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o

Ein Herr will lesen V°» P-.-r Robinson

In einem Liegewagen. Das oberste Bett hat ein blasser, ner-
vöser Lerr bekommen, der kurz vor der Abfahrt von dem Mann
mit dem Erquickungswägelchen sich drei Kognaks hat geben lassen —
wahrscheinlich, um gleich einduseln zu können. Das unterste Bett hat
ein robuster Mann, der den Vornamen Albert führt, wie sich bei
der Verabschiedung von seiner Gattin ergeben hat. Das Bett in der
Mitte ist freigeblieben. Das ist angenehm für die beiden Reisenden.

Am 9 Ahr 35 ist der Zug abgefahren. Am 9 Ahr 40 ist der
Schaffner gekommen, der die Fahr-
karten der Schlafpassagiere ein-
sammelt, um 9 Ahr 45 haben sich
die beiden Reisenden bereits aus-
gestreckt. Albert unten liest; der
nervöse Lerr oben wirft sich hin
und her und sieht alle drei Minu-
ten nach der Ahr.

10 Ahr. Ratsch — ratsch! Der
nervöse Lerr zieht an der
für alle drei Betten dienenden,
zur Lampenschaltung führenden
Strippe, wodurch er erst ein ma-
gisches blaues Licht und dann
völlige Dunkelheit erzielt.

„Oho!" meldet sich Albert.

„Nicht so plötzlich! Ich will noch
Licht haben!" Ratsch — er hat
das Abteil wieder erhellt.

„Ich muß dringend bitten, daß
jetzt das Licht ausgemacht wird!"
ruft der nervöse Lerr. „Das kann
ich von 10 Ahr an beanspruchen."

Albert bleibt gemütlich. „Sie
wollen sich da oben wohl als
Schwarzseher betätigen, was?"

„Ich will schlafen!" schreit der
nervöse Lerr. „Schlafen will ich!"

„So sehen Sie aus! Sagen
Sie mal ehrlich: liegen Sie immer
schon um 10 Ahr in der Klappe?"

„Nein, durchaus nicht: ich
pflege sogar nachts zu arbeiten.

Aber das geht Sie gar nichts an,
das ist meine Sache. Jetzt bin ich
im Schlafwagen, und da hat es
dunkel zu sein." Ratsch — ratsch!

And es wird dunkel.

Ratsch! — es wird wieder
hell. „Anterlassen Sie das!" ord-
net Albert etwas befehlshaberisch
274

an. „Es hat nicht den geringsten Zweck. And wenn Sie hundertmal

an der Strippe ziehn-ich ziehe dann auch."

„Das werden wir ja sehn!" kräht der nervöse Lerr; er ist vor
Aufregung etwas heiser geworden. „Oho, das werden wir ja sehn!"
Er hat da oben ein Täschchen mit Nachtutensilien bei sich, darin
kramt er jetzt. And dann kündigt er an: „Ich mache jetzt das Licht
aus. And dabei bleibt es!" Ratsch — ratsch!

Albert greift nach der Strippe; er will daran ziehen, aber sie
gibt zu sehr nach, sie hat keine Verbindung mehr mit dem Schalter.
„Was ist denn Ihnen eingefallen? Sie haben ja die Sttippe durch-
geschnitten. Das ist Sachbeschä-
digung."

„Das ist mir ganz egal; das
ist Notwehr! Ich vertrage das
Helle Licht nicht, es macht mich
halb verrückt." Der nervöse Lerr
kreischt.

Albert scheint ein gutmütiger
Mensch zu sein. „Na, wenn's denn
nicht anders ist!" brummt er. Aber
dann glaubt er doch eine Erklä-
rung seines ja nicht ganz zuläs-
sigen Lichtbegehrens geben zu
müssen. „Schade, ich hätte gern
noch weiter gelesen. Ich komme
so selten zu einem Buch. And
grade heute habe ich mir eins
gekauft."

„Sie lesen ein Buch? Ich
dachte, Sie hätten die Zeirung
vor." Der nervöse Lerr spricht
auf einmal recht liebenswürdig.

„Ja, ein Buch! Gefällt mir
außerordentlich. Ein sehr span-
nendes Buch: Das Geheimnis
von Schloß Lohenschneiz."

Ein Klageruf erschallt aus dem
oberen Bett. Ratsch — ratsch, es
wird wieder hell, denn dort oben
bammelt die Strippe ja noch. Der
nervöse Lerr krabbelt aus seinem
Bett. Er hat die Nagelschere in
der Land, mit der er vorhin die
Strippe durchschnitten hat. Jetzt
schneidet er damit die überschießen-
den Enden des Bandes ab, daS
die Losen seines Nachtanzugs
festhält. Er braucht Knüpfmate-
rial für die Beleuchtungsstrippe;

(Fortsetzung auf Sette 278)

Gewichtige Liebe »Ich schreibe auf der Post. Wenn es nach
meinen Gefühlen ginge, müßte ich meine
Küsse an dich am Paketschalter aufgeben."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Gewichtige Liebe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Claus, Martin
Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 185.1936, Nr. 4761, S. 274
 
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