Kuno von Rabene
umzuschleichen'). — Plötzlich geschah ein Knall, als ob eine
Schaar von Erzgepanzertcn prasselnd über eine Marmortreppe
hinabkollerte7 8 9) Es war höher oben, auf der Nordseite des
Schlosses, Das Kaminfeuer im Gemache der Burgfrau, einer
gebornen Freyin von Bogclstein, begann zu erlöschen. „Hat
denn Eines von Euch das Gespenst schon gesehen?" fragte
die Burgfrau, scheinbar gedankenlos.
„Gewiß, Euer Gnaden," eutgegnete Beata, die Kammer-
jungfer, ein schelmisches Lockenköpfchen, die ihre 16 Jahre
noch nicht ausgetobt hatte, — „ unser Peter hat den Burg-
geist schon dreimal hintereinander gesehen, eine Gestalt, deren
Gewand anzuschauen war, wie der blau brennende Schwefel.
Wörgl, der Leibschütz sah. ihrer Zwei mit spitzigen weißen
Hauben vom Burghügel dort an der Nordseite heruntergucken,
und Kunzen hats gar die vergangene Nacht erst vom Jammer-
felsen *) herabgewinkt und gepfiffen10); aber er hat sich wohl
nicht umgeschaut nach dem bösen Kauz, — prosit die Mahlzeit!
brrr!" — Und dem armen Mädchen floß ein kalter Schauer11 12 13)
über den vollen blendenden Nacken10). Man setzte sich wieder
an's Feuer. Man sann auf unterhaltenden Stoff für das Ge-
spräch. Man sprach von Krieg, theurer Zeit10), Räuberbanden,
Turnieren und Gespenstern; alles wurde endlich erschöpft.
Da donnerte plötzlich abermals der alte Burggeist die all-
mählig in Schlummer Nickenden fürchterlich empor. Es war,
als tobte über ihnen das wüthende Heer11), und schritt den
Saal aus und nieder. Als stieg ein Gewappneter 15) Trepp
auf, Trepp ab, so scholl's in die ängstlich lauschenden Ohren der
erschütterten Burgfrau und ihrer tiefergriffenen Kammerjungfer.
Die Rosse in den hochgewölbten Stallungen wieherten mit selt-
sam gesträubten Mähnen16) ängstlich durcheinander, und schlugen
mit ihren Hufen gegen die Steinplatte17 18) des Bodens. Die
Hunde im ganzen Schloße heulten bald zu dem in feierlicher
Sülle am Himmel hängenden Vollmond empor10), oder win-
selten in übernatürlicher Erregung leise vor sich hin. Alle
übrigen Hausthiere gaben, — jedes nach seiner Art, — eine
gleich qualvolle Beklommenheit deutlich zu erkennen 19).
7) „Ränke und Schwänke der Schleichhändler." S. 25.
8) Rau „über den Koller der Pferde." S. 38.
9) „Schauplatz jämmerlicher Mordgeschichten, bestehend in 200
traurigen Begebenheiten." S. 632.
10) Ciofano's „Trommel- und Pfeifeüchule." . S. 18.
11) Reden's „Seelenspiegel für junge Damen." I. 16.
12) „Bon den Weltkörpern" von N. Schund. S. 105.
13) „Die bayerische Köchin in Böhmen. Von A. Neudecker. S. 129.
14) Der Freischütz, Oper von F. Kind, Musik von C. M. v. Weber.
8ter Aufzug, 3te Scene.
15) Siebmacher's „Großes Wappenbuch." Mit Text von O. T. v.
Hefner. S. 9.
16) „lieber die Natur und Behandlung des Weichselzopfes" von
Matuszyaski. S. 63.
17) „Die Bortheile der Holzpflasterung" von C. Hölzlmayer. S. 32.
18) Schönheits „Wunder der Thierwelt." S- 11.
19) „Jahresbericht des Münchener Vereins gegen Thierquälerei." S. 28.
ck, der Verfehmte. 115
„Droben auf Rabeneck gehüs irre!" flüsterten schaudernd
die Bauern in der Nachbarschaft untereinander, und steckten,
sich vielfach bekreuzend, sich noch tiefer unter die Wollendecken'10)
ihres ärmlichen Lagers.
Und gerade in derselben Nacht, und um die nemliche
Stunde sah Kuno von Rabeneck ein Schiff an Joppe's Strande,
das die Segel blühte01), und schiffte auf demselben mit sei-
nem treuen Kürt, Fatimen, und ihrer schwarzen Sklavin, nach
glücklich gelungener Flucht aus dem Hause Ibrahim Sahibs,
wohlgemuth nach Europa herüber00).
