o
Ich würde zwar gern an der Sperre bezeugen, daß Sie eine Fahr-
karte gehabt haben, die auch gültig gewesen sein muß, denn Sie
haben sie ja in meiner Gegenwart hier dem Schaffner vorgezeigt,
und der ist damit zufrieden gewesen. Aber dann würde der Mann
an der Sperre wohl erst den Stationsvorsteher rufen, und es würde
wahrscheinlich ein Protokoll ausgenommen werden müssen-end-
lose Amstände würde das geben. And ich habe leider sehr wenig Zeit."'
„Ich ja auch I" jammert die Dame. „Aber ich kann doch nicht die
ganze Fahrt noch einmal bezahlen."
„Da sind wir angelangt, und jetzt müssen wir aussteigen. Ich
würde Ihnen gern helfen, gnädige Frau. Ich glaube auch, ich kann
es. Eine Frage: wenn Sie jetzt mit Ihrem Lerrn Gemahl gefahren
wären, dann hätte er doch wohl beide Fahrkarten, nicht wahr?"
„Aber natürlich I Da wäre mir das nicht passiert."
„Gut, gnädige Fraul Lassen Sie mich also für den Weg durch
die Sperre die Rolle Ihres Lerrn Gemahls übernehmen. Ich garan-
tiere Ihnen: Sie werden glatt durchkommen. Sie müssen nur an der
Sperre hinter mir sein, und wenn ich durchgegangen bin, dann müssen
Sie stehen bleiben, zwei oder drei andere Leute vorlassen und in
Ihrem Landtäschchen suchen. Aber was dann kommt-ja, gnädige
Frau, das dürfen Sie nicht Übel nehmen. Das müssen Sie über sich
ergehen lassen."
Die Dame ist dazu gern bereit, umsomehr, als sie nun neugierig
geworden ist. Die Lerrschaften beeilen sich nicht; sie sind unter den
Nachzüglern. Der Schaffner an der Sperre hat schon einen ganzen
(Fortsetzung Seite 356)
Zeichnung von ®. Traub
Von Peter Robinson
Die Dame ist etwa 40 Jahre alt, der Lerr vielleicht 5 Jahre
älter. Eie sind acht Stunden im gleichen Abteil gefahren, in dem sie
jetzt, gegen Ende der Reise, allein sind. Der Lerr hat der Dame
einmal geholfen, ihren Landkoffer herunterzunehmen und dann, nach-
dem sie ein Buch herausgeholt, wieder hinaufzulegen; die Dame hat
freundlich gedankt, aber sonst haben sie während der ganzen Fahrt
sich nicht um einander gekümmert. Die Dame hat in ihrem Buch
gelesen, und der Lerr hat Akten studiert; vielleicht ist er Rechtsanwalt.
Endlich — — in fünf Minuten wird man die Endstation erreicht
haben. Der Lerr hat seine Akten fortgepackt und seinen Mantel an-
gezogen; die Dame hat sich gleichfalls gerüstet. Jetzt fängt sie an,
in ihrem Landtäschchen zu kramen, zuerst mit einiger Besorgnis,
dann mit offenbarer Aengstlichkeit. Sie späht aus dem Fußboden
umher, sie rückt das Polster heraus, um zu sehen, ob das, was sie
sucht, vielleicht dahinter geraten sei — — sie ist fassungslos.
„Vermissen Sie etwas, gnädige Frau?" fragt der Lerr.
„Ich habe meine Fahrkarte nicht mehr! Das ist ja schrecklich!"
„O weh! Würde sie jetzt abgefahren sein?"
„Das ja-aber ich muß sie doch abgeben. Wahrscheinlich
habe ich sie im Speisewagen beim Bezahlen mit herausgezogen, oder
ich habe sie irgendwo im Korridor verloren. Was mache ich nur?"
Der Lerr überlegt. „Jetzt noch im Zuge danach herumzusuchen,
hätte wenig Zweck; wir sind ja gleich da. Ja, was können wir tun?
354
.Ich fuhr Schuß — das haben Sie doch gesehen?!'
,Ra — gspürt!
