An der Wasserkante
Seehundsjagd
Zwei Seehunde hat Weingast bereits erlegt; jetzt möchte er noch
den dritten haben. Leider aber schließt sich Schnase an. Geradezu auf-
gedrängt hat er sich; Weingast hätte grob werden müssen, wenn er ihn
hätte loswerden wollen. Allerdings — Weingast selber ist schuld daran
gewesen; er hat die Jagd zu verführend geschildert, im Vertrauen auf
den Amstand, daß er sich das Verfügungsrecht über die einzige auf
Westerstel vorhandene Büchse gesichert hat. Aber was hat Schnase
getan? Er hat nach Lause telegraphiert und sich auf dem Eilwege seine
Schützenflinte kommen lassen, mit der er schon zweimal Schützenkönig
geworden ist. „Schießen muß der infame Kerl also können!" denkt
Weingast und ärgert sich.
Bei Beginn der Ebbe oder, wie es richtiger heißt, denn die
Leute an der See sagen so: mit fallendem Strom fährt der Jäger
hinaus zur Sandbank und legt sich dort in den Sand, aber gegen
den Wind, denn die Seehunde haben, wie die Landhunde, sehr feine
Nasen, doch schwache Augen. Bemerkt er einen Seehund im Wasser,
dann macht der Jäger, der dunkel gekleidet ist, damit er von fern
für eine Robbe gehalten werden kann, einige tollpatschige Bewe-
gungen. Der Seehund, der Geselligkeit liebt, glaubt, einen Kollegen
vor sich zu haben, kommt heran, klettert auf den Sand hinauf, und
dann, sowie er mit der Brust aus dem Wasser ist, muß geschossen
werden.
Schön — Weingast und Schnase machen das so, und nach einer
Stunde kommt auch wirklich ein Seehund an, ein strammer Kerl. Er
nähert sich, er will aus dem Wasser, und da — — Weingast möchte
platzen vor Wut: Schnase hat die günstigere Lage, er hat schon den
Finger am Abzug, gleich wird er losballern. Aber nein — das darf
nicht sein; das muß verhindert werden. Weingast flüstert: „Laben Sie
einen Jagdschein?"
Schnase schreckt zusammen. Au verflucht — daran hat er ja
nicht gedacht! Soll er nun doch noch, oder soll er nicht? Nämlich
losballern. Aber schon tut das Weingast. Baff — da hat er den
Seehund!
Der Rachsüchtige „Warum lernt denn
dein Kleener ausgerechnet so een lautes Instrument?"
„Weil der Kleene von nebenan jetzt Klavierstunden hat!"
Dankbarkeit „Die großtuerischen Lehmanns im ersten Stock
braten nächsten Sonntag scho wieder a Gans." — „Unglaublich! Woher
wissen S' denn das, Frau Bacherl?" — „I bin ja dazu eingladen!"
And dann wendet er sich zu Schnase: „Ich wollte nämlich
bemerken: Falls Sie einen Jagdschein haben, so ist das ganz
überflüssig. Aus Seehunde darf jeder schießen, der Lust hat
--weil die Beester doch so zahlreich sind und der Fischerei
so sehr schaden."
Das große Theater
Direktor Kornmeier, der in dem großen Seebade für die
Lauptsaison das Kurtheater gepachtet hat und sich darin mit
einer ganz tüchtigen Truppe ordentliche, aber leider sehr
schlecht belohnte Mühe gibt — Direktor Kornmeier schlendert
mit Kamill Krause, seinem jugendlichen Leiden, die Strand-
promenade entlang.
Da steht das Strandleben in vollster Blüte. Die jungen
Damen suchen so reizend wie möglich zu sein, und die jungen
Lerren legen es darauf an, zu imponieren. Die älteren Damen
erzählen einander von ihren Kindern, von ihrem Laushalt,
vom winterlichen Vergnügen, und jede möchte die andern über-
trumpfen. Und die älteren Lerren sprechen von Beruf und
Geschäften, und jeder will wichtiger genommen werden als
die andern.
Direktor Kornmeier seufzt schwer. „Ein Ochse bin ich ge-
wesen," spricht er dumpf, „mich hier auf das Theater einzu-
lassen. Es ist ja klar, daß die Bude hundeleer sein muß. Warum
sollen denn die Leute abends da noch hineingehn I"
„Ich verstehe Sie nicht, Lerr Direktor," sagt Kamill
Krause.
„Ra, die Bande spielt hier ja selber genug Komödie!"
