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Ein Vorteil

„Seltenes Exemplar! Das Kleid kann Ihnen heute jede Frau nachmachen
— aber den Lund kriegen Sie in der ganzen Stadt nicht noch mall"

Nachricht für einen Herrn Siebenfeld

Von Peter Robinson

Siebenfeld geht oft ins Kino, mal in dieses, mal in jenes;
es gibt ja so viele. Leute ist er auf dem Wege in die „Lelios-
Lichtspiele"; da ist er noch nie gewesen, aber jetzt hat ihn die
Ankündigung einer als ergreifend gepriesenen Liebesgeschichte
gelockt; er läßt sich gern ergreifen. Die „Lelios-Lichtspiele"
sind ein Kino zweiten Ranges, das hauptsächlich mit weib-
lichem Publikum rechnet, denn in der Nähe befindet sich eine
Markthalle, und die Damen der Lalle besuchen gern das ihnen
so bequem gelegene Anterhaltungslokal.

Strunz begleitet Siebenfeld, aber nur ein Stück Wegs,
nicht etwa ins Kino. Dafür ist Strunz nicht leicht zu haben.

„Daß Sie sich immerzu diese blöden Filme ansehn müssen I"
knurrt er jetzt.

„Irgendwo muß doch so 'n armer Junggeselle wie ich
bleiben," sagt Siebenseld. „Aber Sie haben unrecht: man sieht
oft prächtige Filme. Welche Fülle von Einfällen, welche echt
aus dem Leben gegriffenen Konflikte, welche heiteren-"

„Ach Quatsch!" erklärt Strunz. „Einen guten, belehrenden
Kulturfilm lasse ich gelten, aber nicht das verlogene Zeug."

Die Unterhaltung über dieses Thema geht weiter, aber
es hat keinen Zweck, hier darauf einzugehn. Die Leute, die
für Strunz find, würden sich doch nur über Siebenfclds Aus-
führungen ärgern, und jene, die mit Siebenfeld einer Meinung
sind, würden sich durch Strunz und seine häßlichen Bemerkungen
verletzt fühlen. Schließlich ist Siebenfeld etwas verdrossen
und Strunz leicht gallig. Er trennt sich deshalb von Siebenfeld
bereits an der Ecke jener Straße, in der die „Lelios-Lichtspiele"

„Was wollen Sie denn mit den alten Korrespondenzen, Madicke?" — „Der
neue Korrespondent will sich einarbeiten, Lerr Direktor. Er will sich erst
mal unterrichten, was für Grobheiten in Mahnbriefen bei uns üblich sind."

liegen. Arsprllnglich wollte er bis zum Eingang mitkommen, wo der
Portier steht, und Siebenfeld dort mit einer munteren satirischen
Bemerkung entlassen, die auch den Portier ärgern sollte. Jetzt hat
er keine Lust mehr dazu. Er weiß aber noch nicht, daß er später es
als nützlich empfinden wird, nicht bis zum Eingang mitge-
kommen und von dem Portier mit Siebenseld zusammen ge-
sehen worden zu sein.

Siebenfeld bekommt in de» „Lelios-Lichtspielen" eine»
ausgezeichneten Platz: in der Mitte der mittelsten Reihe,
sodaß er das lebendige Zentrum des Raums darstellt. Rings
um ihn sitzen fast nur Frauen und Mädchen. Der Film heißt:
„Ein Leidensweg zum Glück". Diesen Weg muß eine schöne
junge Frau gehen, die man zuerst noch als Mädchen sieht, in
holdem Getändel mit einem Iugendgeliebten. Aber sie kriegt
ihn nicht; dem Willen einsichtsloser Eltern sich beugend, läßt
sie sich von einem reichen, aber widerlichen Kerl heiraten. Es
ist schrecklich, was sie dann von dem Patron auszustchen hat!
Aber man ahnt natürlich, daß sie schließlich doch frei und von
dem Iugendgeliebten in beglückte Arme geschlossen werden
wird. Das tun die Iugendgeliebten im Film; im gewöhnlichen
Leben bedanken sie sich meist dafür und sagen: „Der Gans ist
recht geschehn l" So muß also allmählich doch eine veredelnde
Wirkung vom Film ausgehen. Siebenfeld genießt den „Lei-
densweg" und wird ergriffen.

Strunz hat sich inzwischen in eine Kneipe gesetzt. Er ge-
nießt Bier und wird auch ergriffen, aber von einem Gedanken.
„So ein Ochse!" hat er gebrummt, mit Beziehung aus Sieben-
seid, und da war auf einmal der Keim des Gedankens da.
Er hat ihn dann begossen, mit Bier nämlich, und wie in einem
Treibhause gewärmt, mit dem Feuer seiner Erfindungskraft,
und der Gedanke ist gewachsen und ausgereift. Strunz grinst
wonnig vor sich hin.

Nach einer knappen Stunde nimmt er sich ein Auto, um
sich nach Lause fahren zu lassen. Ja, das will er sich heute
mal spendieren! Außerdem paßt es zu dem Gedanken. Er
gibt dem Schofför den Auftrag, den Weg an den „Lelios-
Licktspielen" vorbei zu nehmen und dort einen Augenblick z»
halten.

Vor den „Lelios-Lichtspielen" hat noch nie ein Auto
gehalten. Der schläfrig gewordene Portier rappelt sich auf,
als der Wagen heranbraust und plötzlich gebremst wird. Ein

(Fortsetzung Seite 327)
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ein Vorteil" "Was wollen Sie denn mit den alten Korrespondenzen, Madicke?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 185.1936, Nr. 4764, S. 325

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
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