Ich würde zwar gern an der Sperre bezeugen, daß Sie eine Fahr-
karte gehabt haben, die auch gültig gewesen sein muß, denn Sie
haben sie ja in meiner Gegenwart hier dem Schaffner vorgezeigt,
und der ist damit zufrieden gewesen. Aber dann würde der Mann
an der Sperre wohl erst den Stationsvorsteher rufen, und es würde
wahrscheinlich ein Protokoll ausgenommen werden müssen-end-
lose Amstände würde das geben. And ich habe leider sehr wenig Zeit."'
„Ich ja auch I" jammert die Dame. „Aber ich kann doch nicht die
ganze Fahrt noch einmal bezahlen."
„Da sind wir angelangt, und jetzt müssen wir aussteigen. Ich
würde Ihnen gern helfen, gnädige Frau. Ich glaube auch, ich kann
es. Eine Frage: wenn Sie jetzt mit Ihrem Lerrn Gemahl gefahren
wären, dann hätte er doch wohl beide Fahrkarten, nicht wahr?"
„Aber natürlich I Da wäre mir das nicht passiert."
„Gut, gnädige Fraul Lassen Sie mich also für den Weg durch
die Sperre die Rolle Ihres Lerrn Gemahls übernehmen. Ich garan-
tiere Ihnen: Sie werden glatt durchkommen. Sie müssen nur an der
Sperre hinter mir sein, und wenn ich durchgegangen bin, dann müssen
Sie stehen bleiben, zwei oder drei andere Leute vorlassen und in
Ihrem Landtäschchen suchen. Aber was dann kommt-ja, gnädige
Frau, das dürfen Sie nicht Übel nehmen. Das müssen Sie über sich
ergehen lassen."
Die Dame ist dazu gern bereit, umsomehr, als sie nun neugierig
geworden ist. Die Lerrschaften beeilen sich nicht; sie sind unter den
Nachzüglern. Der Schaffner an der Sperre hat schon einen ganzen
(Fortsetzung Seite 356)
Zeichnung von ®. Traub
Von Peter Robinson
Die Dame ist etwa 40 Jahre alt, der Lerr vielleicht 5 Jahre
älter. Eie sind acht Stunden im gleichen Abteil gefahren, in dem sie
jetzt, gegen Ende der Reise, allein sind. Der Lerr hat der Dame
einmal geholfen, ihren Landkoffer herunterzunehmen und dann, nach-
dem sie ein Buch herausgeholt, wieder hinaufzulegen; die Dame hat
freundlich gedankt, aber sonst haben sie während der ganzen Fahrt
sich nicht um einander gekümmert. Die Dame hat in ihrem Buch
gelesen, und der Lerr hat Akten studiert; vielleicht ist er Rechtsanwalt.
Endlich — — in fünf Minuten wird man die Endstation erreicht
haben. Der Lerr hat seine Akten fortgepackt und seinen Mantel an-
gezogen; die Dame hat sich gleichfalls gerüstet. Jetzt fängt sie an,
in ihrem Landtäschchen zu kramen, zuerst mit einiger Besorgnis,
dann mit offenbarer Aengstlichkeit. Sie späht aus dem Fußboden
umher, sie rückt das Polster heraus, um zu sehen, ob das, was sie
sucht, vielleicht dahinter geraten sei — — sie ist fassungslos.
„Vermissen Sie etwas, gnädige Frau?" fragt der Lerr.
„Ich habe meine Fahrkarte nicht mehr! Das ist ja schrecklich!"
„O weh! Würde sie jetzt abgefahren sein?"
„Das ja-aber ich muß sie doch abgeben. Wahrscheinlich
habe ich sie im Speisewagen beim Bezahlen mit herausgezogen, oder
ich habe sie irgendwo im Korridor verloren. Was mache ich nur?"
Der Lerr überlegt. „Jetzt noch im Zuge danach herumzusuchen,
hätte wenig Zweck; wir sind ja gleich da. Ja, was können wir tun?
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.Ich fuhr Schuß — das haben Sie doch gesehen?!'
,Ra — gspürt!
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ich fuhr Schuß - das haben Sie doch gesehen?!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)