Fliegende Blätter (185.1936 (Nr. 4744-4770) = 92. Jahrg.)

Zeichnung von Niemeher-Äoxtek

für seinen einstigen hohen Beruf
nötige Erziehung zu geben. Sie und
ihre Lofdamen verhimmelten den
Knaben und dann den Jüngling, und
da er bei scharfem Verstände und
schneller Auffassung leicht ein nicht
geringes Wiffen sich «»eignete, prie-
sen ihn als einen ausgezeichneten
Prinzen auch diejenigen seiner Lehrer,
die andrerseits mit einiger Sorge
eine immer mehr wachsende, schließ-
lich nicht den geringsten Widerspruch
duldende Aeberheblichkeit bei ihm
sahen.

Die begreiflichen Folgen zeigten
sich, als Sebald VII. den Thron be-
stieg. Der junge König war überzeugt,
alles zu verstehen und alles besser
zu wissen, als sonst überhaupt je-
mand im ganzen Lande. Der alte
Premierminister Apelles von Löwen-
stern, auf dessen gute Ratschläge
Udo V. stets gehört hatte, wurde
schon nach acht Tagen entlassen und
zog sich verbittert in die Einsamkeit
zurück. Sein Nachfolger, ein redlicher,
aber in den Staatsgeschäften uner-
fahrener Mann, hielt sich nur so-
lange, bis er sich tüchtig eingearbei-
tet hatte; als er dann einmal seine
eigene wohlerwogene Meinung der
des Königs entgegenstellen wollte,
flog er. Es kamen dann noch eine
Reihe Premierminister, denen es
nicht besser erging, bis schließlich
der Dr. Cujacius als willfährigster
Diener seines königlichen Lerrn er-
schien. Er widersprach niemals; er
zeigte nie auch nur das geringste
Spürchen einer eigenen Meinung,
er sagte zu allem Ja, was der
König getan oder unterlassen wissen
wollte.

Aufmunterung „Wenn S' rausfalln, Fräulein — i fang Sie mit offenen Armen auf."

„Muaß i da zerscht aus der Schaukel falln?"

Der graue Mann D°» Robinson

Die Geschichte soll in den Annalen des Jakob Melissander ge-
standen haben, die die Regierungszeit Ados V. und Sebalds VII.
behandelten. Aber leider sind sie in keiner Bibliothek mehr zu finden
und wohl für immer in Verlust gerate».

Sebald VII. folgte im Alter von 22 Jahren seinem Großvater
Udo V. Sein nicht auf den Thron gelangter Vater Jonas war auf
einer Bärenjagd ums Leben gekommen, als Sebald II Jahre alt
war. Die Mutter Iucunda, der keine besonderen Geistesgaben ver-
liehen waren, verstand keineswegs, dem nunmehrigen Thronfolger,
um den sich der Großvater, der alte König, gar nicht kümmerte, die

Im ll. Regierungsjahre Se-
balds VII., als Dr. Cujacius schon
sechs Jahre Premierminister war,
standen die Dinge schlecht. Schwere
außenpolitische Fehler waren gemacht
und im Innern teils wichtige Re-
formen versäumt, teils bedenkliche
Neuerungen eingeführt worden.
Wirklich, es sah schlimm aus, und
nicht wenige Bürger waren in Sor-
gen um das Land. Da nun trat als
ganz flüchtige Erscheinung jenerMan»
auf, der in der Geschichte nur der
„graue Mann" genannt wird, weil sein Name nicht in Erfahrung
zu bringen war.

Sebald VII. ging mit dem Premierminister Dr. Cujacius in dem
berühmten, an wundervollen Skulpturen und reizenden Pavillons
so reichen Park seines Lustschlosses Laudinenhof spazieren, als ihm
der Mann in den Weg kam. Er war ganz in schlichtes Grau ge-
kleidet, trug auch einen grauen Lut, und als er diesen nun vor dem
Könige abnahm, zeigte er auch volles graues Laar. Er verbeugte
sich tief vor dem Lerrscher, so zu erkennen gebend, daß er wüßte,
wen er vor sich hatte.

Sebald VII. war gerade sehr guter Laune, weil ihm zu einigen
Absichten der Premierminister wieder einmal Bewunderung gezollt

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