief in schneller Fahrt. Ruhig lag der Wagen
auf der Straße, gleichmäßig summte der Motor. Plötzlich trat der
Fahrer heftig in die Bremse. Der Wagen stand.
Am Straßenrand lag hilflos eine mächtige schwarze Limusine,
der Lack erglänzte neu, und in die geöffnete Motorhaube schaute ver-
zweifelt ein eleganter Lerr mit weißem Laar und hob die Lände
zum Limmel.
„Den Wagen verkaufe ich wieder! Den Wagen verkaufe ich
wieder!" klagte er laut.
„Können wir Ihnen Helsen?" fragte der Werkingenieur.
„Da ist nichts zu helfen!" jammerte der Elegante, „alle zehn
Kilometer eine neue Panne. Der Motor ist so verzwickt gebaut,
da kenne sich der Teufel aus! Dreißig Jahre fahre ich nun schon
meinen Wagen, aber hier bin ich verloren. Dabei kostet mich der
Wagen zweiundzwanzigtausend Mark!"
„Ich glaube es, ein Amerikaner," sagte der Werkingenieur be-
wundernd, „die Amerikaner sind gut."
„In Amerika vielleicht!" fluchte der Fremde, „aber bei uns kennt
sich keiner damit aus! Zehn Jahre bin ich einen deutschen Wagen
gefahren — ja, Ihre Marke, mein Lerr, Ihre Marke — ich habe
mich um den Wagen nicht zu kümmern brauchen, nie eine Panne, nie
den geringsten Aerger — ich habe den Wagen verkauft, um mir
diese Riesenkiste da auf den Lals zu laden — hätte ich nur noch
Ihren Wagen, mein Lerr, wie froh wäre ich jetzt!"
„Lörte ich recht?" fragte der unschlüffige Lerr.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Schönheits-Konkurrenz"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 185.1936, Nr. 4745, S. 23
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg