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Der merkwürdige Krankheitsfall V°n Ralph urban

„Otto/ sagte Frau Kruse zum elfjährigen Sprößling, „stelle einst-
weilen nichts an, und daß du um neun Ahr ins Bett gehst! Wir
kommen so um zehn zurück."

„Es wird gut sein, wenn du die Lateinausgabe nochmals durch-
stehst," schloß sich der Vater den mütterlichen Verhaltungsmaßregeln
an, um auch etwas zu sagen. Woraus Lerr und Frau Kruse ausgingen.

Otto ließ dem Laieinbuch seine Ruhe, vertiefte sich aber desto
heftiger in einen Band Karl May. Er verschlang die wenigen Seiten,
die er noch zu lesen hatte, dann klappte er das Buch zu und be-
gann angestrengt nachzusinnen, womit er die Zeit totschlagen könnte.
Er dachte natürlich gar nicht daran, schon zu Bett zu gehen.

Gegen halb elf Ahr kehrten Lerr und Frau Kruse heim. Als
das Familienoberhaupt die Tür aufgeschlossen hatte, erstarrte die
väterliche Land auf der Klinke.

„Rinaldini, edler Reiiber, Rinaldini, wach' doch auf —" klang
die kräftige Stimme des Lerrn Sohnes aus dem Zimmer. Die
väterliche Land löste sich
von der Klinke und ver-
wandelte sich schon jetzt
in ein Schwungrad,
während die besorgte
Mutter rief: „Am Got-
tes willen, was ist denn
da geschehen!"

Es war wirklich et-
was geschehen. Otto
saß am Tisch, sah mit
brennend roten Flecken
im Gesicht wie ein Flie-
genpilz aus, blickte irr
und sprach beim leb-
haften Eintritt der El-
tern: „Aha, jetzt kommt
man? Setzen Sie sich,

Kruse, Sie sind ein seiner
Lecht!"

„Der Zunge ist ja
krank," schrie FrauKruse
und stürzte zu dem
armen Kind. Ein Griff
nach seinem Kopf über-
zeugte sie davon, daß
der Sohn starkes Fieber
haben müsse. Außerdem
phantasierte er.

„Lole sofort den
Arzt," rief Frau Kruse
ihrem Mann zu, „ich
bringe das Kind einst-
weilen ins Bett."

66

Lerr Kruse eilte fort und traf den Doktor glücklicherweise zu
Lause an. Eine Viertelstunde später betraten sie das Zimmer.

„Das arme Kind ist bewußtlos und röchelt schon," schrie die be-
sorgte Mutter den Eintretenden entgegen. Otto röchelte wirklich, sein
Atem ging schwer und rasselnd. Der Arzt legte rasch den Mantel
ab, dann trat er an das Krankenbett. Er fühlte den Puls, schraubte
hierauf das Lörrohr zusammen und behorchte eine Weile das Innen-
leben des Patienten. Zum Schluß stülpte er ihm die Augenlider um
und beleuchtete die Pupillen mit seiner Taschenlampe. Rach Been-
digung der Antersuchung strich der Doktor nachdenklich seinen Spitz-
bart. „Laben Sie Wein zu Lause?" wandte er sich an Lerrn Kruse.

„Nein," antwortete dieser, „nicht einen Tropfen."

„Vielleicht Schnaps, Likör oder irgendeinen andern Alkohol?"

„Seit zehn Jahren kommt bei uns kein Alkohol mehr ins Laus,"
übernahm Frau Kruse die Antwort. „Zch bin nämlich zweite Vor-
sitzende unserer Ortsgruppe des Bundes der Abstinenzler. Daher
werden Sie verstehen, daß bei uns geistige Getränke verpönt sind.

Man kann aber viel-
leicht aus der Apotheke
Alkohol holen."

Der Arzt meinte,
daß es nicht gerade not-
wendig wäre, verord-
nete eine kalte Abrei-
bung und für den näch-
sten Morgen eine Aspi-
rintablette. Grund zur
Besorgnis wäre nicht
vorhanden, der Junge
würde morgen abend
wieder auf dem Damm
sein. Am den Krank-
heitserreger befragt,
murmelte der Doktor
einige lateinischeWorte,
worauf Frau Kruse
„Aha" sagte, obwohl
sie keine blasse Ahnung
hatte.

Lerr Kruse beglei-
tete den Arzt hinunter
und unterhielt sich mit
ihm im Flüsterton.

Am nächsten Morgen
hatte Otto Kopfschmer-
zen, aber die Aspirin-
tablette half. AmAbend,
als Lerr Kruse nach
Lause kam, war der
Junge schon wieder

(Fortsetzung Seite 68)

Liebesbrief
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Liebesbrief"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Kommentar
Herbert Lehmann

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 185.1936, Nr. 4748, S. 66

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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