Zwölf Stunden später verscheuchte ein wonnig lächelnder
Mai-Morgen voll duftiger Blüthen und springender Knospen mit
seinem von Lerchenwirbel00), Amselschlag und Schwalbenge-
zwitscher lieblich angesungenen azurblauen Himmelszelte die letz-
ten trüben Wolkenschatten, welche die gestrige Schrcckensnacht
auf der schönen Stirne01) der Burgfrau von Rabeneck, gebornen
Freyin von Vogelstein, aufgethürmt hatte. Wir erblicken die-
selbe darum heute schon am frühen Morgen, nach andächtig ge-
hörter Messe und fröhlich eingenommenem Morgenimbiß °°) auf
dem hohen, malerisch situirten Söller, das schön gedrechselte
Spinnrad vor sich, umgeben von ihren blühenden Töchtern Jutta
und Schwanhilde, die, in einem nützlichen Buche °°) blätternd,
von Zeit zu Zeit dem kindlich wilden Treiben ihres kleinen flachs-
köpfigen Brüderleins mit liebreicher Ermahnung abboten, wel-
cher, ganz des Vaters Ebenbild, und auch, wie er, Kuno genannt,
sich mit Beaten im blumigen Grase herumtummelte, um Schmet-
terlinge zu erjagen01). Vergebens hatte Vater Benno, der ehr-
würdige und gelehrte Castellan, dessen müde Gebeine allmählig
dem Grabe zuzuwanken begannen, — seinen Curtius und die
Feldzüge des Julius Cäsar (zwei kostbare alte Handschriften auf
vergilbtem Pergament) aus der verstäubten Bibliothek in's
Freie °8) herausgetragen, um dem kleinen Junker die kühnen Un-
ternehmungen jener alten Feldherren vorbildlich zu ent-
wickeln °°).
(Schluß folgt.)
20) Winke für Wolleinkäufer." S. 77.
21) „Keine Blähungen mehr" von H. Ritter. S. 82.
22) Joh. Reinh. Forster's „Geschichte der Schisfsahnen und Ent-
deckungen im Norden", S. 72; und Nikolai's „Bon der Schiff-
fahrt und Rayß in die Turkey vnd gegen Orient." (Nürnberg
1572.) Ir. Thl. S. 413.
23) „lieber den Lercheubaum" von Blauet. S. 35.
24) „Kein Kopfweh mehr" von De. C B. D. Köpfinger. S. 82.
25) Schmidts „Grundsätze der „Bierbräuerei." S. 28 und F. X.
Buttermann's „Küsebereitung." S. 15.
26) O. v. Redwitz's „Siegelinde" S. 116 und „Briefsteller für Lie-
bende." S. 90.
27) Morand's „Fisch- und Krebsfangsgeheimnisse," hier nur sehr
wenig zu gebrauchen.
28) „Ueber Lehr- und Lernfreiheit der deutschen Hochschulen." S. 39.
29) Talander's „Getreuer Hofmeister." S. 74.
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umzuschleichen'). — Plötzlich geschah ein Knall, als ob eine
Schaar von Erzgepanzertcn prasselnd über eine Marmortreppe
hinabkollerte7 8 9) Es war höher oben, auf der Nordseite des
Schlosses, Das Kaminfeuer im Gemache der Burgfrau, einer
gebornen Freyin von Bogclstein, begann zu erlöschen. „Hat
denn Eines von Euch das Gespenst schon gesehen?" fragte
die Burgfrau, scheinbar gedankenlos.
„Gewiß, Euer Gnaden," eutgegnete Beata, die Kammer-
jungfer, ein schelmisches Lockenköpfchen, die ihre 16 Jahre
noch nicht ausgetobt hatte, — „ unser Peter hat den Burg-
geist schon dreimal hintereinander gesehen, eine Gestalt, deren
Gewand anzuschauen war, wie der blau brennende Schwefel.
Wörgl, der Leibschütz sah. ihrer Zwei mit spitzigen weißen
Hauben vom Burghügel dort an der Nordseite heruntergucken,
und Kunzen hats gar die vergangene Nacht erst vom Jammer-
felsen *) herabgewinkt und gepfiffen10); aber er hat sich wohl
nicht umgeschaut nach dem bösen Kauz, — prosit die Mahlzeit!
brrr!" — Und dem armen Mädchen floß ein kalter Schauer11 12 13)
über den vollen blendenden Nacken10). Man setzte sich wieder
an's Feuer. Man sann auf unterhaltenden Stoff für das Ge-
spräch. Man sprach von Krieg, theurer Zeit10), Räuberbanden,
Turnieren und Gespenstern; alles wurde endlich erschöpft.
Da donnerte plötzlich abermals der alte Burggeist die all-
mählig in Schlummer Nickenden fürchterlich empor. Es war,
als tobte über ihnen das wüthende Heer11), und schritt den
Saal aus und nieder. Als stieg ein Gewappneter 15) Trepp
auf, Trepp ab, so scholl's in die ängstlich lauschenden Ohren der
erschütterten Burgfrau und ihrer tiefergriffenen Kammerjungfer.
Die Rosse in den hochgewölbten Stallungen wieherten mit selt-
sam gesträubten Mähnen16) ängstlich durcheinander, und schlugen
mit ihren Hufen gegen die Steinplatte17 18) des Bodens. Die
Hunde im ganzen Schloße heulten bald zu dem in feierlicher
Sülle am Himmel hängenden Vollmond empor10), oder win-
selten in übernatürlicher Erregung leise vor sich hin. Alle
übrigen Hausthiere gaben, — jedes nach seiner Art, — eine
gleich qualvolle Beklommenheit deutlich zu erkennen 19).
7) „Ränke und Schwänke der Schleichhändler." S. 25.
8) Rau „über den Koller der Pferde." S. 38.
9) „Schauplatz jämmerlicher Mordgeschichten, bestehend in 200
traurigen Begebenheiten." S. 632.
10) Ciofano's „Trommel- und Pfeifeüchule." . S. 18.
11) Reden's „Seelenspiegel für junge Damen." I. 16.
12) „Bon den Weltkörpern" von N. Schund. S. 105.
13) „Die bayerische Köchin in Böhmen. Von A. Neudecker. S. 129.
14) Der Freischütz, Oper von F. Kind, Musik von C. M. v. Weber.
8ter Aufzug, 3te Scene.
15) Siebmacher's „Großes Wappenbuch." Mit Text von O. T. v.
Hefner. S. 9.
16) „lieber die Natur und Behandlung des Weichselzopfes" von
Matuszyaski. S. 63.
17) „Die Bortheile der Holzpflasterung" von C. Hölzlmayer. S. 32.
18) Schönheits „Wunder der Thierwelt." S- 11.
19) „Jahresbericht des Münchener Vereins gegen Thierquälerei." S. 28.
ck, der Verfehmte. 115
„Droben auf Rabeneck gehüs irre!" flüsterten schaudernd
die Bauern in der Nachbarschaft untereinander, und steckten,
sich vielfach bekreuzend, sich noch tiefer unter die Wollendecken'10)
ihres ärmlichen Lagers.
Und gerade in derselben Nacht, und um die nemliche
Stunde sah Kuno von Rabeneck ein Schiff an Joppe's Strande,
das die Segel blühte01), und schiffte auf demselben mit sei-
nem treuen Kürt, Fatimen, und ihrer schwarzen Sklavin, nach
glücklich gelungener Flucht aus dem Hause Ibrahim Sahibs,
wohlgemuth nach Europa herüber00).
Zwölf Stunden später verscheuchte ein wonnig lächelnder
Mai-Morgen voll duftiger Blüthen und springender Knospen mit
seinem von Lerchenwirbel00), Amselschlag und Schwalbenge-
zwitscher lieblich angesungenen azurblauen Himmelszelte die letz-
ten trüben Wolkenschatten, welche die gestrige Schrcckensnacht
auf der schönen Stirne01) der Burgfrau von Rabeneck, gebornen
Freyin von Vogelstein, aufgethürmt hatte. Wir erblicken die-
selbe darum heute schon am frühen Morgen, nach andächtig ge-
hörter Messe und fröhlich eingenommenem Morgenimbiß °°) auf
dem hohen, malerisch situirten Söller, das schön gedrechselte
Spinnrad vor sich, umgeben von ihren blühenden Töchtern Jutta
und Schwanhilde, die, in einem nützlichen Buche °°) blätternd,
von Zeit zu Zeit dem kindlich wilden Treiben ihres kleinen flachs-
köpfigen Brüderleins mit liebreicher Ermahnung abboten, wel-
cher, ganz des Vaters Ebenbild, und auch, wie er, Kuno genannt,
sich mit Beaten im blumigen Grase herumtummelte, um Schmet-
terlinge zu erjagen01). Vergebens hatte Vater Benno, der ehr-
würdige und gelehrte Castellan, dessen müde Gebeine allmählig
dem Grabe zuzuwanken begannen, — seinen Curtius und die
Feldzüge des Julius Cäsar (zwei kostbare alte Handschriften auf
vergilbtem Pergament) aus der verstäubten Bibliothek in's
Freie °8) herausgetragen, um dem kleinen Junker die kühnen Un-
ternehmungen jener alten Feldherren vorbildlich zu ent-
wickeln °°).
(Schluß folgt.)
20) Winke für Wolleinkäufer." S. 77.
21) „Keine Blähungen mehr" von H. Ritter. S. 82.
22) Joh. Reinh. Forster's „Geschichte der Schisfsahnen und Ent-
deckungen im Norden", S. 72; und Nikolai's „Bon der Schiff-
fahrt und Rayß in die Turkey vnd gegen Orient." (Nürnberg
1572.) Ir. Thl. S. 413.
23) „lieber den Lercheubaum" von Blauet. S. 35.
24) „Kein Kopfweh mehr" von De. C B. D. Köpfinger. S. 82.
25) Schmidts „Grundsätze der „Bierbräuerei." S. 28 und F. X.
Buttermann's „Küsebereitung." S. 15.
26) O. v. Redwitz's „Siegelinde" S. 116 und „Briefsteller für Lie-
bende." S. 90.
27) Morand's „Fisch- und Krebsfangsgeheimnisse," hier nur sehr
wenig zu gebrauchen.
28) „Ueber Lehr- und Lernfreiheit der deutschen Hochschulen." S. 39.
29) Talander's „Getreuer Hofmeister." S. 74.
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