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Seehundsjagd
Zwei Seehunde hat Weingast bereits erlegt; jetzt möchte er noch
den dritten haben. Leider aber schließt sich Schnase an. Geradezu auf-
gedrängt hat er sich; Weingast hätte grob werden müssen, wenn er ihn
hätte loswerden wollen. Allerdings — Weingast selber ist schuld daran
gewesen; er hat die Jagd zu verführend geschildert, im Vertrauen auf
den Amstand, daß er sich das Verfügungsrecht über die einzige auf
Westerstel vorhandene Büchse gesichert hat. Aber was hat Schnase
getan? Er hat nach Lause telegraphiert und sich auf dem Eilwege seine
Schützenflinte kommen lassen, mit der er schon zweimal Schützenkönig
geworden ist. „Schießen muß der infame Kerl also können!" denkt
Weingast und ärgert sich.
Bei Beginn der Ebbe oder, wie es richtiger heißt, denn die
Leute an der See sagen so: mit fallendem Strom fährt der Jäger
hinaus zur Sandbank und legt sich dort in den Sand, aber gegen
den Wind, denn die Seehunde haben, wie die Landhunde, sehr feine
Nasen, doch schwache Augen. Bemerkt er einen Seehund im Wasser,
dann macht der Jäger, der dunkel gekleidet ist, damit er von fern
für eine Robbe gehalten werden kann, einige tollpatschige Bewe-
gungen. Der Seehund, der Geselligkeit liebt, glaubt, einen Kollegen
vor sich zu haben, kommt heran, klettert auf den Sand hinauf, und
dann, sowie er mit der Brust aus dem Wasser ist, muß geschossen
werden.
Schön — Weingast und Schnase machen das so, und nach einer
Stunde kommt auch wirklich ein Seehund an, ein strammer Kerl. Er
nähert sich, er will aus dem Wasser, und da — — Weingast möchte
platzen vor Wut: Schnase hat die günstigere Lage, er hat schon den
Finger am Abzug, gleich wird er losballern. Aber nein — das darf
nicht sein; das muß verhindert werden. Weingast flüstert: „Laben Sie
einen Jagdschein?"
Schnase schreckt zusammen. Au verflucht — daran hat er ja
nicht gedacht! Soll er nun doch noch, oder soll er nicht? Nämlich
losballern. Aber schon tut das Weingast. Baff — da hat er den
Seehund!
Der Rachsüchtige „Warum lernt denn
dein Kleener ausgerechnet so een lautes Instrument?"
„Weil der Kleene von nebenan jetzt Klavierstunden hat!"
Dankbarkeit „Die großtuerischen Lehmanns im ersten Stock
braten nächsten Sonntag scho wieder a Gans." — „Unglaublich! Woher
wissen S' denn das, Frau Bacherl?" — „I bin ja dazu eingladen!"
And dann wendet er sich zu Schnase: „Ich wollte nämlich
bemerken: Falls Sie einen Jagdschein haben, so ist das ganz
überflüssig. Aus Seehunde darf jeder schießen, der Lust hat
--weil die Beester doch so zahlreich sind und der Fischerei
so sehr schaden."
Das große Theater
Direktor Kornmeier, der in dem großen Seebade für die
Lauptsaison das Kurtheater gepachtet hat und sich darin mit
einer ganz tüchtigen Truppe ordentliche, aber leider sehr
schlecht belohnte Mühe gibt — Direktor Kornmeier schlendert
mit Kamill Krause, seinem jugendlichen Leiden, die Strand-
promenade entlang.
Da steht das Strandleben in vollster Blüte. Die jungen
Damen suchen so reizend wie möglich zu sein, und die jungen
Lerren legen es darauf an, zu imponieren. Die älteren Damen
erzählen einander von ihren Kindern, von ihrem Laushalt,
vom winterlichen Vergnügen, und jede möchte die andern über-
trumpfen. Und die älteren Lerren sprechen von Beruf und
Geschäften, und jeder will wichtiger genommen werden als
die andern.
Direktor Kornmeier seufzt schwer. „Ein Ochse bin ich ge-
wesen," spricht er dumpf, „mich hier auf das Theater einzu-
lassen. Es ist ja klar, daß die Bude hundeleer sein muß. Warum
sollen denn die Leute abends da noch hineingehn I"
„Ich verstehe Sie nicht, Lerr Direktor," sagt Kamill
Krause.
„Ra, die Bande spielt hier ja selber genug Komödie!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Rachsüchtige" "Dankbarkeit"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 185.1936, Nr. 4747, S. 55
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg