o
Liebeserklärung
Es waren wieder zwei reizende Teestunden
gewesen. Kurt hatte gar nicht geahnt, daß seine
Kusine so nette Freundinnen hatte, wie diese
Lore, die sie nun zum zweiten Mal mitgebracht
hatte. Er hatte den Mädchen vorgeschlagen, den
Donnerstag nachmittag zu einer ständigen Ein-
richtung werden zu lassen. Nun waren sie fort,
aber das Zimmer war Heller als sonst — es war
irgend etwas dageblieben, etwas frohes, zärtliches.
Kurt öffnete das Fenster und ließ den Ziga-
rettenrauch in weichen Wolken hinausfliegen.
Dann stellte er die Tassen zusammen. Er stutzte,
als er unter Lores Taffe, halb daruntergeschoben,
ein Stückchen Papier fand. Es war eine Visiten-
karte. „Ich suche dich!" stand mit einer etwas
Pretiosen Landschrift darauf geschrieben. Er drehte
die Karte herum. Lore Cornelius war aufgedruckt.
Instinktiv barg er dies Bekenntnis in einem
verschwiegenen Fach seines Schreibtisches und
ging mit großen Schritten im Zimmer umher.
Er überlegte, was ihr wohl an ihm so gefallen
haben könne. Dann machte er im Nebenzimmer
halt und zog seine Krawatte zurecht. Das ist
eine Bewegung, mit der Männer sich vor sich
und andern selbst zu bestätigen pflegen. Darauf
schloß er den Schreibtisch wieder auf, las die
drei Worte »och einmal und senkte das Kärtchen
sorglich in seine Brieftasche.
Die ganze Woche über wurde Kurt das kleine
Erlebnis nicht los. Er hatte ein wenig Angst vor
dem Wiedersehen, als seine Kusine am Mittwoch
anrief, daß sie Donnerstag kommen würden. Er
schlief nicht gut diese Nacht. Gegen Mittag war
er entschlossen, zu tun, als sei überhaupt nichts
vorgcfallen. Das würde nicht nur taktvoll, sondern
auch wellklug sein, denn solche Zurückhaltung
konnte seinen Wert in den Augen Lores ja schließ-
lich nur steigern. Wenn aber nicht? Wenn sie
nun etwa über sein Schweigen gekränkt wäre.
Eine verteufelte Situation, in der einem kein
Landbuch des guten Tones, kein gesunder
Menschenverstand und keine Logik helfen konnte!
Da klingelte es auch schon, und Helles Lachen
im Korridor riß ihn aus seinen quälenden Aeber-
legungen.
Zu seinem eignen Staunen war er plötzlich
ziemlich ruhig, als sie sich nun gegenübersaßen.
Aber seine Land zitterte doch ein wenig, als er
neben ihr stand, um ihr die Sandwiches anzu-
bieten, und als dabei sein Blick auf das halb
geöffnete Landtäschchen fiel, das vor ihr auf dem
Tischchen lag. Darin wimmelte es von Dingen,
wie sie die meisten Frauen immer mit sich herum-
tragen, und es schien ihm, als luge ein Kärtchen
daraus hervor.
„Was für Geheimnisse haben Sie denn in
Ihrem Täschchen?" fragte er. — Sie drehte sich
lachend um, drückte den Bügel ins Schloß.
„Von Ihnen erfährt man ja auch nichts!"
sagte sie, und das war doch wohl eine deutliche
Mahnung.
„Wie nervös du heute bist, Kurt!" tadelte
die Kusine.
Später spielte Lore auf dem Flügel. Wirklich
überraschend gut.
Aber Kurt hörte nur halb hin. „Von Ihnen
erfährt man ja auch nichts!" O, heute, solange
sie da waren, kam er ja doch nicht zum Aeber-
legen, wie er sein Verhalten einrichten sollte.
Er wünschte beinahe, daß er jetzt allein wäre.
Aber als Lore mit einem entschlossenen Ruck den
Deckel zuklappte und sagte, sie müsse nun gehen,
tat es ihm doch leid.
Als sie fort waren, öffnete er den Flügel.
Auf dem schmalen polierter Stück Lolz rechts
von dem allerhöchsten A lag ein Kärtchen, mit der
bedruckten Seite diesmal nach oben. „Lore Corne-
lius." Er drehte es erst nach ungefähr fünfMinuten
herum. „Ocy Hab an dich gedacht!" stand darauf.
Da setzte Kurt sich hin und schrieb einen
glühenden Liebesbrief. Es gibt einen Satz, nach
dem jeder Mensch einmal im Leben zum Dichter
wird. Bei Kurt war dieserMoment jetzt eingetreten.
Er wollte gerade alles noch einmal überfliegen,
da klingelte das Telephon. Lore war am Apparat-
„Ich hoffe, ich störe Sie nicht!" sagte sie.
„O nein!" — „Labe ich vielleicht bei Ihnen
etwas liegen lassen?"
„Lore!" ries er beglückt, „natürlich haben Sie
etwas liegen lassen. Ist es denn wirklich wahr?"
„Was soll wahr sein?"
„Daß — daß — Sie-" stotterte er.
„Ach," sagte die Mädchenstimme sehr ruhig,
„Sie haben es mir nicht zugetraut, daß ich mir
Schlagerplatten kaufe. Ja, aber ich tu's! And ich
bin gerade mit Ihrer Kusine im Grammophon-
Was man schwarz auf weiß geschäft und habe, glaube ich, bei Ihnen den Titel
besitzt, kann man gettost nach vergessen, den ich mir notiert hatte. Vielleicht
Lause tragen! sehen Sie auch mal im Flügel nach!"
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Liebeserklärung
Es waren wieder zwei reizende Teestunden
gewesen. Kurt hatte gar nicht geahnt, daß seine
Kusine so nette Freundinnen hatte, wie diese
Lore, die sie nun zum zweiten Mal mitgebracht
hatte. Er hatte den Mädchen vorgeschlagen, den
Donnerstag nachmittag zu einer ständigen Ein-
richtung werden zu lassen. Nun waren sie fort,
aber das Zimmer war Heller als sonst — es war
irgend etwas dageblieben, etwas frohes, zärtliches.
Kurt öffnete das Fenster und ließ den Ziga-
rettenrauch in weichen Wolken hinausfliegen.
Dann stellte er die Tassen zusammen. Er stutzte,
als er unter Lores Taffe, halb daruntergeschoben,
ein Stückchen Papier fand. Es war eine Visiten-
karte. „Ich suche dich!" stand mit einer etwas
Pretiosen Landschrift darauf geschrieben. Er drehte
die Karte herum. Lore Cornelius war aufgedruckt.
Instinktiv barg er dies Bekenntnis in einem
verschwiegenen Fach seines Schreibtisches und
ging mit großen Schritten im Zimmer umher.
Er überlegte, was ihr wohl an ihm so gefallen
haben könne. Dann machte er im Nebenzimmer
halt und zog seine Krawatte zurecht. Das ist
eine Bewegung, mit der Männer sich vor sich
und andern selbst zu bestätigen pflegen. Darauf
schloß er den Schreibtisch wieder auf, las die
drei Worte »och einmal und senkte das Kärtchen
sorglich in seine Brieftasche.
Die ganze Woche über wurde Kurt das kleine
Erlebnis nicht los. Er hatte ein wenig Angst vor
dem Wiedersehen, als seine Kusine am Mittwoch
anrief, daß sie Donnerstag kommen würden. Er
schlief nicht gut diese Nacht. Gegen Mittag war
er entschlossen, zu tun, als sei überhaupt nichts
vorgcfallen. Das würde nicht nur taktvoll, sondern
auch wellklug sein, denn solche Zurückhaltung
konnte seinen Wert in den Augen Lores ja schließ-
lich nur steigern. Wenn aber nicht? Wenn sie
nun etwa über sein Schweigen gekränkt wäre.
Eine verteufelte Situation, in der einem kein
Landbuch des guten Tones, kein gesunder
Menschenverstand und keine Logik helfen konnte!
Da klingelte es auch schon, und Helles Lachen
im Korridor riß ihn aus seinen quälenden Aeber-
legungen.
Zu seinem eignen Staunen war er plötzlich
ziemlich ruhig, als sie sich nun gegenübersaßen.
Aber seine Land zitterte doch ein wenig, als er
neben ihr stand, um ihr die Sandwiches anzu-
bieten, und als dabei sein Blick auf das halb
geöffnete Landtäschchen fiel, das vor ihr auf dem
Tischchen lag. Darin wimmelte es von Dingen,
wie sie die meisten Frauen immer mit sich herum-
tragen, und es schien ihm, als luge ein Kärtchen
daraus hervor.
„Was für Geheimnisse haben Sie denn in
Ihrem Täschchen?" fragte er. — Sie drehte sich
lachend um, drückte den Bügel ins Schloß.
„Von Ihnen erfährt man ja auch nichts!"
sagte sie, und das war doch wohl eine deutliche
Mahnung.
„Wie nervös du heute bist, Kurt!" tadelte
die Kusine.
Später spielte Lore auf dem Flügel. Wirklich
überraschend gut.
Aber Kurt hörte nur halb hin. „Von Ihnen
erfährt man ja auch nichts!" O, heute, solange
sie da waren, kam er ja doch nicht zum Aeber-
legen, wie er sein Verhalten einrichten sollte.
Er wünschte beinahe, daß er jetzt allein wäre.
Aber als Lore mit einem entschlossenen Ruck den
Deckel zuklappte und sagte, sie müsse nun gehen,
tat es ihm doch leid.
Als sie fort waren, öffnete er den Flügel.
Auf dem schmalen polierter Stück Lolz rechts
von dem allerhöchsten A lag ein Kärtchen, mit der
bedruckten Seite diesmal nach oben. „Lore Corne-
lius." Er drehte es erst nach ungefähr fünfMinuten
herum. „Ocy Hab an dich gedacht!" stand darauf.
Da setzte Kurt sich hin und schrieb einen
glühenden Liebesbrief. Es gibt einen Satz, nach
dem jeder Mensch einmal im Leben zum Dichter
wird. Bei Kurt war dieserMoment jetzt eingetreten.
Er wollte gerade alles noch einmal überfliegen,
da klingelte das Telephon. Lore war am Apparat-
„Ich hoffe, ich störe Sie nicht!" sagte sie.
„O nein!" — „Labe ich vielleicht bei Ihnen
etwas liegen lassen?"
„Lore!" ries er beglückt, „natürlich haben Sie
etwas liegen lassen. Ist es denn wirklich wahr?"
„Was soll wahr sein?"
„Daß — daß — Sie-" stotterte er.
„Ach," sagte die Mädchenstimme sehr ruhig,
„Sie haben es mir nicht zugetraut, daß ich mir
Schlagerplatten kaufe. Ja, aber ich tu's! And ich
bin gerade mit Ihrer Kusine im Grammophon-
Was man schwarz auf weiß geschäft und habe, glaube ich, bei Ihnen den Titel
besitzt, kann man gettost nach vergessen, den ich mir notiert hatte. Vielleicht
Lause tragen! sehen Sie auch mal im Flügel nach!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 185.1936, Nr. 4760, S. 258
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg